EY: Österreichische Startups haben Finanzierungsrekord wieder gebrochen
Steigende Zinsen, wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflation und eine drohende Rezession haben nach dem Rekordjahr 2021 das Marktumfeld für Startups stark eingetrübt. In den Zahlen für österreichische Jungfirmen im ersten Halbjahr 2022 zeigt sich das allerdings noch nicht. Im Gegenteil: Sie erhielten im ersten Halbjahr 2022 mehr frisches Kapital als je zuvor. Mit insgesamt 881 Millionen Euro wurde das Volumen des Vorjahreszeitraums um 67 Prozent überschritten. Das zeigt das neue „Start-up Investment Barometer“ von EY.
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Boom für Startups geht nicht ungebremst weiter
Jungunternehmen sammelten im ersten Halbjahr 2022 sogar noch mehr Kapital ein als im bisherigen Rekordzeitraum, dem zweiten Halbjahr 2021. Allerdings vereinigten die zwei großen Finanzierungsrunden von GoStudent mit 300 Millionen Euro sowie TTTech Auto mit 250 Millionen Euro 62 Prozent gesamten Investitionskapitals auf sich. An den 67 veröffentlichten Finanzierungsrunden waren insgesamt 176 Investor:innen beteiligt. Immerhin 95 davon (54 Prozent) haben ihren Firmenhauptsitz in Österreich. Am zweithäufigsten waren Investor:innen mit Hauptsitz in Deutschland vertreten (28 Prozent). Es folgen Investor:innen aus Großbritannien vor jenen aus den USA.
„In Österreich ist der Startup-Höhenflug trotz des bereits stürmischen Umfelds auch im ersten Halbjahr 2022 weitergegangen. Noch nie wurde in einem Halbjahr so viel Kapital in Startups gesteckt wie heuer. Diese Zahlen dürfen aber nicht zu dem Trugschluss führen, dass der Boom des Rekordjahres 2021 in Österreich ungebremst weitergeht. Viele Finanzierungsrunden wurden bereits 2021 oder in den noch starken ersten Monaten 2022 auf den Weg gebracht und jetzt abgeschlossen. Gerade bei der Wachstumsfinanzierung, die in Österreich immer noch fast ausschließlich durch internationale Investorengruppen getätigt wird, wird sich die starke Zurückhaltung von Risikokapitalgeber:innen in den nächsten Monaten niederschlagen“, sagt Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich.
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Risikokapital immer noch vor allem aus dem Ausland
Der Anteil an österreichischen Geldgeber:innen in den Finanzierungsrunden ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. An 79 Prozent der Finanzierungsrunden waren heimische Investor:innen beteiligt – im ersten Halbjahr 2021 waren es 71 Prozent. 45 Prozent wurden sogar rein von heimischen Investor:innen getragen, 2021 waren es 44 Prozent. Dennoch stammen drei Viertel (73 Prozent) der Gesamtfinanzierungssumme von rein international besetzten Investorengruppen. Auch hier zeigt sich eine stärkere Beteiligung von heimischen Geldgeber:innen als im Jahr davor, wo sogar 90 Prozent der Investmentsumme von nicht-österreichischen Investorengruppen bereitgestellt wurden.
Bei frühphasigen Finanzierungsrunden sind weiterhin heimische Investorengruppen führend. In Pre Seed- (76 Prozent) und Seed-Finanzierungsrunden (56 Prozent) stellten sie jeweils die Mehrheit der Kapitalgeber:innen. Das ändert sich, sobald es von der Anschub- zur Wachstumsfinanzierung geht: Liegt der Anteil österreichischer Geldgeber:innen bei Series A-Finanzierungsrunden noch zumindest bei 47 Prozent, sind es bei Series B-Runden im ersten Halbjahr 2022 nur zehn Prozent. An den insgesamt sechs Series B-, Series C- und Corporate-Finanzierungsrunden hatte lediglich jede:r zehnte beteiligte Investor:in (Series B) bzw. kein:e Investor:in (Series D und Corporate Series) den Hauptsitz in Österreich.
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Anreize für Risikokapital-Investitionen dringend nötig
„Während die Anschubfinanzierung in Österreich insbesondere über Business Angels nach wie vor funktioniert, stehen heimische Investor:innen bei großen Finanzierungsrunden oft nur an der Seitenlinie, während vor allem Venture Capital Fonds aus den USA und UK das Spiel gestalten und sich auf ihrer europäischen Shopping-Tour in Österreichs Top-Startups einkaufen. Nur eine nachhaltige Stärkung des heimischen Kapitalmarkts und dringend notwendige Anreize für Risikokapital-Investitionen von Privatpersonen und institutionellen Investor:innen können langfristig die Abwanderung von intellektuellem Kapital und den Verlust von Arbeitsplätzen verhindern“, ergänzt Haas.