Interview

Frank Sieren: „Chinesen kaufen weniger Porsche“

© Gregor Koppenburg
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Frank Sieren, Bestsellerautor und einer der führenden deutschen Chinaexperten, lebt seit 30 Jahren in Peking. Mit der deutschen und europäischen Autoindustrie ist er nicht zufrieden, zu lange habe man sich auf den früheren Erfolgen ausgeruht. Im exklusiven Interview mit Trending Topics spricht er über günstige E-Autos aus China, den Handelsstreit zwischen China und den USA und neue E-Autobauer am Markt – Stichwort Xiaomi und BYD.

Die USA haben im Mai die Zölle für E-Autos aus China auf 100 % erhöht. Ist das der Beginn eines nächsten Handelskrieges, wie wir ihn auch schon bei den Smartphones gesehen haben?

Frank Sieren: Man wird sehen, was davon nach den Wahlen übrig bleibt. Denn so einfach ist es leider nicht: Washington führt Zölle ein und hat damit alle Probleme gelöst. Der US-Hersteller Tesla baut und verkauft viele Autos in China. Er wird dann wiederum Probleme dort bekommen. Das ist auch der Grund, warum die deutschen Autohersteller, die das auch betrifft, sich gegen EU-Zölle gegen chinesische E-Autos ausgesprochen haben.*

So gut wie alle Hersteller aus Deutschland produzieren ja ganze Autos in China …

… alle außer Porsche.

Der Vorwurf aus den USA lautet, die Volksrepublik China verzehre den Wettbewerb durch „unfaire“ Subventionen. Ist das auch aus Ihrer Sicht so?

Subventionen sind auch in Europa nicht so ungewöhnlich. Airbus, den sehr erfolgreichen Wettbewerber zu Boeing, würde es heute nicht geben, wenn Frankreich und Deutschland das Unternehmen anfangs nicht subventioniert hätten. Die Dienstwagenregelung, die es Arbeitgebern erlaubt, Firmenautos, je teurer desto mehr von der Steuer abzusetzen, ist eine Art Subvention. Eine vom Staat erzeugte Null-Zins-Politik ist auch eine Subvention.

Insofern machen wir uns es zu einfach, wenn wir jetzt mit dem Finger auf China zeigen. Denn auch Deutschland hat von 2022 auf 2023 17 Prozent mehr Autos exportiert und insgesamt werden 75 Prozent der deutschen Autos exportiert. In China sind es drei Prozent.

Die chinesischen Batterien sind derzeit vermutlich die besten der Welt. Ist da noch Spielraum?

Ja, klar. Der führende chinesische E-Autohersteller und Batteriehersteller BYD hat in diesen Tagen eine Batterie für ein Hybrid-Auto vorgestellt, das mit voller Batterie und Tankfüllung 2.100 Kilometer fahren kann. In wenigen Jahren wird es normal sein, dass ich abends im Wohnzimmer sitze und mit einem Klick mein Auto selbständig irgendwohin zum Aufladen fahren lasse, zu einem Zeitpunkt, an dem der Strom billig und eine Ladesäule frei ist.

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Wie sollen moderne Autos aussehen?

Da spielt auch die digitale Vernetzung eine ganz entscheidende Rolle. Die Chinesen kaufen jetzt Autos von Smartphone-Herstellern wie Xiaomi und Huawei, weil sie sagen, es ist mir wichtig, dass ich das Auto von meinem Handy steuern kann und dass ich Informationen reibungslos in Echtzeit bekomme.

Das gute Fahrgefühl eines Porsche lässt sich in China immer schwieriger verkaufen, weil man die Stärke des Porsche dort in den Megastaus und bei 120 Kilometer pro Stunde Geschwindigkeitsbegrenzung nicht nutzen kann.

In China gibt es ja durchaus eine Überproduktion. Da gibt es die bekannten Fotos von Autofriedhöfen. Woher kommt diese Überproduktion?

Die Bilder, die da kursierten, waren von Autos eines Carsharing-Unternehmens, das pleite gegangen ist. Da sehen wir ein paar hundert Autos. In China werden aber wie gesagt 25 Millionen neue Autos pro Jahr zugelassen. Wenn 0,1 Prozent der Produktion auf Halde stehen, was immer noch irrelevant wäre, sind das gut 40 Fußballfelder. Es macht also keinen Sinn, die vorliegenden Bilder als Beleg für Überproduktion zu nehmen.

Xiaomi hat jetzt ein neues Auto vorgestellt. Huawei ist längst auf dem Markt. Smartphonehersteller bauen jetzt Autos. Was erwartet uns da noch?

Das ist sehr schwierig abzuschätzen. Im nächsten Schritt geht es um autonomes Fahren, und zwar um autonomes Fahren, das ohne digitale Karten auskommt, sondern sich allein auf Radar, Lidar und Kameras im Auto verlässt. Da ist in China Huawei führend mit 7 Modellen von 4 Marken: Aito, Arcfox, Luxeed und Avatr. Allein Aito hat über 30.000 Autos im Januar und Februar verkauft. VW 21.000, im ersten Quartal 2024. Allein der M7 von AITO hat sich über 70.000 Mal verkauft. Dabei ist das Auto erst seit September auf dem Markt.

Aus der deutschen, europäischen Sicht muss man nüchtern feststellen: Die Autos werden dauerhaft billiger werden. Die alten Margen sind nicht mehr erzielbar, selbst wenn die bei der Innovation auf Augenhöhe sind, was keine ausgemachte Sache ist. Es werden uns also wahrscheinlich Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen. Das Dilemma: Einerseits profitieren wir Europäer davon, dass die Autos billiger werden, andererseits verlieren wir dadurch Arbeitsplätze.

In Österreich heißt es von der Politik: „Wir sind ein Land der Verbrenner!“ Neue Statistiken zeigen, dass tatsächlich wieder mehr Verbrenner verkauft werden als Elektroautos. Sind E-Autos zu teuer?

In China gibt es von Wuling bereits Viersitzer-E-Autos mit 13 kWh Batterien und einer Reichweite von 150 Kilometern, die kosten inklusive Klimaanlage und Airbag 4.500 Euro. Für die Stadt perfekt.

Wird es die auch in Europa geben?

Wieso denn nicht? Wenn ich nur ein Auto brauche, um täglich 15 Kilometer zur Arbeit zu fahren, dann reicht ein solches Auto. Mehr noch: Es ist das ideale Stadtauto. Es wird natürlich immer Leute geben, die einen 5er BMW, einen Audi A8 oder eine Mercedes E-Klasse fahren. Aber diese Gruppe wird dann wahrscheinlich doch kleiner werden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Chinesen ihre Autos in Deutschland zu unschlagbaren Preisen verkaufen werden, um Marktanteile aufzubauen.

Spätestens dann müssen die europäischen Hersteller mitziehen.

Ja, denn die chinesischen Hersteller sind so gut im eigenen Markt aufgehängt, dass sie, wenn sie das wollen, ihre Autos im Grunde ohne Marge in Europa verkaufen können. Erstmal, um reinzukommen. Nicht alle, viele machen ja große Verluste, andere verdienen schon viel Geld. Es gibt über 120 Hersteller. Die meisten werden natürlich nicht überleben, sondern werden dann aufgekauft. Am Ende bleibt wahrscheinlich eine Handvoll großer Player übrig, die dann aber eine so große Marktmacht haben, dass für sie die Frage, zu welchen Preisen sie Autos in Europa anbieten, nicht entscheidend ist.

Anm.: Das Interview entstand vor der Entscheidung der EU-Kommission, E-Autos aus China mit Strafzöllen zu belegen.

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