Reportage

Fintech: “APIs werden Banking auf den Kopf stellen. Die sind wie Lego“

London. © Robert Bye on Unsplash
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Wenn du einen Briten mal so richtig verärgern willst, dann frag‘ ihn nach seiner Meinung zu Brexit. Solltest du das Glück haben und er nicht sofort davon läuft, dann mach‘ dich darauf gefasst, dass du keine eindeutige Antwort bekommen wirst. Auch nicht auf die Frage, ob London als Finanzzentrum künftig seine Bedeutung einbüßen wird. Ja klar haben einige Unternehmen ihre Teams und Offices nach Frankfurt oder Paris verlegt. Aber hast du es nicht gehört? Goldman Sachs hat sich um eine Milliarde Euro ein neues Europa-HQ hingebaut – mitten in London.

Ein viel besseres Thema als Brexit in der City of London sind Startups. Genauer gesagt Fintech-Startups. Monzo, Starling Bank, Revolut, TransferWise, SumUp, Funding Circle, BluePrism oder OakNorth gehören mittlerweile zu den Kronjuwelen der britischen Hauptstadt. Brexit hin oder her, 300.000 Menschen arbeiten in der Finanzbranche der Metropole, und immer mehr von ihnen bei Fintechs. Großbritannien hängt in Sachen Unicorns weiterhin jedes andere europäische Land ab – und das vor allem dank seiner Startups im Finanzbereich.

Die neue Ära des „Open Banking“

“Shorts oder Dreiteiler? Ich weiß in der Früh nicht mehr, was ich anziehen soll”, sagt Nigel Walder, Chief Operating Officer von ClearBank, im Rahmen der Tagung „Digital Difference in Banking“, die von Microsoft in London veranstaltet wurde. Bevor Walder zu dem Fintech kam, arbeitete er 30 Jahre bei Banken wie Barclays oder Deutsche Bank. “Wenn ich im Anzug daherkomme, dann glauben die Programmierer, dass sie in einer Bank arbeiten und laufen davon.” Bei ClearBank, das seine Banking-as-a-Service-Dienste etwa den anderen Fintechs Tide oder NorthOak zur Verfügung stellt, ist der Kulturwandel immanent.

Nigel Walder, Chief Operating Officer von ClearBank. © ClearBank
Nigel Walder, Chief Operating Officer von ClearBank. © ClearBank

„Unsere Programmierer kommen nicht aus dem Bankbereich, wir holen sie uns von anderen Startups“, sagt Walder. Die Kultur in den Firmen sei eine andere. Während es im Banking immer darum gegangen sei möglichst viel zu verdienen, hätten die Techies ganz andere Bedürfnisse. „Die Firmenkultur ist wichtiger als das Gehalt“, sagt Walder. Diese neue Kultur würde auch auf die restliche Bankenwelt überschwappen. „Open Banking“ ist das Stichwort der Stunde. “APIs werden Banking auf den Kopf stellen, die sind wie Lego“, sagt Walder. Künftig werde man sich eine digitale Bank einfach über APIs selbst zusammen stöpseln können.

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„Wunderschöne APIs anbieten“

“Die Businessmodelle der Banken sind für die Distribution von Papier gebaut. Aber heute geht es um die digitale Distribution von Daten“, sagt Chris Skinner, in der City of London bei Banken wie bei Startups als „Fintech Influencer“ und Buchautor bekannt. Der digitale Wandel hätte viele, aber nicht alle Banken längst erfasst. Und: Digital würde oft nicht wirklich ernst genommen. „Es wird oft nur eine digitale Schicht hinzugefügt als wirklich digitale Transformation gemacht“, sagt Skinner. Doch um wirklich digital erfolgreich zu sein, müsse man in Apps, APIs und Analytics denken und nicht, was im Back Office passiert und was in der Filiale.

“Man wird ein Unicorn, wenn man eine wunderschöne API anbietet”, sagt Fincher – und bezieht sich dabei auf das Fintech Stripe, das Investoren im Silicon Valley mittlerweile mit 35 Milliarden Dollar bewerten (Trending Topics berichtete). Die Gründer, die beiden irischen Collison-Brüder, hätten mit lediglich sieben Zeilen Code begonnen. Und weil dieser Code so simpel ist, wurde er gerne von anderen Entwicklern in mehr als 100.000 Web-Dienste integriert – etwa bei Airbnb, Booking.com oder Lyft.

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Chris Skinner, "Fintech Influencer" und Buchautor. © Microsoft
Chris Skinner, „Fintech Influencer“ und Buchautor. © Microsoft

Wer kauft wen?

35 Milliarden Dollar für Stripe, 5,5 Milliarden Dollar für Klarna, 3,5 Milliarden Euro für N26 – gerade dieses Jahr sind die Bewertungen von Fintechs explodiert. Fragt sich, was mit ihnen in ein paar Jahren passieren wird. Auch wenn es Potenzial gibt, nicht alle werden es an die Börse schaffen. Exits an große Unternehmen also? “Banken werden sie kaufen oder sie werden mit Banken kooperieren”, meint Fincher.

Die große Frage dabei? Werden Tech-Unternehmen den Banken den Rang ablaufen? Derzeit sieht es eher nicht danach aus, dass Apple, Amazon, Google oder Facebook selbst zur Bank werden wollen. Derzeit sieht es eher danach aus, dass Kooperationen zwischen Finanzinstituten und Tech-Unternehmen zum Alltag werden. Zwei Beispiele: Goldman Sachs und Apple kooperieren bei einer Kreditkarte, UBS und Microsoft im Bereich Cloud Computing.

„Tech-Giganten werden keine Banken“

Denn am Ende muss die Frage gestellt werden: Warum sollten GAFA überhaupt selbst zu Banken werden wollen? Erst kürzlich wurde bekannt, dass zehn Prozent der Umsätze der Big-Tech-Unternehmen (44 Milliarden Dollar) von Startups kommen – weil sie Werbung buchen oder Cloud Computing in Anspruch nehmen (Trending Topics berichtete). Auch bei Microsoft merkt man das. „Die Nachfrage von Fintechs und Banken nach Cloud-Services steigt“, sagt etwa Patrice Amann, Microsoft Financial Services Lead EMEA. “Tech-Giganten werden keine Banken“, sagt Fintech-Experte Fincher. „Banken sind ihre Kunden, die bei ihnen Ads und Cloud kaufen.”

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