Hintergrund

Startup-Aufstand gegen die geplante Gesellschaftsrechtsform FlexCo

Die FlexKapG wurde von Finanz- und Justizministerium präsentiert. © Trending Topics
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Er ist endlich fertig: Der Entwurf für eine neue Gesellschaftsrechtsform für Österreich. Bereits 2020 unter dem Eindruck der Corona-Wirtschaftskrise vom ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angekündigt, soll die mittlerweile FlexCo oder FlexCap getaufte Rechtsform das Gründen von und Investieren in junge Unternehmen erleichtern und die Beteiligung von Mitarbeiter:innen an Startups im Sinne der Incentivierung von Talenten vereinfachen.

Das Justizministerium arbeitet seit längerem an einem Gesetzesentwurf – gestartet wurde unter dem Arbeitstitel „Austrian Limited“. Eigentlich war eine Begutachtung eines Gesetzesentwurf schon für Herbst 2020 geplant, seither ist viel Zeit vergangen. Nun aber soll endlich umgesetzt werden.

Aber wird die FlexCo oder FlexKap (Abkürzung für „flexible Kapitalgesellschaft“) dem auch gerecht? Kann sie Österreich als innovativen und wettbewerbsfähigen Standort international positionieren? Und wird die neue Rechtsform vom Markt letztendlich akzeptiert? Die klare Antwort des 2020 vom Wirtschaftsministerium eingesetzten Startup-Komitees lautet:

„Nein.“

„Der vorliegende Entwurf adressiert zwar einige Punkte, die für den Erfolg einer neuen Rechtsform relevant sind. Essentielle Aspekte, die für eine deutliche Verbesserung der Situation von Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen notwendig sind, wurden jedoch weiterhin nicht ausreichend berücksichtigt“, heißt es in einem Schreiben des Startup-Komitees an Justizministerin Alma Zadić (Grüne), das Trending Topics vorliegt.

Unterzeichnet wurde es von der Startup-Beauftragten Lisa Fassl sowie dem restlichen Startup-Komitee, dem außerdem Bernadette Frech (Instahelp), Stefan Haubner (Apex Ventures), Markus Raunig (AustrianStartups), Werner Wutscher angehören. Auch Nora Frizberg (Speedinvest) hat unterzeichnet, sie ist in die Arbeiten rund um die neue Rechtsform als Mitglied der BMJ-Arbeitsgruppe eingebunden.

„Finanzierung der digitalen Leitbetriebe von morgen de facto unmöglich“

Insgesamt gebe es 11 „Red Flags“, „welche die Finanzierung der digitalen Leitbetriebe von morgen durch Investor:innen de facto unmöglich machen“. So sei etwa auch in dem vorliegenden Entwurf die steuerliche Behandlung von Mitarbeiter:innenbeteiligungen „weiterhin offen“. Schließlich folgt der eindringliche Appell an Justizministerin Zadić: „Es ist noch nicht zu spät das FlexKapGG zu einem echten Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Wirtschaft zu machen.“

In einer Bewertung des Gesetzesentwurfs wird vom Startup-Komitee an vielen Stellen hingeschrieben: „keine Verbesserung“. Generell ist offenbar weiterhin offen, wie man Mitarbeiter:innen künftig an Unternehmen beteiligen kann. Außerdem wird es die Möglichkeit, eine Firma schon mit 5.000 Euro gründen zu können, nicht geben, es bleibt bei den regulären 35.000 Euro Stammkapital (bzw. den 10.000 Euro bei privilegierter Gründung).

Die Sache mit dem Notariat

Eine der großen Knackpunkte ist das Notariat. Grundsätzlich ist nun geplant, dass es abgesehen von 1-Personen-Unternehmen (EPU) weiterhin den Notariatsakt braucht, um zu gründen – das ist bekanntermaßen mit Aufwand und Kosten verbunden (auch wenn man es digital macht). Auch bei Änderung des Gesellschaftsvertrages oder Kapitalerhöhung und -herabsetzung braucht es die notarielle Beurkundung, und bei allen Firmenbuchanmeldungen (außer „vereinfachte Anmeldung“), Musterfirmazeichnung oder Bestellung/Änderung der Geschäftsführung ist eine notarielle Beglaubigung notwendig.

Weiters ist ein rein englischsprachiger Gesellschaftsvertrag weiterhin nicht möglich, die lästige Veröffentlichungspflicht in der „Wiener Zeitung“ entfällt weiterhin nicht, und Urkunden, Erklärungen, Beschlussfassungen und Anmeldungen sind unter Beibehaltungen der notariellen Mitwirkung erforderlich. Positiv bewertet sind die geplante Einführung von bedingtem und genehmigten Kapital, der Erwerb von eigenen Anteilen und das geplante „Split Voting“.

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Was soll überhaupt kommen?

Nun fragt man sich wohl: Wenn das alles nicht kommt, was bringt die FlexCo denn nun eigentlich? Offiziell legt sich das Justizministerium gegenüber Trending Topics auf folgende Punkte fest:

  • Digitale und kostengünstige Gründungsmöglichkeit Mindeststammeinlage des einzelnen Gesellschafters nur 1 Euro (statt 70 Euro)
  • Teilbarkeit des Geschäftsanteils als gesetzlicher Regelfall
  • Ausgabe von Stückanteilen möglich
  • Durchführung virtueller Generalversammlungen grundsätzlich zulässig
  • Möglichkeit, Geschäftsanteile ohne Stimmrecht auszugeben (z.B. für Anteile, die von Mitarbeitern gehalten werden sollen)
  • Uneinheitliche Ausübung des Stimmrechts (Split Voting) möglich
  • Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft zulässig
  • Flexible Kapitalmaßnahmen wie bei der AG: bedingte Kapitalerhöhung und genehmigtes Kapital
  • Einfachere Möglichkeit für Umlaufbeschlüsse
  • Einfache Umwandlungsmöglichkeit in eine GmbH oder AG oder umgekehrt (keine Umsatz- bzw. Bewertungsgrenze vorgesehen)

Gerüchte über die FlexCo und vor allem die Unzufriedenheit mit und Enttäuschung über den vorliegenden Entwurf gibt es in mit der Sache vertrauten Kreisen von Anwält:innen, Vertreter:innen der Startup-Szene sowie der Wirtschaft seit längerem.  Dem Vernehmen nach ist auch das Wirtschaftsministerium, das schon 2020 von CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte und Herbst Kinsky Rechtsanwälte ein Gutachten zur neuen Gesellschaftsrechtsform anfertigen ließ, nicht sonderlich erpicht darauf, den Entwurf so umzusetzen, wie er nun vorliegt.

Braucht es für die obig genannten Neuerungen nun überhaupt eine neue Rechtsform? „Angemerkt sei, dass sich diese Vorschläge ohne Weiteres im Rahmen einer GmbH-Reform umsetzen lassen. Die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform ist bekanntermaßen kein Selbstzweck. Beim gegenständlichen Entwurf wird man die Sinnhaftigkeit einer eigenen Gesellschaftsform hinterfragen müssen“, heißt es dazu seitens des Startup-Komitees.

Austria Limited: Gründung einer Firma soll schon ab 5.000 Euro möglich sein

Die Sorgen der Stakeholder:innen

Eigentlich war die neue Rechtsform bereits für 2020 geplant. Zur Einordnung: Damals war die Sorge groß, dass die Corona-Krise reihenweise Unternehmen vom Markt fegen würde, und man den vielen zu erwartenden Arbeitslosen ein einfaches Tool zum Gründen neuer Firmen geben müsse. Nach dem Motto: Krisenzeiten sind Gründer:innen-Zeiten. Doch die Insolvenzwelle blieb dank der massiven staatlichen Corona-Hilfen aus, während weiter an der Reform gearbeitet wurde.

Dass es mit dem Entwurf dann so lange gedauert hat, ist laut Justizministerium auch auf die „Sorgen“ einiger Stakeholder:innen, die in den Prozess involviert waren, zurückzuführen. Im April 2021 hatte das Justizministerium einen Diskussionsvorschlag für eine neue Rechtsform vorgelegt, der auf den oben genannten Punkten basiert.

„In Abstimmung mit wesentlichen Stakeholdern nochmals überarbeitet“

„Zur Umsetzung dieses Vorhabens erfolgte zunächst eine Diskussion in einer breit aufgestellten Arbeitsgruppe. In dieser Arbeitsgruppe stießen die – in einem vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten näher ausformulierten – Vorschläge für eine „Austrian Limited“ keineswegs nur auf Zustimmung; insbesondere bestand die Sorge, dass durch die vorgezeichnete neue Rechtsform wichtige Schutzmechanismen unseres Kapitalgesellschaftsrechts grundlegend in Frage gestellt würden“, heißt es seitens Justizministerium.

Dann wurde von „Austrian Limited“ auf „FlexCo“ umgeschwenkt, im April 2021 folgte der neue Vorschlag. „Der Vorschlag für eine Flexible Kapitalgesellschaft stieß in der Arbeitsgruppe auf viel Zustimmung; an einigen Regelungen wurde aber auch Kritik geäußert“, heißt es aus dem Justizministerium weiter, „daher wurde der Entwurf in der zweiten Jahreshälfte 2021 in Abstimmung mit wesentlichen Stakeholdern nochmals überarbeitet, um ihren zentralen Anliegen noch besser Rechnung zu tragen.“ Bedeutet unterm Strich: ein zweites Mal wurde nach Intervention überarbeitet.

Vom ursprünglichen Vorschlag ist wenig übrig geblieben, nicht einmal der Name ist geblieben. Im Justizministerium von Alma Zadić (Grüne) hofft man nun darauf, dass die parlamentarische Begutachtung bald beginnen kann. Allerdings ist mit einiger Abwehrhaltung in verschiedenen Stakeholder:innen-Gruppen sowie im Wirtschaftsministerium von Margarete Schramböck (ÖVP) zu rechnen, wie man in der Branche hört.

Notariatskammer und Arbeiterkammer mischten mit

Bereits 2021 hat sich abgezeichnet, dass bei der FlexCo und ihrer Entstehung heftig lobbyiert wurde. Vor allem seitens der Notariatskammer, die dafür sorgen will, dass sie beim Gründungsprozess weiterhin verpflichtend dank Notariatsakt am Tisch sitzen muss, zeigte sich rege Kommunikationstätigkeit hinter den Kulissen. Dazu wurde per Mailings intensiv die eigene Position kundgetan, etwa indem man sich ein „hochqualitatives Beratungsangebot im Sinne der Gründer“ auf die Fahnen schrieb.

Generell gilt die Notariatskammer als sehr einflussreich im Justizministerium. Dass die Notar:innen bei der Unternehmensgründung eine sehr wichtige Rolle spielen, daran glauben nicht alle. Die notariellen Formhürden wurden bereits 2020 von Startup-Anwälten kritisiert (mehr dazu hier).

Im Gutachten des Wirtschaftsministeriums der beiden oben genannten Rechtsanwaltskanzleien (damals war noch von der „Austrian Limited“ die Rede) war dieser entscheidende Satz zu lesen:

„Im Sinne des das Regelungskonzept der Austrian Limited wie ein roter Faden durchziehenden Gedankens größtmöglicher Formfreiheit und der Reduktion von Kosten scheint die Übertragung von Anteilen an der Austrian Limited in Form eines schriftlichen Vertrages ohne die Einhaltung einer notariellen Beurkundung oder Errichtung eines Notariatsakts – völlig ausreichend.“
Dieser dürfte die Notariatskammer alarmiert haben, danach folgte intensives Lobbying für einen Verbleib des Formzwangs – entsprechende Mailings liegen Trending Topics vor.

Schließlich mischte sich auch die Arbeiterkammer in das Thema ein. Denn die Beteiligung von Mitarbeiter:innen an Unternehmen hat auch das Potenzial, die alten Grenzen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen verschwimmen zu lassen. „Arbeitnehmer übernehmen da eigentlich ein Unternehmerrisiko, wenn es wirtschaftlich nicht klappt. Viele Startups machen ja nie einen Exit, kommen vielleicht nie in die Gewinnzone oder gehen gar in Insolvenz“, so Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft bei der Arbeiterkammer Wien, im Sommer 2021 zu Trending Topics. Man sei schon für die Mitarbeiter:innenbeteiligung zu haben, aber man müsse schon sehr „vorsichtig vorgehen, weil man sonst etwas aus dem Gleichgewicht bringt.“

Mitarbeiterbeteiligung: Arbeiterkammer warnt vor Fallen bei kommendem Gesetz

Nicht der erwartete große Sprung

Im Startup-Komitee hofft man nun, durch die Warnung an Justizministerin Zadic und an die Medien das Ruder noch rechtzeitig herum reißen zu können. Der vorliegende Entwurf sei „ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber weder der erwartete große Sprung für unseren Standort Österreich noch für unsere ambitionierten Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen“, heißt es an die grüne Ministerin.

Und weiter: „Uns ist bewusst, dass die Schaffung einer neuen Rechtsform komplex ist und die Interessen von unterschiedlichsten Stakeholder:innen berücksichtigt werden müssen. Als Vertreter:innen des Wirtschaftsstandorts Österreich würden wir uns von unseren politischen Vertreter:innen wünschen, dass sie den Mut aufbringen, innovativ zu sein und die Grundlage für eine wünschenswerte Zukunft zu schaffen.“

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