Viel geredet, nix passiert: Startups als Innovations-Feigenblatt der Politiker:innen
Aus welchen Jahren stammen diese Headlines und Ansagen der Politik?
„Finanzminister soll Beteiligungsfreibetrag für private Kapitalgeber prüfen„
„Neue Risikokapitalprämie für Investoren„
„Neue Rechtsform Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft„
„Entlastung bei Lohnnebenkosten„
„Es muss endlich leichter sein, Mitarbeiter am eigenen Unternehmen zu beteiligen„
Klingt wie 2022? Tja, die Artikel von Trending Topics stammen aus den Jahren 2015 und 2016. Wir hätten auch ältere Berichte rausgesucht, aber Trending Topics gibt es erst seit 2015, und davor war mit Startup-Berichterstattung nicht viel los in Österreich. Es waren auch die Jahre, als Harald Mahrer (damals Staatssekretär) und Christian Kern (damals Bundeskanzler) als erste Politiker der vorderen Reihe das Startup-Thema für sich erkannten und eine Gründerlandstrategie (Mahrer) und ein Startup-Paket (Kern) kommunizierten.
Später kamen dann weitere Politiker:innen fast jeglicher Coleur (nur die FPÖ hielt eigentlich stets Abstand) und ließen sich regelmäßig mit Gründer:innen zu allen erdenklichen Themen ablichten. Meistens die Botschaft: Liebes Silicon Valley, auch mit „Made in Austria“ kann man es schaffen, international Bedeutung zu erlangen und mit den Großen mitzuhalten.
Alleine, der Verdienst der Politik war es am Ende nicht, dass die Startup-Szene in Österreich weiter wuchs und zahlreiche Soonicorns und Unicorns hervorgebracht hat. Das waren am Ende internationale Investor:innen (v.a. aus den USA und Deutschland), die mehr als eine Milliarde Euro in den Sektor pumpte. Man muss sagen: Österreichische Tech-Unternehmen florierten nicht wegen der Rahmenbedingungen, sondern trotz der Rahmenbedingungen.
Und wir warten weiter….
Auch zehn Jahre nach dem Start der Austrian Angel Investors Association und neun Jahre nach der Gründung der AustrianStartups sind deren gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderungen bei weitem nicht erfüllt worden. Dem Austrian Startup Policy Dashboard kann man entnehmen, dass es lediglich bei 3 von 34 zentralen Forderungen seit 2019 eine „gute Weiterentwicklung“ gegeben hat. Bei den anderen Forderungen steht entweder „Zurzeit im Gespräch“, „Wille zur Veränderung bekannt gegeben“ oder „keine Veränderung“ daneben. In anderen Worten: In Österreich wird viel geredet, aber sehr wenig umgesetzt. Mittlerweile gibt es auch das Startup-Komittee nicht mehr, es stoppte seine Arbeit mit dem Rücktritt von Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die unter anderem am Kaufhaus-Österreich-Debakel und dem Stillstand beim versprochenen Gründer:innen-Paket scheiterte.
Und so wartet man auch im Sommer 2022 nach wie vor auf:
- Neue Gesellschaftsrechtsform FlexCo/FlexCap/A
- Mitarbeiter:innenbeteiligung
- Beteiligungsfreibetrag für Investor:innen
- Dachfonds für Wachstumsfinanzierung
- wettbewerbsfähige Rot-Weiß-Rot-Karte
- usw.
Geld kommt von außen, geht nach außen
Die hunderten Milliarden Euro, die in Österreichs Stiftungen liegen, sind zwar schon ein wenig erweckt worden, aber von wem? Nicht von einem Dach-Fonds, der das Geld dann in weitere Startup-Fonds verteilt, um gezielt in Tech-Firmen zu investieren. Vielmehr sind ausländische Großinvestoren wie Baillie Gifford nach Österreich gekommen, um Jagd auf das Geld der Institutionellen zu eröffnen. Wird das dann wenigstens in österreichische Firmen investiert? Großteils sicher nicht.
„Was in den letzten zehn Jahren gelungen ist, ist leider überschaubar. Muss man ganz ehrlich sagen“, sagte etwa Nikolaus Futter, Präsident der Austrian Angel Investors Association (aaia). Beteiligungsfreibetrag, neue Gesellschaftsrechtsform und so weiter – all das hätte man auch schon in einem Positionspapier von 2017 gehabt. Ist das Startup- und Innovationsthema zum Feigenblatt für die Politik geworden? Da lautet die Antwort vieler heute leider: Ja. Oder wie Futter es sagt: „Unsere politischen Hoffnungen, ich möchte sie ja gar nicht mehr Forderungen nennen.“