Facebooks milliardenschwere Flucht ins Metaversum und der Faktor Apple
Es sind nicht die Whistleblower oder Datenschützer, die schlecht fürs Geschäft sind, sondern es sind folgende drei Faktoren: Die Weltwirtschaft, die COVID-Krise und Apple. Genau, Apple. Für Facebook gibt es derzeit kaum größere Schmerzen als der unweit gelegene iPhone-Riese und seine mobiles Betriebssystem.
Denn seit iOS 14 werden iPhone-Nutzer permanent gefragt, ob sie das Werbe-Tracking von Apps ablehnen wollen. Und das tun so viele, dass vier der größten Apps der Welt – Facebook, WhatsApp, Instagram & Messenger – Gefahr laufen, das Business-Modell unter den Füßen weg gezogen zu bekommen. Apple lässt die Datenschutz-Muskeln spielen, und Zuckerberg zittert.
Noch läuft die Sache gut für Facebook. 29 Milliarden Dollar Umsatz (+35%), 9,2 Mrd. Dollar Gewinn (+30%), 1,93 täglich aktive Facebook-Nutzer (+6%), 2,81 Milliarden täglich aktive Nutzer (+11%) über alle Apps hinweg – die neuesten Quartalszahlen lassen sich sehen (siehe hier).
Aber wie lange läuft das noch? Was, wenn die hohe US-Politik endlich Sache macht und Zuckerberg die zugekauften Apps WhatsApp und Instagram wieder abspalten muss? Da werden die Umsatz-, Gewinn- und Nutzerzahlen wohl ziemlich blass aussehen. Dass da das neu angefangene Krypto-Business der große Retter sein wird, ist angesichts des großen Widerstands der Regulierungsbehörden vorerst nicht realistisch.
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Die logische Flucht ins Metaversum
Bleibt also nur die Flucht ins Metaversum. Genau, vielleicht wird der Facebook-Konzern bald Meta heißen, und Facebook ist „nur“ mehr eine App neben mehreren anderen. Metaversum ist aber sowieso nur ein hübsches Marketing-Wort für eine neue Produktkategorie, in der sich noch kein Marktführer und keine Plattform etabliert hat: Augmented Reality und Virtual Reality.
Facebook möchte, und das steht so im neuesten Quartalsbericht, pro Jahr satte zehn Milliarden Dollar und mehr in die neu geschaffene Geschäftssparte „Facebook Reality Labs“ investieren. Die dutzenden Milliarden an Gewinn, die Facebook jedes Jahr einfährt, werden Anleger gewarnt, wandern künftig größtenteils ins AR/VR-Business. Das liest sich so:
„We expect our investment in Facebook Reality Labs to reduce our overall operating prot in 2021 by approximately $10 billion. We are committed to bringing this long-term vision to life and we expect to increase our investments for the next several years.“
Wird das wirklich so umgesetzt, dann wird Facebook nach zwei Jahren mehr Geld in AR/VR und damit verbundene Software und Content gesteckt haben als in seinen WhatsApp-Zukauf (ca. 20 Mrd. Dollar). Für den Größenvergleich: 2021 wird der Markt für AR/VR weltweit auf 30 Milliarden Dollar geschätzt, bis 2025 soll er auf 296 Milliarden Dollar anwachsen (Zahlen siehe hier).
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Unabhängigkeit von Apple
Legen wir mal die Science-Fiction-Visionen von Neal Stephenson („Snow Crash“, 1992), William Gibson („Neuromancer“, 1984), Tad Williams („Otherland“, 1996) oder Ernest Cline („Ready Player One“, 2011) beiseite und betrachten wir, was das Metaversum wirklich ist: Es ist eine neue Computing-Plattform mit einer neuen Kategorie von Hardware für den Zugang. AR/VR-Brillen sind für das Metaversum das, was Smartphones für Apps und Computer für das Web sind. Mit der Tochter Oculus und der Partnerschaft mit Ray-Ban hat Zuckerberg einen gewissen Vorsprung bei AR/VR – nun sollen 10 Milliarden Dollar und mehr pro Jahr Marktführerschaft erkaufen.
Anders als im mobilen Web mit den Platzhirschen Google und Apple gibt es bei AR/VR noch keinen Marktführer – und also auch keinen, der den anderen mit seinem Betriebssystem und seinem Marktplatz die Regeln aufzwingt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Facebook genauso wie Apple und Google an einer AR-Brille arbeitet – also bestrebt ist, zum Marktführer bei der neuen Hardware zu werden und so der Industrie als Plattform die Regeln vorzugeben. Mit Facebook als unter Beschuss stehender Brand geht das wahrscheinlich nicht so gut – aber wenn man das ganze zum Beispiel Meta nennt, vielleicht schon.
2013 hat Facebook mit Partner HTC versucht, in den Smartphone-Markt einzusteigen – und ist kläglich gescheitert. Der gesamte Umsatz des Unternehmens betrug damals 7,87 Mrd. Dollar – das ist weniger als heute der Gewinn eines einzigen Geschäftsquartals. Facebook war vor acht Jahren einfach noch nicht reif genug, um ein großer Hardware-Plattform-Player zu werden. Heute, mit 58 Milliarden Dollar in der Kriegskasse und satten Gewinnen sieht die Sache anders aus. Das ist das Kapital, mit dem sich Zuckerberg von Apple freikaufen kann. Er wird es zumindest versuchen.
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