Analyse

FlexCo mit Jeannette Gorzala: “International braucht sie noch mehr Awareness“

Jeanette Gorzala ist Rechtsanwältin, KI-Expertin und verfügt über einen breites Wissen im Bereich Digital Law. © Jeannette Gorzala
Jeanette Gorzala ist Rechtsanwältin, KI-Expertin und verfügt über einen breites Wissen im Bereich Digital Law. © Jeannette Gorzala
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Österreich hat Anfang 2024 eine neue Rechtsform erhalten: die flexible Kapitalgesellschaft – kurz: FlexCo. Vor allem von der Startup-Szene wurde sie mit Spannung erwartet, da sie Gründer:innen mehr Flexibilität und geringere bürokratische Hürden versprach. 

2024 wurden mehr als 700 FlexCos gegründet, 20 bis 25 Prozent davon sind Startups. Einige von ihnen hat Jeannette Gorzala beraten. Sie ist Startup-Rechtsanwältin mit einem Fokus auf den Tech-Bereich und erklärt, wann besser eine FlexCo gegründet werden sollte und in welchen Fällen die altbewährte GmbH die bessere Wahl ist.

Mehr Neugründungen als Umgründungen

Insbesondere ab dem zweiten Halbjahr 2024 wurde die Rechtsform FlexCo vorwiegend für neue Unternehmensgründungen gewählt. Nur einzelne Startups, die noch nicht lange am Markt waren, haben laut Gorzala überlegt, ihre GmbH umzugründen, da dies mit Kosten und Aufwand verbunden ist. Hauptmotivation für die Umgründungen war meist die Einführung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms.

Die Einführung eines Beteiligungsprogramms für Mitarbeitende ist jedoch auch bei bestehenden GmbHs mit virtuellen Anteilen, die Geschäftsanteile wirtschaftlich nachbilden, möglich. Der wesentliche Unterschied der Beteiligungsprogramme bei GmbHs und FlexCos liegt in der Ausgestaltung. Während diese bei GmbHs weitgehend frei ist, gibt die FlexCo einen vordefinierten Rahmen in Form von sogenannten Unternehmenswert-Anteilen vor. 

Auch Startups, die in vorhersehbarer Zukunft Finanzierungen geplant hatten, haben sich für eine Umgründung in eine FlexCo entschieden. Hier war ausschlaggebend, dass Übernahmeerklärungen bei Kapitalerhöhungen nicht der Notariatsaktsform bedürfen und die FlexCo einen größeren Spielraum bei Finanzierungsmaßnahmen bietet, die bislang nur im Aktienrecht bekannt waren. Bedingte Kapitalerhöhungen, genehmigtes Kapital und sonstige (Hybrid-)Finanzierungsformen sind möglich und werden im Rahmen der FlexCo vereinfacht. 

Mitarbeiterbeteiligungen

Beliebt sei die FlexCo vor allem bei sehr jungen Gründer:innen, die sich in einem digitalen Umfeld bewegen, schnell und stark wachsen wollen. Gorzala berät sehr häufig, wenn es um die Mitarbeiterbeteiligung und deren Strukturierung geht. Denn sie ist der Kernpunkt, weshalb man sich für die Rechtsform überhaupt erst entscheidet. “Mitarbeiterbeteiligungen sind ein strategisches Tool, um Talente zu gewinnen, zu motivieren und zu binden, ohne Liquidität zu belasten”, führt sie aus.

Gleichzeitig fördern Beteiligungssysteme für Mitarbeitende eine Unternehmenskultur, die auf Wachstum und gemeinsamen Erfolg ausgerichtet ist. Die FlexCo ermöglicht mit Unternehmenswert-Anteilen eine Beteiligung am Erfolg gleich zu Beginn. Dies ist entscheidend, wenn Gehälter allein nicht ausreichend wettbewerbsfähig sind. Während bei kleinen Teams nur zwei oder drei Schlüsselkräfte Anteile erhalten, werden bei größeren Teams mehrere Personen mit Anteilen beteiligt, die schrittweise über einen Zeitablauf ausgebaut werden. Die genaue Struktur hängt stark von der Größe und den individuellen Bedürfnissen des Startups ab.

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Jahresbilanz FlexCo 2024

Aus Gorzalas Perspektive wurde die FlexCo von Beginn an gut aufgenommen, wie der Enthusiasmus um die Gründung der ersten FlexCo im Jänner 2024, als die Rechtsform brandneu war, gezeigt hat. 

“Um die Eintragung der ersten FlexCo im Firmenbuch gab es ein regelrechtes Wettrennen. Angesichts des Inkrafttreten des GesRÄG 2023 im Dezember, hat es jedoch etwas gedauert, bis alle Systeme aktualisiert wurden und der Gründungsprozess flüssig gelaufen ist“, fasst Gorzala das erste Jahr seit der Einführung zusammen. Mittlerweile sei die Rechtsform in Österreich etabliert, die Prozesse adaptiert. Wenn man allerdings auf den internationalen Markt schaue, brauche es noch etwas mehr Awareness. 

Die FlexCo, als Weiterentwicklung und Innovation der klassischen GmbH, gibt es in dieser Form bis dato nur in Österreich. International muss man sich noch etwas daran gewöhnen, dass die Rechtsform der FlexCo bzw. Gesellschaften mit den Bezeichnungen FlexCap, FlexKapG oder ‘Flexible Company‘, eine Sonderform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und nichts Exotisches sind.

Awareness Building für den Standort Österreich 

Um die FlexCo noch weiter zu verbreiten, braucht es laut der Startup-Anwältin mehr Aufklärung. Möchten internationale Gründer:innen nach Österreich expandieren, was sehr häufig vorkommt, müssten die FlexCo und ihre Vorteile im Beratungsgespräch stets eine Rolle spielen. Im Idealfall zeigt man den Gründer:innen den direkten Vergleich zwischen GmbH und FlexCo, damit eine optimale Entscheidung getroffen werden kann. 

Darüber hinaus unterstreicht die Expertin, dass Österreich als Standort für Gründungen mit der FlexCo und der Möglichkeit einfach und digital Notariatsakte oder Beglaubigungen durchzuführen sehr attraktiv sei. Insbesondere digitale Rechtswege sind nicht in allen Mitgliedsstaaten bereits so einfach und schnell möglich. “Österreich als Gründungsstandort bietet viele Vorteile, auch für internationale Gründer und Gründerinnen. Dies gilt es auszubauen.”, fasst Gorzala zusammen. 

FlexCo noch attraktiver gestalten

Ein Punkt, die FlexCo noch attraktiver zu gestalten, wäre die Bestimmungen zur Aufsichtsratspflicht anzupassen und etwa mit jenen für die GmbH gleichzuschalten. Die Notwendigkeit, einen Aufsichtsrat zwingend ab bestimmten Größenkriterien einzurichten, wird von Startups allgemein als Hindernis empfunden, da dadurch natürlich ein Zusatzaufwand durch das verpflichtende Gremium entsteht. Advisory Boards und Beratungsgremien können auf freiwilliger Basis ohnehin eingerichtet werden. 

“Ansonsten besteht durchaus noch Potenzial, weniger Formerfordernisse zu verlangen. Dabei spreche ich vor allem von Anteilsübertragungen. Wenn man die FlexCo noch etwas mehr in Richtung AG dreht, würde das einiges erleichtern.”

Dass die erst seit 01.01.2024 bestehende FlexCo in unmittelbarer Zukunft überarbeitet wird, sieht Gorzala als unrealistisch. “Die Rechtsform ist noch relativ neu. Man wird jetzt wohl abwarten, bis sich die FlexCo weiter etabliert hat und mehr Erfahrungen mit Startups, die sich für die Rechtsform entscheiden, gesammelt wurden.”

Dieser Artikel ist bereits im Trending Topics Founders Guide 2025 erschienen. Das komplette Magazin findest du hier

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