Female Founders Führungswechsel: Valerie Hengls Fokus liegt auf Startups in der Pre-Seed- und Seed-Phase
Ab sofort verstärkt die Ex-Purency-Gründerin Valerie Hengl das Female Founders Team. Gemeinsam mit Carina Klaffl übernimmt sie die doppelte Spitze der Geschäftsführung und will dabei besonders eng mit Startups in der frühen Entwicklungsphase zusammenarbeiten. Im Interview erzählt Hengl von ihren Learnings aus ihrer Startup-Zeit mit Purency, wo sie großes Potenzial für die Female Founders sieht und warum Investorinnen so wichtig sind.
Valerie Hengl über den schweren Abschied von Startup „Purency“
Trending Topics: Auf LinkedIn hast du gepostet, das Jahr 2023 war eine emotionale Achterbahnfahrt für dich, da du deine Rolle als Geschäftsführerin bei Purency zurückgelegt hast. Warum hast du diese Entscheidung getroffen?
Hengl: Genau. Wir haben Purency vor vier Jahren gegründet und waren vier Shareholder:innen: Zwei Gründerinnen und zwei Gründer. Drei Jahre habe ich unser Startup als Co-Geschäftsführerin geführt und dann ist es leider zu Shareholder-Difficulties gekommen. Das heißt, ich persönlich war nicht mehr einverstanden, wie die Firma geführt wurde und insofern habe ich damals die schwere Entscheidung getroffen, mich zurückzuziehen. Das hat leider dazu geführt, dass Purency Ende des Jahres liquidiert werden musste.
Das heißt, die Gründe, warum das Startup letztendlich liquidiert werden musste, kamen nicht daher, dass euer Geschäftsmodell nicht funktioniert hat?
Nein, das waren reine Teamgründe und Wertekonflikte.
Wie hat denn das Geschäftsmodell von Purency ausgesehen?
Wir haben eine Datenanalyse-Software für eine automatisierte Analyse von Mikroplastikmessungen gebaut, die weltweit an Labore verkauft wurde – zum Beispiel nach Australien, in die USA, aber auch in die Schweiz oder nach Spanien. Darunter waren Forschungslabore, Auftragsanalytik und Industrielabore, aber auch Universitäten, die ein Interesse daran hatten, Mikroplastik in Produkten oder Substanzen nachzuweisen. Wir haben sehr viele Daten gesammelt, die dann mithilfe unserer Plug-in-Software durch eine automatisierte Datenanalyse verarbeitet wurden. Durch die Daten konnten wir feststellen, welche Größe, Anzahl und welcher Typ von Polymeren in einer Probe enthalten ist.
Was war dein größter Lerneffekt, den du aus der Auflösung des Startups ziehen konntest?
Mein größter Lerneffekt war auf jeden Fall immer auf das Bauchgefühl zu hören und gerade bei so toughen Entscheidungen hinter sich und den eigenen Prinzipien zu stehen. Ein weiterer betrifft das Team. Im Startup, beim Gründen muss man sich immer das Team gut aussuchen und darauf schauen, dass auch in toughen Phasen das Vertrauen zueinander groß genug ist. Und eben das spürt man auch im Bauch. Bei meinem dritten Learning geht es darum, die Gesellschaftsverträge gut anzulegen und sie nicht zu verkomplizieren. Bei den Gründungsunterlagen sollte man wirklich sehr genau sein, damit Vertragsinhalte nicht auf verschiedene Weise interpretiert werden können – das betrifft dann vor allem auch die Auflösung eines Startups und die Aufteilung der Prozente.
Könnt ihr als Female Founders beim Aufsetzen von Gesellschaftsverträgen unterstützen?
Da haben wir auf jeden Fall Leute in unserem Netzwerk, die sich sehr gut mit dieser Materie auskennen und auch eigene Erfahrungswerte teilen können – auch wenn Gesellschaftsrecht nicht unsere Expertise ist. Und wir interagieren pan-europäisch – das heißt, wir als Female Founders sind Teil eines sehr großes Netzwerkes. Wir arbeiten neben österreichischen Startups zum Beispiel auch mit Gründer:innen aus der Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich zusammen, wobei jedes Land sein eigenes Gesellschaftsrecht hat. Auch in diesen Fällen sehen wir es als unsere Aufgabe, Startups mit internationalen Expert:innen zu vernetzen.
Der Startup-Markt, seine Problemzonen und wie Female Founders unterstützen
Wir wissen alle, dass sich der Startup-Markt in den letzten 24 Monaten sehr verändert hat. Was waren in deinen Augen die wesentlichen Treiber für diese Veränderung?
Wir alle sind uns bewusst, dass sich der Startup-Markt in den letzten 24 Monaten erheblich verändert hat, wobei die Kapitalbeschaffung zu einer bedeutenden Herausforderung geworden ist. Das waren verschiedenste ökonomische Krisen, sowohl in Europa als auch weltweit. Zum einen waren diese Krisen durch die Pandemie bedingt, zum anderen durch einen Krieg und die daraus resultierende Energiekrise. Für die Gründungsphase von Startups, jetzt, wo Investitionen allgemein im Markt zurückgehen, ist das besonders kritisch.
Welche neuen Aufgaben werden in deiner neuen Rolle als Teil der Geschäftsführung bei den Female Founders auf dich zukommen und wo wird dein Fokus liegen?
Mein Fokus liegt auf Startups in ihrer frühen Entwicklungsphase, also in der Pre-Seed und Seed-Phase. Wir werden als Female Founders auch unsere Angebote für frühfristige Startup-Teams verstärken. Und da komme ich dran, weil ich eben in einem solchen Startup gearbeitet habe und aus erster Hand weiß, wie schwer es ist, Fundraising und Investments aufzustellen, gerade in einem geschlechterdiversen Team. Hier werde ich meine Expertise einbringen, um unsere Programme immer wieder dem Markt anzupassen.
Warum so viele Startups 2024 in der Seed-Phase stecken bleiben
Die Female Founders bieten jetzt keine eigenen Programme im Bereich „Diversity, Equity und Inclusion“ mehr an, sondern arbeiten stattdessen mit Partnern wie dem Europäischen Innovationsrat zusammenarbeiten. Warum habt ihr euch für diesen Schritt entschieden?
Weil wir eben genau durch diese Wirtschaftskrisen gemerkt haben, dass Unternehmen als erstes die Talentbudgets gestrichen haben. Das Erste, wo man streicht, ist leider oft das Diversity-Programm. Insofern hat sich das auch auf uns ausgewirkt und jetzt veranstalten wir Leadership-Programme nur noch mit großen Partnern und nicht mehr für die Allgemeinheit.
Von den Leadership-Angeboten, Veranstaltungen und Accelerate-Programmen, die ihr als Female Founders anbietet, was würdest du davon hervorheben?
Ich finde, wir haben ein zwei Herzstücke. Einerseits ist das unsere „Lead Today, Shape Tomorrow-Konferenz” (LTST), bei der ich selbst in den letzten zwei Jahre auch dabei war. Dieses Jahr findet sie für zwei Tage im Rahmen der „Vienna Up” bereits im Juni statt. Es werden wieder sehr coole Speaker:innen dabei sein, wie zum Beispiel Viki Schnaderberck, eine österreichische Ex-Fußballerin und Gloria Baeuerlein, die selbst 21,5 Millionen Euro für Puzzle Ventures aufgestellt hat. Bei „LTST” ist uns besonders wichtig, Unternehmerinnen von Anfang an abholen. Von den ersten Berührungspunkten mit der Start-up-Szene bis hin zum Startup gründen im Rahmen unseres Accelerate-Programms „Grow-F” – für diesen ist die Anmeldung gerade noch geöffnet und bis zum 23. Februar 2024 möglich. Und dann ist da noch der Venture-Capital-Fund „Fund F”, der den Gründer:innen mit Kapital unter die Arme greift und gleichzeitig seine Marktexpertise einbringt. Fund F agiert zwar ausgekoppelt von den Female Founders, aber es herrscht eine wirklich gute Zusammenarbeit, die wir dieses Jahr noch weiter vertiefen werden. Da hilft es, dass wir gemeinsam mit dem Fund-Team im Büro sitzen. Rechtlich gesehen sind es jedenfalls verschiedene Companies: Beim Fund F sind Lisa-Marie Fassl und Nina Wöss die Managing Directors und Female Founder leiten Carina Klaffl und ich als Geschäftsführerinnen.
In welche Start-ups habt ihr denn investiert oder welche sind denn schon im „Fund F” Portfolio enthalten?
Zum Beispiel das ClimateTech-Startup „Sirius“, das über unseren Newsletter auf das Grow F-Programm aufmerksam geworden ist. Ein paar Monate später hat der „Fund F” als Lead-Investor in das niederländische Startup investiert. Das Ganze ist in enger Kollaboration entstanden. Aber auch in das österreichische Startup „Ada“, die App, die sich auf das Fördern von Frauen und ihren Talenten innerhalb von Unternehmen spezialisiert hat, wurde investiert oder in „Senvo“ aus Deutschland, wo die Datenzentralisierung im Fokus steht.
„Beim Investieren muss auch der Vibe stimmen“
Sprechen wir zum Abschluss über deine persönliche Perspektive zum Gender-Thema. Wenn du irgendwo liest, ein Investor hat investiert, fühlt ihr euch dann auch angesprochen? Oder ist wichtig, explizit von „Investorinnen” zu sprechen?
Gendern ist mir ein sehr großes Anliegen. Es gibt einfach viel zu wenige Investorinnen und dieser Fakt zieht einen ganzen Rattenschwanz mit sich. Stichwort „Gender Pay Gap”: Frauen verdienen weniger Geld, dadurch sind ihre Einkünfte langfristig geringer und sie haben weniger Wissen oder Interesse an der Veranlagung ihres Geldes. Zum einen gibt es deshalb mehr männliche Investoren. Bei Startup-Investments ist es wichtig, dass du mit dem Investor oder der Investorin „vibest”. Das heißt, männliche Investoren sind auch geneigt dazu, in männliche Startup-Teams zu investieren – einfach, weil sie sich damit besser identifizieren können. So zieht sich das durch und es gibt weniger Funding für weibliche Startups. Das Thema ist mir sehr wichtig, weil ich das Dilemma auch selber zu spüren bekommen habe. Es geht auch darum, andere Frauen zu unterstützen, wie sie auch Investorin oder Business Angel werden können. In meiner neuen Rolle möchte ich highlighten, dass es auch weibliche Investorinnen gibt, die verstärkt in geschlechterdiverse Startups investieren und so auch mehr female Role Models für neue GrünerInnen entstehen. Ich werde also immer von „Investorinnen” sprechen.
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