Interview

Fairphone-Gründer Bas van Abel: „Fairness ist nie absolut“

Fairphone-Gründer Bas van Abel. © Oliver Janko
Fairphone-Gründer Bas van Abel. © Oliver Janko
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Wer sich ein Smartphone kauft, macht das meist in dem Wissen, ein unfaires System zu unterstützen. Seltene Erden, schwierig abzubauende Rohstoffe, dubiose Fertigungsbedingungen: Die Umstände, unter denen viele Smartphones gebaut werden, sind bekannt – und dem Gros der kaufenden Bevölkerung recht egal. Genau hier setzt Fairphone an: Das Unternehmen, das der Niederländer Bas van Abel gründete, produziert seit Anfang 2013 unter fairen Bedingungen Smartphones – soweit das eben möglich ist.

Mittlerweile gibt es das dritte Gerät aus dem Hause Fairphone, schlicht betitelt als „Fairphone 3“. Schon Version 2 war modular aufgebaut, für Version 3 gilt das ebenso. Der Weg dahin war ein langer, erklärt Bas van Abel: „Der Unterschied vor allem zwischen Modell 1 und Modell 2 ist immens“, erläutert er, „beim Fairphone 1 kam das Design nicht von uns, es war nicht unser Smartphone“. Tatsächlich habe man ein bereits existierendes Gerät eines chinesischen Herstellers verwendet und dieses überarbeitet.

Das Fairphone 3, vorgestellt im August, ist mittlerweile auch in Österreich erhältlich. Zum Marktstart kam auf Einladung von Magenta der Gründer von Fairphone, Bas van Abel, nach Wien. Trending Topics konnte sich mit dem Niederländer über das Gerät, die Idee hinter dem Startup und die philosophische Frage nach der Definition von Fairness unterhalten.

Was stammt woher?

„Die meiste Arbeit mussten wir in die Lieferkette investieren“, beschreibt van Abel die ersten Schritte, „wichtig war es, sicherzustellen, dass wir die richtigen [fairen, Anm.] Rohstoffe beziehen und die Arbeitsbedingungen kontrollieren“. Die ersten Schritte galten also der Schaffung eines möglichst fairen Umfelds, bevor es mit dem Fairphone 2 dann neue Herausforderungen zu bewältigen gab. „Beim Fairphone 2 kümmerten wir uns dann auch um das Design des Geräts, das war dann unser erstes eigenes Modell“.

Möglich gemacht haben diesen Schritt der Vorgänger und eine erfolgreiche Crowdfunding-Runde. Fünf bis zehn Millionen Euro brauche man, um ein eigenes Smartphone auf den Markt zu bringen. „Mit dem Fairphone 1 hatten wir einen leichten Einstieg, es gab uns die Möglichkeit, unser Crowdfunding-Ziel zu erreichen und Geld in jene Dinge zu investieren, die uns für das zweite Modell wichtig erschienen – beispielsweise die Arbeitsbedingungen“.

Das Fairphone 3. © Fairphone
Das Fairphone 3. © Fairphone

Fairphone 2 als erstes eigenes Modell

Das eigene Modell gab dem Unternehmen darüber hinaus die Möglichkeit, tiefer in die Lieferkette einzugreifen. „Wir entscheiden, welche Komponenten wir verwenden“, erklärt van Abel, wenngleich es nicht möglich sei, jeden Bestandteil zu kontrollieren. Das Fairphone 2 habe in etwa 1.200 Teile, von denen das Unternehmen auch wisse, woher sie kommen.

„Allerdings besteht jeder dieser Komponenten wiederum aus anderen Bestandteilen“, und da werde es schwierig, betont der Fairphone-Gründer. „In jedes Smartphone sind tausende Firmen involviert, über 60 Rohstoffe aus allen Teilen der Welt und es ist sehr schwierig, alles davon zu tracken – es ist unmöglich“. Fairphone wisse aber, woher die „kritischen Mineralien“, wie van Abel sie bezeichnet, stammen. „Wir tracken und kennzeichnen alles, was aus den Minen kommt und wissen damit, ob es konfliktfrei geschürft wurde. Außerdem verwenden wir auch fair gehandeltes Gold, das von einer speziellen Mine kommt.“ Erkennbar ist das an der „Fairtrade Gold“-Auszeichnung beispielsweise auf der Homepage.

+++ Das Fairphone 3 ist für dich, wenn du ein nachhaltiges Smartphone suchst +++

Bevor das Gold allerdings in das Smartphone kommt, sind acht Unternehmen involviert – und die werden allesamt kontrolliert. „Wir fokussieren uns auf die problematischen Bestandteile“, erklärt van Abel, „denn du musst nicht jedes Problem lösen, sondern einfach laufend aufdecken, was wo nicht passt“. „Bevor wir das Fairphone 2 bauen konnten, mussten wir bereits sieben Firmen austauschen, weil sie korrupt waren, kurz vor dem Bankrott standen oder schlechte Qualität lieferten.“

Hersteller und Verbraucher

Das große Problem sieht van Abel aber ohnehin in einem anderen Bereich. Man müsse bedenken, wie komplex ein Smartphone tatsächlich sei. Tausende Bestandteile aus verschiedenen Teilen der Welt, „die Schönheit dieser Lieferkette ist letztlich ein Smartphone, gefertigt eigentlich aus Steinen“.

Damit würden aber erst Probleme entstehen: „Wir fühlen uns aber nicht mehr connected, weder in die eine, noch in die andere Richtung“, erklärt van Abel. „Menschen, die Smartphones produzieren, fühlen sich nicht mit den Geräten und der Welt der Nutzer verbunden – und umgekehrt“, präzisiert er. Das sei die Komplexität dieser Aufgabe, und Fairphone versuche, die Menschen und Vorgänge hinter dem Gerät sichtbar zu machen.

Modulares System

So ganz nebenher soll das Fairphone 2 auch Nachhaltigkeitsthematiken behandeln. Mit dem Fairphone 2 habe man den Weg, wie ein Smartphone gebaut wird, revolutioniert. Zur Erinnerung: Das zweite Fairphone setzt, ebenso wie das aktuelle Modell 3, auf eine modulare Bauweise. Das heißt, der Nutzer kann bei Gebrechen einzelne Komponenten tauschen. Die ursprüngliche Frage: „Wie können wir ein Smartphone machen, das länger hält, als andere anderen?“

Das habe auch den Vorteil gehabt, einzelne Bauteile nach und nach verbessern zu können. Damit war Fairphone das erste Unternehmen, das ein derartiges Gerät auf den Markt gebracht hat. Was andere Hersteller daran hinderte?

Bas van Abel hat eine simple Antwort: „Da war kein Businesscase dahinter“. Er sei sich zwar nicht sicher, was bislang gegen modulare Smartphones spricht, er vermutet aber, dass es etwas mit dem Gewinn zu tun habe: „Wenn Apple, Google, Samsung [ein derartiges Smartphone, Anm.] bauen möchten, könnten sie das machen“. Es sei einfach nicht im Interesse der großen Firmen, langlebig zu bauen. „Wenn du Smartphones verkaufen willst, willst du nicht, dass sie ewig halten“.

Faires Phone für die Nische

Er sieht aber einen Wandel: „Wenn du ein Smartphone für 1.000 Euro oder mehr kaufst, wechselt du es nicht einfach aus“. Der höherpreisige Markt biete dahingehend auch Vorteile. Er erkennt auch seine Chancen: „Wenn du technologisch nicht besser bist als alle anderen, musst du mit einem anderen Ansatz überzeugen“, erklärt er. „Wir haben ein Smartphone, das zwar nicht den großen Markt erobern wird, aber auch eine Bewegung des nachhaltigen Konsums, die größer und größer wird und einen Markt, auf der das Thema Nachhaltigkeit bislang keines war.“

Mit dem Fairphone 3 wolle man genau diese Nische abdecken. Vom Fairphone 2 wurden laut van Abel alleine in Europa über 150.000 Einheiten verkauft. Das Ziel für das Fairphone 3 sei es, als Hersteller ernst genommen zu werden. „Mit dem Fairphone 3 wollen wir ein Smartphone bauen, das zeigt, dass wir aus den Fehlern mit dem Vorgängermodell gelernt haben, ohne Kompromisse bei der Lieferkette noch beim Thema Nachhaltigkeit machen zu müssen.“ Außerdem wolle man das Smartphone für eine größere Zielgruppe anpassen. Auch darum wurde der Preis gesenkt und die Hardware verbessert.

Lernen aus den Fehlern

Die Fehler vom Fairphone 2 werde man vermeiden: „Wir brauchen 1.200 Bestandteile. Fehlt nur einer, steht die Produktion. Keine Produktion heißt keine Verkäufe heißt kein Gewinn. So kannst du keine Telefone bauen.“ Beim dritten Modell habe man bereits ein Lager aufbauen können, es seien in das Team investiert und die richtigen Leute geholt worden. Auch darum führe nun Eva Gouwens das Unternehmen: „Ich kann gut Unternehmen aufbauen, Eva Gouwens skaliert sie“.

Die nächsten Jahre werde man versuchen, das Fairphone 2 und das Fairphone 3 zu unterstützen. Ein Fairphone 4 sei selbstverständlich in Planung, vorbereitet müsse man schließlich sein. „Wenn wir in sicheren Gewässern sind, werden wir versuchen, unser Portfolio zu erweitern“. Geld verdienen könne man mit einem Produkt wie dem Fairphone: „Der Markt ist sehr schwierig, aber wir sind immer noch hier und wachsen. Unsere Handys werden besser und besser, wir werden immer konkurrenzfähiger. Wenn wir 250.000 Geräte im Jahr verkaufen, hätten wir 0,015 Prozent des europäischen Marktes. Wir reden über eine Nische, aber auch darin kann man gut verdienen“.

Was ist Fairness?

„Wir experimentieren damit, das Fairphone als einen Service anzubieten. Du besitzt es nicht, wir stellen es für eine monatliche Gebühr bereit. Wenn ich dir das Smartphone verkaufe, und es geht kaputt, schickst du es ein und mich kostet das Geld. Das will ich nicht, ich will, dass du ein neues Phone kaufst. Leihst du es von uns, will ich, dass du das Gerät, dass du bekommen hast, lange verwendest. Denn jedes neue, dass du von uns bekommst, kostet mir dann Geld.“

Auch das wäre ein Ansatz für mehr Fairness auf dem Markt für ihn. Auch Fairphone könne sich in vielen Punkten verbessern. „Wenn wir diskutieren, was fair bedeutet, wird es sehr philosophisch. Fairness ist dynamisch, ‚fair‘ ist nicht überall gleichbedeutend.“ Und was bedeutet fair jetzt für Bas van Abel? „Das zu halten, was was wir versprechen und die Idee der Fairness immer weiter zu verbessern. Solange wir uns immer verbessern, ist das Fairphone fair.“

Ist Fairness absolut? „Nein“.

Fairphone B.V. wurde 2013 in Amsterdam von Bas van Abel gegründet. Beschäftigt sind rund 65 Mitarbeiter, CEO ist Eva Gouwens.

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