Europas Startups sind erschreckend oldschool, was die Rolle der Frau angeht
Wir schreiben das Jahr 2020, und wir schreiben immer noch Geschichten wie diese: „Job der Frau hat Priorität: Zalando-Co-CEO verlässt das Unternehmen„. Nein, im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung ist es noch lange keine Selbstverständlichkeit, dass ein Mann mal zugunsten der Karriere seiner Frau zurücksteckt und seinen eigenen Job an den Nagel hängt. Schon gar nicht in der Tech-Branche, die sich ja eigentlich als innovative Speerspitze von Wirtschaft und Gesellschaft versteht. Da hat man eher das Gefühl, in den 1950ern zu sein.
Wir bei Trending Topics behandeln das Thema seit mehreren Jahren immer wieder. Appelle gab und gibt es seitens VCs und Business Angels immer wieder – man wolle und brauche mehr weibliche Gründer im Portfolio. Warum solle man schließlich auf 50 Prozent der Talente verzichten? Und außerdem gibt es einige Studien, die zeigen, dass weibliche Führungspersönlichkeiten in Startup-Teams gut für die Erfolgschancen sind.
90 Prozent der Investments für Männer
Trotzdem ist Europa so Oldschool wie eh und je. Beim Lesen des neuen „State of European Tech„-Report musste ich mich so richtig ärgern. Denn da ist zu lesen: Seit 2018 stagnieren die Fortschritte in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter: 90,8 Prozent des gesamten Kapitals ging in diesem Jahr wieder an rein-männliche Gründer-Teams (2019: 90,3 Prozent). Keine einzige Finanzierungsrunde über 50 Millionen US-Dollar wurde europaweit von rein-weiblichen Gründerteams eingesammelt. Zwischen 2016 und 2020 flossen nur drei Prozent aller Finanzierungsrunden an weibliche Gründer-Teams.
Warum gibt es immer noch so wenig Frauen in Führungspositionen, Lisa Fassl?
Gender Diversity – das gibt es im europäischen Startup-Sektor nur als Begriff, aber nicht in der Praxis. Seit vielen Jahren bemühen sich Organisationen wie die österreichischen Female Founders um eine Veränderung dieser Missstände, doch erreicht wurde wenig. Bis auf sich immer wiederholende Zugeständnisse auf Podiumsdiskussionen und Panels ist offenkundig nichts passiert. Gleichstellung der Frau im Startup-Business? Fehlanzeige.
Tun, nicht reden
Immerhin gibt es bei einigen VCs das Problembewusstsein, dass etwas getan werden muss. Speedinvest hat gemeinsam mit Female Founders den Plan gefasst, dass Frauen in Startups künftig gezielt unterstützt werden. Und Atomico, das die Europa-Studie herausgibt, ist einer der wichtigsten Geldgeber von Ada Ventures – ein neuer Fonds mit 41 Millionen Euro aus Großbritannien, der für mehr Diversität in der Startup-Szene sorgen möchte. Risikokapitalgeber sind wahrscheinlich der größte Hebel, der für Veränderung sorgen kann.
Nicht falsch verstehen – Geld ist nicht die Lösung, es geht um das Mindset. Ein Bewusstsein, dass die Tech-Szene ein Problem mit der Geschlechtergleichstellung hat, gibt es. Geredet wurde auch schon viel. Jetzt muss auch endlich etwas getan werden. Damit die Startup-Szene sich anfühlt wie 2021 und nicht wie 1955.
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