Kommentar

Europa verzockt gerade seine AI-Zukunft

© Unsplash / Mistral AI / Aleph Alpha / Silo AI
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Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Paukenschlag am Mittwoch in AI-Europa. Silo AI aus Finnland gibt bekannt, um 665 Millionen Dollar an den US-Chip-Hersteller AMD zu verkaufen. Das Team um Gründer und CEO Peter Sarlin bezeichnet sich als größtes privates AI-Labor Europas, hat 300 AI-Forscher:innen und Entwickler:innen im Team und außerdem mit „Viking“ und „Poro“ Open-Source-Modelle für Finnisch, Dänisch, Isländisch, Norwegisch und Schwedisch auf den Markt gebracht. Das alles soll künftig Advanced Micro Devices (AMD) aus Santa Clara in Kalifornien gehören.

Aus Sicht von AMD ist der Deal verständlich – und vergleichsweise günstig. Pro Mitarbeiter mit AI-Expertise zahlen die US-Amerikaner etwa 2,2 Millionen Dollar. Im Silicon Valley belaufen sich die Jahresgehälter für AI-Entwickler:innen oft auf hohe sechsstellige oder siebenstellige Beträge, also wäre alleine die Übernahme des Teams aus Finnland ein guter Deal. Im Vergleich zum bekanntesten und wertvollsten europäischen Startup, Mistral AI aus Paris, ist Silo AI ein Schnäppchen. Mistral AI wurde zuletzt mit 5,8 Milliarden Euro bewertet. Bei, wie berichtet, etwa 55 Mitarbeiter:innen ergibt das einen Wert pro Mitarbeiter:in von 105 Mio. Euro (mehr dazu hier).

AMD ist mit einem Börsenwert von 300 Mrd. Dollar aus europäischer Sicht ein Riese, aus US-Sicht ein Zwerg. Nvidia, der übergroße Konkurrent von AMD im Bereich der für AI-Training so essenziellen GPUs, ist mit einem Börsenwert von 3,3 Billionen Dollar mehr als zehn Mal größer als AMD. Und hat nicht nur die begehrten H100-Chips (und künftig B100-Chips), sondern bindet seine Kundschaft (immerhin Microsoft, Apple, Google Deepmind, Meta, Amazon, Oracle, OpenAI, Dell usw.) mit der Programmiersprache CUDA, einem Industrie-Standard. Bedeutet: CUDA nutzen will, muss Nvidia-Chips nutzen. Diese Software-Hardware-Kombination hat Nvidia zum unverzichtbaren Baustein der Generative AI gemacht.

Silo AI wird verlängerter AI-Arm von AMD

Mit Silo AI will AMD seine eigenen GPUs, die mit jenen von Nividia konkurrieren, besser im Enterprise-Markt platzieren, und die SiloGen-Plattform sowie das „Silo Operating System“ der Finnen werden eine zentrale Rolle spielen. Die 300 AI-Spezialisten werden schließlich Teil der AMD Artificial Intelligence Group, sollte der Deal dann in der zweiten Jahreshälfte 2024 durch sein.

Der Deal, der durchaus gefeiert wird, bedeutet aber auch, dass eines der drei, vier wichtigsten AI-Startups Europas bald einem US-Chip-Unternehmen gehören wird. Künftig wird man bei Silo AI auch die Frage stellen: Was ist mit der Open-Source-Strategie, was ist mit dem Fokus auf europäische Sprachen, was ist mit der engen Zusammenarbeit an LUMI, Europas schnellstem Supercomputer (der übrigens auf 12.000 AMD-GPUs läuft)? In der Mitteilung an die Presse ist von „global customers“ die Rede – und die sind auch in den USA und Asien zu finden. Europa ist damit kein Fokus mehr für Silo AI.

Silo AI: Finnisches AI-Startup um 665 Mio. Dollar an Chip-Hersteller AMD verkauft

Mistral AI speist sich hauptsächlich aus US-Kapitalgebern

Wie sieht es mit den anderen AI-Startups aus? Mistral AI muss man eigentlich längst der US-amerikanischen VC- und Enterprise-Welt zu ordnen. Die 5,8 Milliarden-Euro-Bewertung und die mehr als eine Milliarde Euro, die investiert wurden, kommen großteils nicht aus Europa, sondern von:

  • Microsoft (USA)
  • Databricks (USA)
  • Nividia (USA)
  • Salesforce (USA)
  • DST Global (UK)
  • General Catalyst (USA)
  • Lightspeed Venture Partners (USA)
  • Andreessen Horowitz (USA)
  • Motier Ventures (FRA)
  • La Famiglia (GER)
  • Headline (USA)
  • Exor Ventures (USA)
  • Sofina (BEL)
  • firstminute capital (UK)
  • Bpifrance (FRA)

Unterm Strich kann man sagen: Ohne US-Investoren wäre Mistral AI heute nicht da, wo es ist. Auch das Know-how stammt von US-Unternehmen: Die Gründer Arthur Mensch (CEO), Guillaume Lample (Chief Scientist) und Timothée Lacroix (CTO) sind ehemalige Mitarbeiter:innen bei Google und Meta und waren dort mit AI-Modellen (Transformer, Llama) beschäftigt.

Mistral AI ist pro Mitarbeiter:in 105 Millionen Euro wert – mehr als Nvidia

Aleph Alpha fällt weit hinter die US-Marktführer zurück

Bleibt die Nummer Drei im AI-Rennen: Aleph Alpha aus aus Heidelberg in Deutschland. Während Mistral AI im vergangenen Jahr ganze 7 unterschiedliche AI-Modelle veröffentlichte und mehr als eine Milliarde Euro aufgenommen hat, beschäftigt sich die Presse aktuell mit der Frage, ob und wie viel Geld Aleph Alpha nun wirklich bekommen hat und wie gut oder schlecht die AI-Modelle der Deutschen im Vergleich zu OpenAI, Anthropic, Google oder Mistral AI wirklich sind (Hin: Leider eher schlecht).

Bei Aleph Alpha wurde Ende 2023 noch gelobt, dass es das Unternehmen von Gründer Jonas Andrulis immerhin geschafft habe, eine Finanzierung hauptsächlich von europäischen Geldgebern zu bekommen – also Innovation Park Artificial Intelligence in Heilbronn (Ipai), Bosch Ventures, der Schwarz Gruppe des Lidl-Gründers, der Berliner Christ&Company Consulting, Hewlett Packard Enterprise, SAP sowie Burda Principal Investments. So könnte man wirklich eine europäische AI-Alternative aufbauen, während Mistral AI eher zum verlängerten Arm des Silicon Valley werde.

Mittlerweile aber sorgt man sich um Aleph Alpha und wartet gebannt auf einen baldigen Release neuer AI-Modelle, die es mit den US-Amerikanern aufnehmen können. Im AI-Rennen ist der Faktor Zeit entscheidend: Aktuell treffen kleine wie große Unternehmen vielerorts Entscheidungen, auf welche AI-Technologien sie künftig bauen wollen – und wenn da Aleph Alpha keine Option ist, dann wird eben GPT-4, Claude 3, Gemini 1.5 oder Mistral Large der Vorzug gegeben. Stattdessen läuft Aleph Alpha Gefahr, zum Auftragsprojekt-Entwickler für einige wenige Partner zu werden.

Aleph Alpha: Vom AI-Hoffnungsträger zum Sorgenkind

Müssen es die Linzer richten?

Müssen nun die europäischen AI-Hoffnungen auf – Linz ruhen? Dort haben der AI-Forscher Sepp Hochreiter und der Tech-Unternehmer Albert Ortig NXAI an den Start gebracht. Und sägen an den Grundlagen, auf denen OpenAI und Co aufbauen – den Transformern. xLSTM soll eine bessere Alternative dazu werden. Das gilt es zu beweisen, aber immer mehr schauen zu Sepp nach Linz, was dort entsteht. Geld braucht NXAI jedenfalls, dieses Jahr soll eine große Finanzierungsrunde gemacht werden, und es soll ein kompetitives AI-Modell auf den Markt kommen. Und da wird man sehen: Kann Europa einen GPT-Challenger selbst finanzieren, oder werden am Ende wieder die US-Amerikaner das Kapital stemmen – und sich Einfluss kaufen?

NXAI-CEO Albert Ortig: „Werden dieses Jahr erstes kompetitives AI-Modell launchen“

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