Fondsmanager Harald Kober: Wie Innovation den Biotech-Sektor gegen Marktflauten stärkt
Biotechnologie-Aktien sind bis zu ihrem Allzeithoch Mitte 2015 mehr als sechs Jahre permanent nach oben geklettert. Harald Kober ist Fondsmanager in der Erste Asset Management und verrät, warum die Branche einer der größten Wachstumssektoren ist. Er spricht über Marihuana sowie über die Risiko-Mentalität der Europäer.
Der von Kober verwaltete Fonds ESPA Stock Biotech gehörte laut e-fundresearch im September zu den leistungsstärksten und erreichte satte Renditen. Der Biotech-Sektor scheint zu boomen. Bleibt das so? Harald Kober gibt einen Ausblick.
Der Biotech-Sektor stützt sich auf Technologie, die auf Biologie basiert und nutzt zelluläre und biomolekulare Prozesse, um neue Medikamente zu entwickeln. Derzeit stehen Patienten mehr als 250 biotechnologische Produkte und Impfstoffe zur Verfügung, viele davon für zuvor nicht behandelbare Krankheiten.
Trending Topics: Sie zählen zu den besten Fondsmanagern Österreichs. Was ist Ihr Geheimrezept?
Harald Kober: Die Biotech-Branche ist ein Wachstumssektor, der innovationsgetrieben ist und generell nicht so stark von allgemeinen Wirtschaftsentwicklungen abhängig ist. Das muss man also relativieren. Es kommt darauf an, was der Inhalt des Fonds ist. Auf welchen Sektor oder welche Region der Fonds spezialisiert ist. Je nachdem ob der Sektor oder die Region en vogue ist, ist man im Ranking eher weiter oben oder weiter unten.
Aber seit Oktober ist der allgemeine Markt wieder eingeknickt und der Biotech-Sektor ist gefolgt.
Richtig.
Wir befinden und jetzt wieder auf dem Niveau von Anfang des Jahres.
Das stimmt. Gegen solche Rücksetzer ist man nie gefeit. Es gab mehrere Gründe für diese relativ scharfe Korrektur. Einerseits haben wir am Markt gesehen, dass Wachstumssektoren wie Technologie stark von der Korrektur betroffen waren. Biotech ist auch eine Wachstumsbranche, deswegen ist die auch betroffen gewesen.
Es gab zudem eine Sektor-Rotation: Anleger sind raus aus stark wachsenden Sektoren in eher defensive Sektoren gegangen.
Ein anderes Thema sind die Mid-Term-Wahlen in den USA. Man hat schon im Voraus eine vorsichtigen Haltung eingenommen. Man wusste nicht wie die Machtverteilung aussieht und da Demokraten immer bei Anlegern mehr gefürchtet sind als Republikaner, sagte man hier „Risk off“ und deswegen ist die Korrektur so ausgefallen wie sie ausgefallen ist.
„Innovatoren müssen immer belohnt werden.“
Die Demokratin Hillary Clinton und und der Republikaner Donald Trump hatten sich damals schon 2016 im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft für niedrigere Medikamentenpreise ausgesprochen. Was bedeutet eine Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus nach den Mid-Term-Wahlen für die Branche?
Ich erwarte maximal ein kurzfristiges Störfeuer. Langfristig erwarte ich keinen zu großen Einfluss. Innovatoren müssen immer belohnt werden. Belohnt heißt, dass man eine Preissetzungsmacht hat. Wenn ich für Innovation keine Preise mehr verlangen darf und diese extrem reguliert sind, dann wird auch die Innovation nicht mehr stattfinden. Da beißt sich die Katze selbst in den Schwanz. Wahrscheinlich werden noch bessere und differenzierte Produkte auf den Markt kommen um zu beweisen, was der Nutzen ist. Damit ein vernünftiger Preis erzielt werden kann. Das wird schwieriger für Unternehmen die sich nicht unterscheiden können mit ihren Produkten von der Konkurrenz.
Sie sprechen von Produkten im Bereich Alzheimer und Onkologie?
Im Bereich Alzheimer gibt es noch nicht so viel. Das ist ein noch überschaubarer Markt in Bezug auf den Umsatz. Aber die Onkologie ist sicherlich einer der größten Bereiche wo das schlagend wird.
Was ist der Vorteil an der Biotechnologie-Branche gegenüber anderen?
Ich finde es immer spannend, wenn eine Branche so innovationsgetrieben ist. Das ist bei der Biotechnologie-Branche absolut der Fall. Die Medikamente, die auf den Markt kommen, sind inzwischen biotechnologischen Ursprungs. Langfristig schafft das Arbeitsplätze. Dort wo Innovation stattfindet, findet früher oder später Wertschöpfung statt. Bei der Biotechnologie war es am Anfang so, dass überhaupt keine Gewinne geschrieben wurden. Erst nach vielen Jahren haben die ersten Großen es geschafft, in die Gewinnzone zu kommen. Also Innovation finde ich sehr wichtig.
Das zweite ist die Anwendbarkeit. Wir werden alle immer älter. Die Lebenserwartung steigt ständig. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man Konsument von einer Therapie oder einem Medikament wird. Die Budgets von den Versicherungen und den Staaten sind sehr angespannt. Man muss das gesamtwirtschaftlich betrachten. Was sind die Kosten eines kranken Menschen für einen Staat oder einen Versicherer? Wie steht das im Verhältnis zu einem möglichen Medikament oder einer möglichen Therapie? Man darf nicht nur auf den Preis allein schauen, der auf dem Medikament drauf steht. Man muss die Leute auch versorgen können. Es ist besser, sie gut zu therapieren, als mit aufwendigen und teurer Betreuung zu unterstützen.
Wo legen Sie Ihren Fokus?
Onkologie und seltene Krankheiten. Da gibt es interessante Gebiete vor allem in den USA was die Preisgestaltung betrifft.
„Die angelsächsische Risiko-Mentalität ist eine andere als die der Europäer.“
Ihr Fonds setzt sich überwiegend aus Biotech-Firmen in den USA zusammen. Gibt es da einen großen Unterschied zwischen europäischen und US-amerikanischen Biotech-Firmen?
Ja. Das Biotechnologie-Cluster liegt in den USA und nicht in Europa. Das heißt nicht, dass in Europa keine Innovation stattfindet, aber nicht in dem Ausmaß wie in den USA. In den USA gibt es einige Clusters um Boston, San Francisco und New York herum. Dort forschen die Unternehmen schwerpunktmäßig zusammen. In dem Ausmaß gibt es das in Europa nicht. Es gibt einige in der UK, Frankreich, Deutschland und Schweden aber das ist Im Vergleich zu den USA sehr klein.
Zudem ist die angelsächsische Risiko-Mentalität eine andere als die der Europäer. Risikokapital, das wir brauchen um schneller erfolgreich zu sein, ist dort leichter verfügbar als in Europa.
Würden Sie sich das auch für Europa wünschen?
Langfristig ist es sinnvoll, Branchen, die mehr Innovation bringen, mehr Unterstützung zu liefern.
In der Biotechnologie-Branche gab es Riesen-Übernahmen. Ist das gut oder schlecht für die Branche? Warum kommt es zu diesen Übernahmen?
Zu Übernahmen kommt es, weil ein Unternehmen etwas braucht oder etwas hat, das zum Übernehmen spannend ist – etwa ein Produkt, das man vertreiben möchte, aber selbst nicht hat, einen Vertriebskanal oder eine Plattform.
Welchen Effekt hat das auf die Branche?
Das hat einen Booster-Effekt auf den, der übernommen wird, weil der eine Prämie verlangt bzw. bekommt. Das bedeutet für Investoren eine zusätzliche Rendite.
Es gibt inzwischen einige Firmen, die mit Marihuana forschen. Beschäftigen Sie sich mit Marihuana-Biotechnologie?
Wir sind in zwei Schmerztherapie-Unternehmen investiert. Eines davon hat mit Marihuana zu tun. Es ist aber kein Schwerpunkt für uns, sich außerhalb der Medizin damit zu beschäftigen. Der Fonds ist auf Gesundheit ausgerichtet und nicht auf Lifestyle. Solange es nicht im Zusammenhang mit klinischen Studien steht, ist es kein Ziel von uns zu investieren.
Wie gehen Sie mit neuen Studienergebnissen um? Ab wann erkennen Sie einen spannenden Einstiegspunkt? Sie haben kein Medizin studiert.
Nein, leider nicht.
Das klingt so, als wäre es von Vorteil gewesen?
Ja, natürlich. Die Studien werden als statistische Kennzahlen ausgewiesen. Wenn man einen wirtschaftlichen Hintergrund hat, kann man Statistik lesen. Das zweite ist: Man muss beurteilen, ob es wahnsinnig besser ist als ein vergleichbares Medikament oder Produkt. Da ziehen wir ein Team von Ärzten zu Rate, die mir davon ein Bild machen können.
Im Sommerquartal war ein langsameres Wachstum zu verzeichnen. Was ist Ihr Ausblick für das vierte Quartal? Wird es noch unter den Mid-Term-Elections leiden oder schaffen wir es noch ins Plus zu kommen?
Ich habe leider keine Kristallkugel, um eine konkrete Prognose abzugeben. Da wir jetzt die starke Korrektur gesehen haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass es noch tiefer gehen wird. Mich würde es auch nicht wundern, wenn wir eine Art Erholung sehen und es wieder bergauf geht. Immun ist auch ein Biotechnologie-Sektor nicht gegenüber dem gesamten Markt. Probleme in Italien oder Brexit, die das Sentiment zerstören, kann man nicht vorhersagen. So etwas könnte die Stimmung drücken.