Europa droht „schlimmster wirtschaftlicher Albtraum“ unter Trump – ING-Analyse
Der Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen dürfte kurzfristig das Wirtschaftsklima stützen, da niedrigere Steuern und ein unternehmensfreundliches Umfeld erwartet werden. Insbesondere Haushalte mit hohem Einkommen, die weniger von der Inflation betroffen sind und von steigenden Vermögenspreisen profitieren, könnten den Konsum ankurbeln.
Allerdings sind die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten unter seiner Präsidentschaft ungewisser, heißt es in einer Analyse der niederländischen Großbank ING, die die Autoren James Knightley,Padhraic Garvey, Chris Turner, Carsten Brzeski und Jeroen van den Broek zusammengestellt haben. Aus europäischer Sicht ist Alarmstufe Rot angesagt. Trump würde Europas „schlimmster wirtschaftlicher Albtraum wahr werden“.
Europa droht Rezession durch neuen Handelskrieg
Denn ein drohender neuer Handelskrieg könnte die Eurozone von einem schwachen Wachstum in eine Rezession stürzen, so die Analysten der ING. Besonders die bereits angeschlagene deutsche Wirtschaft, die stark vom Handel mit den USA abhängt, wäre von Zöllen auf europäische Automobile hart getroffen. Zudem könnte die Unsicherheit über Trumps Haltung zur Ukraine und zur NATO das kürzlich stabilisierte Wirtschaftsvertrauen in der Eurozone untergraben.
Was am Ende wirklich kommt, bleibt abzuwarten. Europa würde wahrscheinlich abwarten, welche Politik Trump tatsächlich umsetzt. Unterdessen wird die EZB die Hauptlast tragen müssen, indem sie die Zinsen drückt, meinen die Analysten. Eine Leitzinssenkung um 50 Basispunkte auf der EZB-Sitzung im Dezember sei wahrscheinlicher geworden.
Zölle als Belastung für die Wirtschaft
Zölle stellen eine weitere Belastung für die Wirtschaft dar. Diese werden von US-Importeuren bezahlt, die dann entscheiden müssen, ob sie die Mehrkosten absorbieren oder an die Kunden weitergeben. Unter einem umfassenderen Plan aggressiver Zölle könnte es schwieriger sein, sofort auf inländisch hergestellte Produkte auszuweichen, was die Gewinnmargen der Einzelhändler und die Kaufkraft der Haushalte beeinträchtigen könnte.
Zudem ist mit Vergeltungsmaßnahmen aus dem Ausland zu rechnen, was US-Exporteure und -Hersteller vor Herausforderungen stellen wird. Laut Schätzungen des überparteilichen Committee for a Responsible Federal Budget wird der politische Mix aus Steuersenkungen, Zollerhöhungen und Ausgabenänderungen die US-Staatsverschuldung in den nächsten 10 Jahren um 7,75 Billionen Dollar erhöhen.
Höhere Kreditkosten als größtes Wachstumshindernis
Das größte mittelfristige Wachstumshindernis dürften jedoch die höheren Kreditkosten der US-Regierung sein, die auch die Kredit- und Unternehmenskosten insgesamt in die Höhe treiben. Die USA weisen bereits ein Haushaltsdefizit von fast 7% des BIP auf, während die Verschuldung im Verhältnis zum BIP bei 100% liegt. Es ist fraglich, ob die US-Wirtschaft schnell genug wachsen kann, um Steuereinnahmen zu generieren, die Trumps Fiskalpläne vollständig abdecken.
Gleichzeitig könnte die Federal Reserve die Geldpolitik straffen, um die Inflation bei 2% zu halten. Ein Umfeld höherer Inflation durch Zölle könnte das Risiko einer höheren, steileren Zinskurve in den nächsten vier Jahren verstärken. Allerdings bleibt abzuwarten, was Trump tatsächlich als Präsident umsetzt. Während die Wachstumsentwicklung kurzfristig gut aussieht, könnten aggressivere Fiskal- und Einwanderungspolitiken langfristig Herausforderungen für die US-Wirtschaft darstellen.
Probleme bei Arbeitskräften
Eine reduzierte Einwanderung und erzwungene Rückführungen könnten die US-Wirtschaft vor große Herausforderungen stellen, da die Zahl der in den USA geborenen Arbeitskräfte sinkt. Laut Prognosen gibt es wenig Aussicht auf eine demographisch bedingte Trendwende. Das Beschäftigungswachstum wird von im Ausland geborenen Arbeitskräften getragen, die inzwischen 19,5% aller US-Beschäftigten ausmachen.