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Fiskaly: Österreichisches Scale-up schluckt deutschen Mitbewerber in Cash-Deal

Die Fiskaly-Gründer. © Fiskaly
Die Fiskaly-Gründer. © Fiskaly
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Ein österreichisches Scale-up kauft einen deutschen Mitbewerber – das passiert nicht alle Tage. Nun aber einmal wieder: Das Wiener Tech-Unternehmen Fiskaly, auf die Digitalisierung der Fiskalisierung spezialisiert, hat die Deutsche Fiskal komplett übernommen und stärkt sich damit im bereits wichtigsten Markt deutlich.

Fiskaly, erst 2020 gegründet, war als Bootstrapping-Startup unterwegs, bis 2024 der Growth-Investor Verdane groß als Minderheitsgesellschafter einstieg. Deutschland ist der stärkste Markt für das Wiener Scale-up, das mittlerweile deutlich mehr als 10. Mio. Euro ARR auf die Waage bringt. Die Übernahme im Kernmarkt stärkt die Position der Firma deutlich.

Im großen Interview spricht Mitgründer und CEO Johannes Ferner über den Deal und seine Konsequenzen.

Trending Topics: Herzlichen Glückwunsch zur Übernahme der Deutsche Fiskal. Was bedeutet dieser Deal für Fiskaly?

Johannes Ferner: Das gibt uns die Chance, in ein neues Marktsegment stark reinzukommen. Wir waren historisch bei den modernen, schnell wachsenden Kassenherstellern am stärksten vertreten. Wir haben auch einige Kunden aus dem sehr großen Handel, aber nicht annähernd so viele wie die Deutsche Fiskal, die sich in diesem Segment als starker Partner positioniert hat. Das ergänzt sich einfach perfekt, was man auch an der Kundenbasis beider Unternehmen sieht. Zudem haben viele unserer Kunden Internationalisierungsinteresse. Die gemeinsame Expansion durch Europa steht daher als klares Ziel für uns.

Für alle, die Fiskaly noch nicht kennen: Was macht ihr eigentlich genau?

In ganz einfachen Worten helfen wir Kassensoftwareherstellern dabei, im jeweiligen Markt compliant zu werden. In den meisten europäischen Mitgliedsstaaten braucht es entsprechende Absicherungen in den Kassensystemen, die Steuerhinterziehung verhindern. Konkret bedeutet das, dass alle Geschäftsfälle – Bestellungen, Gutscheine, normale Checkout-Transaktionen – mit ihren Steuersummen abgesichert werden müssen. Diese Daten können dann bei Audits der Finanzverwaltung bereitgestellt werden. Wir haben eine Lösung geschaffen, die es jedem Hersteller ermöglicht, ohne große Setup-Prozesse, vollautomatisiert und nahtlos mit Fiskaly im Hintergrund zu arbeiten und dabei die Compliance sicherzustellen.

Wie kam es zu dem Deal bzw. zu der Entscheidung, anorganisch zu wachsen?

Das hat sich zufällig ergeben. Man trifft sich in der Branche und es gab einfach die Opportunität. Wir haben mit der Deutsche Fiskal gesprochen und festgestellt, dass wir perfekt zusammenpassen. Im Herbst letzten Jahres haben wir die ersten Gespräche geführt, Anfang dieses Jahres wurde es dann sehr konkret und Ende März konnten wir zum Closing kommen.

Könnt ihr mehr Einblicke in die Terms des Deals geben? Was passiert mit der Marke und den Mitarbeitern?

Zu den finanziellen Details kann ich nichts sagen. Wir übernehmen die gesamte Entität zu 100%. Die Marke bleibt bestehen, da sie sich etabliert hat und die Kunden dem Produkt und ihren Ansprechpartnern vertrauen. Wir werden unsere Lösung in das Portfolio der Deutsche Fiskal integrieren, und in den nächsten Jahren schauen wir dann, wie sich das entwickelt. Bei den Mitarbeitern planen wir keine großartigen Veränderungen. Der bisherige Geschäftsführer geht in die Mutterfirma zurück, und Martin Breidenbach, einer der Prokuristen, wird zum neuen Geschäftsführer. Wir haben uns in den letzten Monaten intensiv kennengelernt und gesehen, dass wir sehr gut zusammenarbeiten können.

Wer ist in dem Deal eigentlich der Größere?

Wir sind deutlich größer. Obwohl wir ein österreichisches Scale-up sind, ist Deutschland unser Kernmarkt, für den wir ursprünglich gegründet haben. Der größte Teil unseres Umsatzes kommt aus Deutschland, mehr als 90 Prozent. Mit den Expansionen nach Spanien und Italien wollen wir natürlich weiter wachsen, aber Deutschland bleibt unser wichtigster Markt.

Wie ist die Wettbewerbssituation in Deutschland nach dieser Übernahme?

Deutschland ist traditionell sehr hardware-basiert. Deutlich über 60 Prozent des Marktes liegt im Bereich der Hardware-Sicherheitseinrichtungen. Dort gibt es mit Swissbit, Cryptovision, Diebold-Nixdorf und Epson weiterhin sehr große Anbieter. Die Software-Welt kam später dazu und galt eher als Underdog für die App-basiertenKassenhersteller. Das hat sich in den letzten Jahren etwas angeglichen, aber Hardware dominiert weiterhin.

Wie werden eure Softwaresysteme zusammengeführt?

Für uns steht der Kunde im Mittelpunkt. Die bestehenden Integrationen auf beiden Seiten müssen weiter funktionieren. Intern können wir unser System in die Deutsche Fiskal integrieren, aber für den Kunden ändert sich an der Schnittstelle nichts. Wenn sich ein Kunde für unsere Lösung entscheiden möchte, übernehmen wir intern die Integration.

Wie funktioniert euer Geschäftsmodell?

Wir haben im Grunde die gleichen Modelle wie die Kassenhersteller selbst: Pro Kasse pro Monat oder pro Standort pro Monat, wobei das Standardmodell pro Kasse pro Monat ist. In spezialisierten Bereichen nähern wir uns manchmal mehr dem Geschäftsmodell unserer Kunden an. Je nach Kundenprofil variiert die Nutzung stark.

In welchem Preisbereich bewegen wir uns da?

Im unteren zweistelligen Bereich, teilweise auch darunter, abhängig vom Nutzungsprofil.

Welche Rolle spielt Verdane, der als Growth-Investor 2024 bei euch eingestiegen ist, bei diesem Deal?

Als ehemaliges Bootstrap-Unternehmen ohne institutionelle Investoren hätten wir diese Akquisition allein nicht stemmen können. Verdane ist ein Private Equity Fund, der uns als starker Partner unterstützt. Das Team bietet uns das nötige Prozess- und Transaktionswissen. Das war einer der Gründe, warum wir diesen Partner an Bord geholt haben – solche Transaktionen liegen außerhalb unseres Tagesgeschäfts, sind aber für Verdane daily business.

Folgt ihr dem Playbook von Verdane, einen Markt in Europa zu konsolidieren?

Wir haben keinen Zwang, in diese Richtung zu gehen. Durch die Partnerschaft mit Verdane, die eine Minderheitsbeteiligung halten, haben wir erstmals die Möglichkeit, über solche Wachstumsschritte nachzudenken. Wir werden weiterhin organisch wachsen, aber auch Übernahmemöglichkeiten prüfen. Es ist immer eine Einzelfallentscheidung, ob es sinnvoller ist, mit einer bestehenden Firma zu kooperieren oder einen Markt selbst aufzubauen. Es gibt kein vorgeschriebenes Playbook – das unterscheidet Verdane von anderen PE-Firmen.

Wie wurde der Deal finanziert?

Es ist ein reiner Cash-Deal, den wir aus Bestandsmitteln und etwas Fremdkapital finanzieren konnten. Unsere Gesellschafterstruktur hat sich dadurch nicht verändert.

Wer waren die Shareholder der Deutschen Fiskal?

Die Deutsche Fiskal gehörte zur GK Software SE, die ursprünglich in Deutschland börsennotiert war und dann mehrheitlich von Fujitsu übernommen wurde.

Welche europäischen Märkte interessieren euch noch?

Aktuell fokussieren wir uns klar auf Italien und Spanien, wo wir gerade expandieren. Wir analysieren aber ganz Europa und schauen, wo wir reinkommen könnten. Natürlich können wir nicht alles gleichzeitig machen, daher brauchen wir eine gute Roadmap und Priorisierung, die wir mit unseren Top-Kunden abstimmen.

Ist der US-Markt für euch interessant?

In den USA hört man noch nicht viel von Fiskalisierung. In Südamerika schon – Brasilien, Mexiko und auch in Kanada, speziell in der Toronto-Region, wurde Fiskalisierung eingeführt. Wenn sich eine Opportunity ergibt, würden wir dem nachgehen, aber vorerst konzentrieren wir uns auf Europa.

Welche Cloud-Infrastruktur nutzt ihr?

Inklusive der Akquisition sind wir jetzt in Google Cloud und Microsoft-Azure, natürlich in den entsprechenden deutschen Rechenzentren. Für den Cryptographic Service Provider, der alle Krypto-Themen behandelt, nutzen wir self-hosted Racks in spezialisierten, hochzertifizierten Rechenzentren wie der DARZ, einem ehemaligen Bank-Gebäude mit höchsten Sicherheitsstandards. In den weiteren Ländern, auch jeweils vor-Ort, meist beim jeweiligen GCP-Rechenzentrum.

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