Natur im Blick

Forschung: Wie das Gift der Spinnen in der Landwirtschaft und Medizin wirken soll

Der Giftcocktail der Wespenspinne wurde erst kürzlich entschlüsselt ©Pixabay
Der Giftcocktail der Wespenspinne wurde erst kürzlich entschlüsselt ©Pixabay
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Der Einsatz von synthetischen Düngemitteln verursacht hohe Emissionen und hat zum Teil schwere Folgen für die Biodiversität. Daher soll der Einsatz von diesen reduziert werden. Helfen sollen dabei natürliche Pestizide. Das Wiener BioTech Evologic Technologies zum Beispiel, arbeitet an Biostimulantien und Biopestizide aus dem Bioreaktor auf Basis von Pilzen, die chemisch-synthetische Produkte in der Landwirtschaft zurückdrängen sollen, wir berichteten. Dieser soll ein möglicher natürlicher Glyphosatersatz sein. Außerdem arbeitet Evologic Technologies an der industriellen Produktion des Bakteriums Rhizobien als ein natürliches Düngemittel. Laut dem Startup können diese die Produktivität von Nutzpflanzen wie Sojabohnen durch die Einbringung in die Erde deutlich verbessern.

Einen anderen natürlichen Ansatz für ein Bioinsektizid hat nun das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME in Gießen entwickelt und bekannt gegeben: Acht Beine, meist acht Augen und teilweise bis zu unzählige Haare auf dem Körper – Spinnen. Vielen Menschen bereiten sie ein gewisses Unbehagen, manche haben sogar Angst vor ihnen. Am Fraunhofer-Institut sind die Achtbeiner hingegen willkommen.

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Gift aus bis zu 3000 Komponenten 

Spinnen werden bereits seit längerem wissenschaftlich untersucht. Viele Forschende erhoffen sich von ihren Giften Fortschritte in der Wissenschaft. Immerhin kann das Gift einer einzigen Spinne bis zu 3000 Komponenten enthalten. Diese nutzen Spinnen in der Natur, um Insekten mit ihrem Gift zu betäuben und sie anschließend zu fressen. Deshalb gehen die Forschenden davon aus, dass die Toxine sehr wirksam gegen Insekten sind und somit eine gute Grundlage für Biopestizide bieten. Diese natürliche Variante der Schädlingsbekämpfung könnte die Landwirtschaft deutlich verantwortungsvoller machen.

Doch bisher konzentrierte sich die Forschung auf die Gifte der sehr großen oder potenziell gefährlichen Arten, die in den Tropen leben. Die einheimischen, kleinen und harmlosen Spinnen standen bislang nicht im Fokus. “Die meisten Spinnen in Mitteleuropa sind maximal zwei Zentimeter groß, ihre Giftmenge reichte für Experimente nicht aus.”, so der Biochemiker Tim Lüddecke . “Doch inzwischen verfügen wir über präzise Analysemethoden, um auch die geringen Mengen der bisher vernachlässigten Mehrheit der Spinnen untersuchen zu können.“

Deshalb widmet sich nun das Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME und der Justus-Liebig-Universität Gießen vor allem auch den bisher kaum beachteten einheimischen Spinnen und ihrem Giftmix. Die Forschungsergebnisse dazu wurden in der Fachzeitschrift »Biomolecules« veröffentlicht.

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Neuronale Schäden durch Gift von Spinnen behandeln

Doch nicht nur in der Schädlingsbekämpfung kommen die Forschenden durch die Gifte zu neuen Erkenntnissen. Auch in der Medizin erreichen Wissenschaftler:innen neue Meilensteine, so diese: „Spinnengifte sind eine weitgehend unerschlossene Ressource, dies liegt unter anderem an der schieren Vielfalt – etwa 50 000 Arten sind bekannt. Im Spinnengift steckt viel Potenzial für die Medizin, etwa bei der Erforschung von Krankheitsmechanismen“, so Lüddecke. So könne im Labor untersucht werden, wie einzelne Toxine auf Schmerzrezeptoren von Nervenzellen wirken.

Ein besonders vielversprechender Kandidat ist trotz des Fokus der Teams jedoch nicht aus der Heimat: Die Forschenden setzen große Hoffnung in den Giftcocktail der Australischen Trichternetzspinne. Das Institut geht davon aus, dass sich mit ihrem Gift neuronale Schäden nach Schlaganfällen behandeln und Herzen für Organtransplantationen länger haltbar machen lassen. Andere Wirkstoffkandidaten seien interessant für die Anwendung als Antibiotikum oder als Schmerzmittel. 

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Wespen-Spinnen als heimische Favoriten

Doch auch aus den hiesigen Breitengraden hat das Forschungsteam schon eine vielversprechende Kandidatin: Die Wespenspinne (Argiope bruennichi), die ihren Namen ihrer auffällig wespenähnlichen Färbung verdankt. Den Forschenden sei es bereits gelungen, ihr Gift zu entschlüsseln, wobei sie zahlreiche neuartige Biomoleküle identifizierten, so das Fraunhofer-Institut. 

Die Erkenntnis dabei: Im Gegensatz zu vielen anderen, enthält das Gift der Wespenspinne nur etwa 53 Biomoleküle. Wie in anderen Spinnengiften sind Knottine vorhanden – allerdings machen diese nur einen geringen Teil des gesamten Gemischs aus. Diese Knottine sind besonders relevant, da sie eine Gruppe von neurotoxischen Peptiden darstellen, die aufgrund ihrer Knotenstruktur robust gegenüber chemischem, enzymatischem und thermischem Abbau sind. Für die Wissenschaft bedeutet das: Man könnte diese Moleküle als Bestandteil von Medikamenten oral verabreichen, ohne dass sie im Magen-Darmtrakt verdaut werden. Da sie dadurch ihre Wirkung sehr gut entfalten können, bieten sie ein großes Potenzial für die Medizin. 

Darüber hinaus gehen Wissenschaftler:innen davon aus, dass aus Spinnengiften resultierende Arzneien sehr wenige Nebenwirkungen auslösen und dass sie bereits in geringer Konzentration wirksam sind.

TIM LÜDDECKE BEREITET SPINNEN FÜR DIE GIFTANALYSE IM LABOR VOR. ©FRAUNHOFER IME

Entwicklung von Medikamenten braucht Zeit

Die Giftausbeute bei kleinen Spinnen fallen jedoch gering aus. Deshalb entnehmen die Forschenden die Giftdrüsen und sequenzieren daraus die mRNA. Aufgrund der Genstruktur lassen sich die Toxine entschlüsseln. Laut dem Institut liegt das Giftprofil der Wespenspinne durch dieser Methode inzwischen vollständig vor, sodass im nächsten Schritt die relevanten Komponenten hergestellt werden können. Hierfür wird die Gensequenz mittels Biotechnologie in eine Bakterienzelle eingebaut, die dann das Toxin produziert. „Wir bauen quasi genetisch modifizierte Bakterien, die das Toxin in großem Maßstab herstellen.“ so Lüddecke. Die Hauptkomponente des Wespenspinnengifts, das CAP-Protein, konnte laut dem Forschungsteam bereits in Großserie hergestellt werden. Erste funktionelle Studien sollen in Kürze starten.

Bis diese Erkenntnisse in der Praxis ankommen, wird es somit voraussichtlich noch dauern. Das bestätigt sich der Forschende: “Es handelt sich um ein sehr junges Forschungsfeld. Die Substanzen sind zwar entdeckt und beschrieben, sie befinden sich aber noch nicht in der Präklinik”, so Lüddecke. In einem Interview mit Deuschlandfunk prognostiziert dieser Jahrzehnte an weiterer Forschung in dem Bereich. 

Anders sehe es hingegen bei der Pestizidforschung aus, so die Forschenden. Da die Toxine sehr wirksam gegen Insekten seien, böten sie eine gute Grundlage für Biopestizide. Somit könnte mit den Spinnen aus der Natur eine Lösung kommen, welche aktuelle Probleme der Menschen löst.

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