Forschende tüfteln an dem perfekten Fahrrad-Wegenetz
Das Fahrrad ist nach dem Zu-Fuß-Gehen wohl das nachhaltigste Verkehrsmittel, um sich besonders in Städten fortzubewegen. Das A und O ist dabei ein entsprechend ausgebautes Netzwerk an Fahrradwegen. Der österreichische Komplexitätsforscher Michael Szell und sein Team untersuchen dabei, wie Städte ihr Fahrradnetz optimal planen können. Dabei ist es nicht die Länge, die zählt, sondern wie gut die einzelnen Routen untereinander verbunden sind.
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In einer Studie, die Ende April im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht wurde, simulierten die Wissenschaftler:innen das Radwegenetzwerk in 62 Städten, darunter etwa Wien, Berlin oder Amsterdam, aber auch, Tokyo, San Francisco oder das malaiische Shah Alam. „Um ein funktionierendes Radnetz zu bekommen, das von vielen Menschen genutzt wird, müssen Kommunen konsequent in den Ausbau ihrer Radinfrastruktur investieren“, erklärt Szell, der heute an der IT University of Copenhagen arbeitet.
Stückchenweiser Bau von Fahrradwegen als falscher Ansatz
Dabei bräuchte es aber einen stadtübergreifenden Plan. Und Geduld: „Fahrradinfrastruktur muss eine gewisse Schwelle erreichen, bis sie voll funktionsfähig ist“, betont Szell in einer Aussendung. Stückchenweise Erweiterungen des Netzwerks seien laut den Expert:innen die schlechteste Lösung, um eine Radinfrastruktur aufzubauen. Als Negativbeispiel nennt Szell dabei die Stadt Wien, die für 2022 bereits mehrere solcher Projekte angekündigt hat. Die Kosten seien dabei bis zu dreimal höher, als wenn ein einmal durchgeplantes Netzwerk konsequent umgesetzt wird.
Umstieg auf das Fahrrad: Manchmal braucht es einen kleinen Schubser
Um den Stadtverwaltungen eine Idee zu geben, wie ein Fahrradnetzwerk in ihrer Stadt aussehen könnte, entwickelte das Team ein interaktives Tool für ihre untersuchten 62 Städte. Dieses erlaubt es, die Entwicklung eines Radwegenetzes zu simulieren. „Das Tool deckt dabei nicht alle Eventualitäten ab“, ist sich Szell bewusst. „Trotzdem macht es einen guten Job.“ Dabei arbeitet das Tool mit dem niederländischen „CROW Design Manual for Bicycle Traffic“, das drei wichtige Kriterien für den Radverkehr festlegt.
Möglichst durchgängiges Fahrrad-Wegenetz wichtig
Ersten sollte es möglichst durchgängig sein und keine größeren Lücken aufweisen. Zweitens sollte man möglichst ohne Umwege von einem Punkt in der Stadt zu einem anderen kommen und drittens sollten alle Teile der Stadt mit dem Rad erreichbar sein. In ihrem Tool stützen sich die Forscher:innen dabei auf das Straßennetz und Bahnstationen. Das Tool ließe sich aber auch mit anderen Knotenpunkten berechnen – etwa mit Einkaufsstraßen oder Schulen. Wie viele Kilometer Radweg es dabei in einer Stadt gibt, ist zweitrangig – wichtiger sei, dass die Wege möglichst direkt von A nach B führen.
Die Forscher:innen ermittelten in den Simulationen dabei auch die Auswirkungen der Fahrradwege auf den Autoverkehr. Dabei ging man davon aus, dass auf Straßen mit Radwegen die Autos nur noch ein Fünftel ihres eigentlichen Tempos fahren. In 50er-Zonen fuhren Pkws etwa nur noch zehn Stundenkilometer. Trotz dieser Einschränkung zeigte die Flow-Analyse keinerlei signifikanten Verschlechterungen auf den Autoverkehr. Im Gegenteil: Je mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen würden, desto besser würde auch der Autoverkehr in Städten fließen – weil es weniger Autos auf den Straßen gibt.
Simulation und Radnetz in Kopenhagen stimmen zu 80 Prozent überein
Die Forscher:innen betonen jedoch, dass ihre Simulationen nur statistische Lösungen für den Radverkehr einer Stadt seien. Dennoch zeigen sich deutliche Überlappungen mit bereits bestehender Fahrradinfrastruktur, etwa in der Fahrradmetropole Kopenhagen. 80 Prozent der berechneten Fahrradwege würden dort bereits mit den bestehenden Wegen übereinstimmen.
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