Fischerei: Maritime Hitzewellen bedrohen Mensch und Tier
Glühend heißer Asphalt, 40 Grad im Schatten und Tropennächte, die den Menschen den Schlaf rauben: Durch die Klimakrise kommt es in Städten häufiger zu Hitzewellen. Doch nicht nur an Land nehmen die Hitzetage zu. Auch das Meer leidet verstärkt unter den steigenden Temperaturen. Ist in einer bestimmten Meeresregion die Wassertemperatur über eine längere Zeitspanne ungewöhnlich hoch, spricht man von einer marinen Hitzewelle, auch Meereshitzewelle genannt. Solche Hitzewellen haben in den letzten Jahren bereits enorme Umwälzungen in den Ökosystemen im offenen Meer und an der Küste ausgelöst. Auch in Zukunft bedrohen marine Hitzewellen Fischbestände, den Fischfang und alle Menschen, die davon abhängig sind. Das zeigt eine neue Studie der Universität von British Columbia, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen ist.
Meere zusätzlich belastet
Laut Studienautor William Cheung von der Universität von British Columbia werden die extremen jährlichen Temperaturen in dem Meer „ein zusätzlicher Schock für ein ohnehin schon überlastetes System“ sein. In den Ländern, die bereits unter der Erwärmung der Ozeane und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel leiden, könnten Hitzeschocks den Fischereisektor zunehmend überfordern. Die Studienautor:innen vergleichen das mit der Corona-Pandemie: Wie COVID-19 das Gesundheitssystem durch die zusätzlich Belastung an seine Grenze brachte, bringen extreme Temperaturen die maritimen Ökosysteme an ihre Grenze.
Werden keine Maßnahmen ergriffen, um die globalen Treibhausgasemissionen einzudämmen, könnte die potenzielle Fangmenge jährlich um sechs Prozent zurückgehen, so die Ergebnisse der aktuellen Studie. Die Biomasse, das heißt die gewichtsmäßige Fischmenge in einem bestimmten Gebiet, geht dann bei 77 Prozent der befischten Fischarten und wirbellosen Tieren zurück. Bereits im Frühjahr 2020 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass ein Rückgang der Biomasse die voranschreitende Klimakrise ohnehin erwartet wird. Die von der Studie prognostizierten Rückgänge kommen zusätzlich hinzu.
Meere könnten sich laut Forschern bis 2050 vollständig erholen
Millionen Arbeitsplätze gefährdet
Marine Hitzewellen sind nicht nur eine Bedrohung für die maritimen Ökosysteme, sondern haben auch sozial enorme Auswirkungen. Treten extreme Temperaturereignisse häufiger auf, könnten die Einnahmen der Fischerei weltweit um durchschnittlich drei Prozent zurückgehen, die Beschäftigung um zwei Prozent. Millionen Menschen verlieren dann ihre Arbeit.
Allein im Schwellenland Indonesien, laut Weltbank die zweitgrößte Fischerei-Nation nach China, könnten fast drei Millionen Arbeitsplätze in der Fischerei verloren gehen, wenn marine Hitzewellen zunehmen. In Indonesien leiden viele Menschen unter Armut und Arbeitslosigkeit. Ist die Fischerei bedroht, gerät das Land wirtschaftlich unter noch größeren Druck.
„Planetary Computer“: Mit Daten gegen Artensterben und Naturzerstörung
Fischereimanagement als Lösung
Laut den Forschenden zeigt die Studie die Notwendigkeit, Wege zu entwickeln, um mit den extremen Meerestemperaturen umzugehen. Sie empfehlen ein aktives Fischereimanagement und schlagen konkrete Maßnahmen vor. Fangquoten könnten gerade in den Jahren reduziert werden, in denen die Fischbestände besonders unter extremen Temperaturen leiden. In schweren Fällen könnte der Fischfang für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden, damit sich die Bestände wieder erholen können. Wichtig sei besonders, Anpassungsoptionen gemeinsam mit den betroffenen Menschen in der Fischerei zu entwickeln. Denn auf deren Lebensgrundlage wirken sich die maritimen Hitzewellen am meisten aus.
Derzeit wird auf der Welt so viel Fisch gegessen wie nie zuvor. Laut der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, isst heute jeder Mensch durchschnittlich 20,5 kg Fisch pro Jahr. Viel mehr, als das Meer bereitstellen kann – Fischbestände gelten heute in vielen Meeresregionen als überfischt. Durch die geregelte, nachhaltige Züchtung von Fischen in Aquakultur kann künftig dafür gesorgt werden, dass sich Fischbestände auf offener See erholen können. Dabei liegt die Betonung auf „nachhaltig“. Das ist bisher nicht immer der Fall und dadurch zu Recht in der Kritik. Mittlerweile gibt es auch planzenbasierte Fischprodukte, die künftig eine Alternative auf der Speisekarte darstellen können. Diese könnten helfen, den Konsum von Fischprodukten zu reduzieren und so dem Ökosystem die nötige Erholung zu gewähren. Gerade, wenn marine Hitzewellen zunehmen.