Fernkälte statt Klimaanlage: Wien Energie will 90. Mio Euro in Fernkälte-Ausbau investieren
Nach einem der kältesten und nässesten Frühjahre seit Jahrzehnten folgte nun direkt ein heißer und trockner Juni in Österreich. Entsprechend hoch ist das Bedürfnis nach ein wenig Kühlung in den Gebäuden. Neben Ventilatoren, welche die heißen Luftschichten dabei nur in Bewegung versetzen und weniger tatsächlich die Temperaturen verringern, werden für die Raumkühlung oft noch Klimaanlagen genutzt. Diese haben aber oft einen hohen Energieverbrauch und sind deswegen sehr umweltschädlich. Ein anderer Ansatz wird bei der Fernkälte verfolgt. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die Kälte in Form von kaltem Wasser erzeugt und dafür Abwärme zur Energieerzeugung nutzt. Der Wien Energie zufolge erzeugt diese Technologie um 50 Prozent weniger CO2-Emissionen, als gewöhnliche Klimaanlagen. Das Unternehmen kühlt nach eigenen Angaben so bereits über 140 Gebäude in Wien.
Bedarf an Fernkälte steigt kontinuierlich
Schätzungen des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen zufolge steigt die Nachfrage nach Fernkälte in Österreich kontinuierlich. Im Jahr 2019 hätten Anbieter etwa 192 Gigawattstunden an Fernkälte an Kunden geliefert. Im Vergleich zum Vorjahr war das eine Steigerung um 20,6 Prozent. Mit der zunehmenden Hitze im Sommer wird die Nachfrage immer größer. „An Hitzetagen ab 30 Grad steigt der Kältebedarf stark an, ab 35 Grad benötigen wir etwa dreimal so viel Kühlleistung wie an regulären Sommertagen“, so Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung.
Bis zu 5.000 Euro: Förderung für Austausch von Ölheizungen gestartet
Für die Erzeugung von Fernkälte kommen laut Wien Energie eigene, hocheffiziente Maschinen zu Einsatz. Sie nutzen als Antriebsenergie neben Strom zu einem großen Teil Abwärme aus der Industrie. Im Sommer kommt diese vor allem aus Müllverbrennungsanlagen. Die Maschinen kühlen das Wasser auf etwa fünf bis sechs Grad Celsius ab. Über ein eigenes Fernkältenetz transportieren Anbieter das Wasser direkt zu den Abnehmern und verteilen es dort über hauseigene Kühlsysteme. Dabei kann es sich etwa um Rohre in den Betonwänden eines Gebäudes handeln. Das Wasser nimmt die Wärme aus dem jeweiligen Gebäude auf und transportiert sie ab.
Wien Energie investiert 90 Mio. Euro in Ausbau
Durch den relativ geringen Energieaufwand ist die Fernkälte der Wien Energie zufolge die umweltfreundlichste Kühlmethode. Deswegen will das Energieunternehmen in Zukunft auch das entsprechende Netz ausbauen. Bis zum Jahr 2026 sollen 90 Millionen Euro in den Fernkälte-Ausbau fließen. Bis 2025 will der Energiedienstleister einen Ring an Kältezentralen entlang der Ringstraße aufbauen. Derzeit entstehe eine neue Fernkältezentrale am Stubenring, die noch im Spätsommer 2021 in Betrieb gehen soll, so das Unternehmen. Die Gesamtleistung der 16 bereits bestehenden Fernkältezentren liegt der Wien Energie zufolge bei 130 Megawatt.
Insbesondere in Bürogebäuden ist der Bedarf nach gekühlten Räumen hoch. Die Fernkälte hat dabei in Europa bisher aber noch keinen hohen Stellenrang. So ist Europa laut einer Erhebung des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen noch relativ weit hinten. Etwa 50 Prozent der Büroflächen würden durch Fernkälte Klimatisierung erhalten. In den USA und in Japan hingegen sei das bei 80 Prozent der Gebäude der Fall. Als Fernkälte-Vorreiter in Europa gelten Paris und Stockholm. Österreich sei in diesem Bereich zwar nicht im Spitzenfeld, mittlerweile aber sehr aktiv. Das zeigen ja nun auch jüngst die Investitionspläne der Wien Energie.