Burgenland: „Wir sehen uns als Startup-Exporteure Österreichs“
Burgenland hat im Startup-Bereich einen gewissen Aufholbedarf. Es gibt weder einen Accelerator noch Co-Working-Spaces und eine Startup-Szene. Das soll sich ändern. Im Trending Topcis-Interview treten der Geschäftsführer der Fachhochschule Burgenland, Georg Pehm, und die Innovations-Expertin der Wirtschaft Burgenland (WIBUG), Raphaela Graf, für eine Initiative ein, mit der man das Thema Innovation und Firmengründungen im Burgenland stärken sollte.
Neusiedlersee, Wein, Thermen, die diversen Erholungs- und Sportmöglichkeiten – das Burgenland ist vor allem ein Tourismusland. Doch mit der Fachhochschule Burgenland und ihren zwei Standorten in Eisenstadt und Pinkafeld hat sich das sonnigste Bundesland auch als Ausbildungsstätte einen Namen gemacht. Von den 2300 Studenten pro Jahr kommen etwa zwei Drittel aus anderen Bundesländern. Der Wermutstropfen dabei: Burgenland ist (noch) nicht die erste Adresse, will man ein Unternehmen gründen. „Ich gehe davon aus, dass wir so etwas wie Startup-Exporteure Österreichs sind, dass Absolventen unserer FH in anderen Bundesländern Startups gründen“, sagt der Geschäftsführer der FH Burgenland, Georg Pehm. „Wir sind sozusagen die Bodenaufbereiter im Startup-Bereich“, ergänzt die Innovations-Expertin der Wirtschaft Burgenland GmbH, Raphaela Graf. Derzeit zieht es die jungen Menschen und Absolventen in die Metropolen, entweder in den Norden nach Wien oder in den Süden nach Graz. Das soll sich ändern. „Unser Ziel ist, ganz klar, junge Unternehmen mit ihren Ideen und ihren Produkten im Land zu halten“, so Graf.
Burgenland werde generell nicht als Innovationsland gesehen, weil es in der Region wenig Industrie gebe und „nur“ einen hohen Anteil von Klein- und mittelständischen Betrieben. „Aus dieser strukturellen Situation heraus ist es logisch, dass das Forschungs- und Entwicklungspotential unterentwickelt ist“, sagt Pehm. Aber das Burgenland will mehr als nur eine der gefragtesten Tourismusregionen Österreichs sein, man will auch beim Thema Innovation aufholen.
Der mobile Innovationsmanager
Seit Anfang des Jahres hat die Wirtschaft Burgenland GmbH die Position des „Innovationsmanagers“ ins Leben gerufen und mit dem Startup-Experten Michael Sedlak bekleidet. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, Möglichkeiten einer Firmengründung auszuloten, Jungunternehmer zu coachen und sie über Förderungen aufzuklären. Dass es im Burgenland keine zentrale Anlaufstelle, also keinen Startup-Hotspot gibt, habe mit der Topografie des Landes zu tun – über 200 Kilometer lang und an der schmalsten Stelle nur 5 Kilometer breit. „Das macht es schwierig, an einem Ort eine Zentrale aufzubauen“, sagt Graf. „Die Aufgabe des Innovationsmanagers ist daher, durch das gesamte Bundesland zu fahren und Interessierte zu beraten.“
400 Masterthesen pro Jahr
Die Aufgabe des Innovationsmanagers sei, Ideen und Projekte zu finden, die aus der Region stammen und idealerweise in der FH entstanden sind. Das könnten zum Beispiel Startups sein, die den Tourismus, den Sport, Natur, Wein und Kulinarik zum Inhalt haben. Oder es sind Themen, die Schwerpunkte der FH sind. „Die FH Burgenland gehört in den Bereichen Gebäudetechnik, innovatives Wohnen, Umwelt, Energieeffizienz zu den führenden Hochschulen der Republik“, so Pehm. Auch IT-Security und Cloud-Computing seien Stärken. „Jedes Jahr entstehen hier an der FH Burgenland 400 Masterthesen“, erläutert Pehm, „da ist klar, dass da sicher einige coole und spannende Ideen dabei sind, mit denen man erfolgreich sein kann.“ Aufgabe sei es nun, die spannendsten Ideen aus den Masterthesen zu finden, die Chancen und Machbarkeit zu analysieren und sie mit gestandenen Unternehmen zu verknüpfen. Deren gäbe es zwar nicht so viele, aber doch sehr erfolgreiche – von der Energie Burgenland über PET to PET, Tridonic, Unger Stahlbau oder Becom. „Die Herausforderung ist die Vernetzung von Startups mit gestandenen Unternehmen“, so Graf. Dass durchaus Startup-Potential vorhanden ist, zeigt die vor zwei Jahren gestartete „Start Up Your Idea Challenge“, die von der FH und vom Land Burgenland ins Leben gerufen wurde und bei der die besten Ideen aus dem Burgenland gesucht werden. „Bei der letzten Challenge haben wir fünf hervorragende Ideen gefunden, was angesichts einer Bevölkerung von 300.000 Einwohnern eine bemerkenswerte Anzahl ist“, sagt Graf.
Anbindung an andere Bundesländer
Eine theoretische Möglichkeit wäre, die FH Burgenland auch an das Netzwerk des niederösterreichischen Creative Pre-Inkubators anzuschließen – dabei handelt es sich um ein einjähriges Programm für Studierende und Absolventen der Fachhochschulen Wiener Neustadt und St. Pölten, im Rahmen dessen ihnen bei der Ausarbeitung ihrer Geschäftsidee geholfen wird und Startups das Unternehmertum im geschützten Umfeld auszuprobieren können. Da viele Studenten aus Niederösterreich kommen und Wiener Neustadt auch nur 30 Kilometer entfernt ist, würde eine Kooperation durchaus Sinn machen, „allerdings sind die administrativen Grenzen manchmal ein Hindernis, um in anderen Räumen zu denken“, meint Pehm, der ein weiteres heikles Thema anspricht, nämlich die Hochschulfinanzierung. „Wir wissen zwar, dass ganz viele Innovationen aus Hochschulen kommen, finanzieren aber diese Bildungsstätten in einer Old-School-Manier, und das ist ein Widerspruch.“ Man brauche im Bildungssystem, ob HTL, Universitäten und Fachhochschulen, neue Möglichkeiten für innovative Ansätze. Bei der Finanzierung aus dem Bundesbudget seien Innovation, Startup-Förderung oder Unternehmensgründungen keine Kriterien, die einen Einfluss auf die Budgetverteilung haben. Pehm: „Wir brauchen Anreizsysteme und Programme, mit denen man Unternehmensgründungen fördern kann.“ Eine Überschlagsrechnung hat Pehm bereits gemacht – mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag könnte er auf der FH Burgenland mit einem Entrepreneurship-Programm starten. Derzeit gibt es eine interne Initiative, die unter dem Titel „Erfinderische FH“ läuft – Studierende werden begleitet, auf Konzepte hingewiesen und gefördert. Aber alles nur im Rahmen des derzeit Möglichen, was – will man nicht nur eine Randerscheinung in der heimischen Innovationsszene sein – freilich zu wenig ist.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation mit der #glaubandich-Challenge.