Gastbeitrag

FTX: Drohen bald die nächsten Konkurse?

FTX. © Trending Topics
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Leena ElDeeb und Karim AbdelMawla sind Research Associates bei 21.co, einem Krypto-Asset-Manager aus der Schweiz. In diesem Gastbeitrag befassen sie sich mit dem FTX-Fallout und möglichen weiteren Konkursen in der Kryptobranche. 

In den Nachwehen des FTX-Desasters durchlebten die Kryptomärkte eine weitere üble Woche und ihre Gesamtkapitalisierung fiel um mittlerweile 23 Prozent. Mit Ende Montag fielen die Kurse von Bitcoin und Ethereum um je sechs und elf Prozent. Unter den größten Kryptokategorien waren drei Token am stärksten vom „Bank Run“ auf die insolvente Kryptobörse FTX betroffen: Solana, Polygon und Uniswap. Sie verloren um jeweils 17, 15 und 17 Prozent an Wert.

Abbildung 1: Entwicklung nach TVL (total valued locked) und Renditen der größten Kryptoassets

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Quelle: 21Shares, Coingecko, DeFi Llama

Spot- und Derivatemärkte

Figure 2: Wöchentliche Krypto-Assetflows (in Millionen US-Dollar)
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Source: Bloomberg, CoinShares

Wie in der Grafik ersichtlich, gab es im Laufe der letzten Woche Inflows in der Höhe von insgesamt 44 Millionen Dollar, wobei 75 Prozent davon in Short-Produkte investiert wurden – eine Tendenz, die ein klares Bild über die aktuelle, von der FTX-Pleite und ihren Konsequenzen geprägten Marktstimmung abgibt.

On-Chain-Indikatoren

Abbildung 3: Durchschnittliche Mining-Kosten von Bitcoin
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Quelle: MacroMicro

Die durchschnittlichen Kosten zum Mining eines Bitcoin haben sich um mehr als 15 Prozent erhöht, die Schwelle von 22.000 US-Dollar überschritten und liegen mittlerweile höher als der Spotpreis von Bitcoin. Dadurch und aufgrund der aktuellen Energiekrise kann die Vorhersage getroffen werden, dass viele Bitcoin-Nodes aufgrund der hohen Kosten und sinkenden Rendite schließen werden.

FTX-Krise: Wahres Ausmaß wird erst deutlich

Sam Bankman-Fried und andere Führungskräfte des FTX-Schwesterunternehmens Alameda Research wurden zu einer parteiübergreifenden Anhörung Ende Dezember vor dem U.S. House Financial Services Committee eingeladen, zu der auch Binance eingeladen wurde – das Unternehmen, das eigentlich FTX vor Bekanntwerden dessen Bilanzloches übernehmen wollte. Aus dem Konkursverfahren ging hervor, dass FTX keine Unternehmenskontrollen hatte und dass seine Finanzberichte aufgrund fehlender Buchhaltungs- und Kontrollpraktiken als nicht vertrauenswürdig anzusehen waren. Zudem wurde bekannt, dass FTX seinen 50 größten Gläubigern insgesamt 3,1 Milliarden Dollar schuldet.

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John Ray III – der neue CEO von FTX – verkündete, dass eine „strategische Überprüfung“ der Assets von FTX stattfinden würde. Nach den schockierenden Enthüllungen des Dossiers ordnete die Wertpapieraufsichtsbehörde auf den Bahamas, wo FTX seinen Sitz hat, an, dass Bankman-Fried die Assets zur sicheren Verwahrung in ein staatliches Depot überträgt. Darüber hinaus wurde mehr über den darauffolgenden Hack von FTX bekannt: Der Angreifer soll mittlerweile Ether (ETH) im Wert von 600 Millionen Dollar in RenBitcoin (renBTC) umgewandelt haben.

Der plötzlich auftretende Kollaps von FTX hat zu kritischer Aufmerksamkeit über alle zentralisierten Trading-Plattformen geführt und viele technisch versierte Nutzer:innen überzeugt, ihre Assets von Börsen abzuheben. Die erhöhte Skepsis veranlasste Börsen dazu, durch Proof-of-Reserve ihre Bestände zu veröffentlichen – einige von ihnen haben dies bereits getan, andere haben es angekündigt. 21Shares hat ein eigenes Dashboard zur Verfügung gestellt, das Einblick über die von Binance veröffentlichten Wallet-Reserven bietet, während Coingecko eine umfassendere Zusammenstellung aller PoR-Bestände für Börsen, die dies durchgeführt haben, offenbart. Da jedoch private Wallets ohne Kryptoverwahrung durch eine Drittpartei, wie z.B. Metamask, noch viel Arbeit erfordern, um die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern und intuitiver zu gestalten, wird die Abhängigkeit von externen Kryptoverwahrstellen noch auf absehbare Zeit Realität sein.
Ethereum-Gründer Vitalik Buterin ließ einstweilen von sich hören, indem er Verbesserungen des aktuellen Systems der Proof of Stake-Reserven auf Basis des Hash-Baums (merkle tree) vorschlug. Zentralisierte Börsen – wie auch FTX eine war – sollten die sogenannte zk-SNARK (zero-knowledge succinct non-interactive argument or knowledge)-Technologie nutzen, um die Privatsphäre zu verbessern, anstatt eine umfassende Liste von Wallets und Assets zu veröffentlichen, die die operative Sicherheit von Nutzer:innen und Unternehmen gefährden könnte. Dieser Mechanismus zur Wahrung der Privatsphäre würde den Nutzer:innen helfen, die Zahlungsfähigkeit der Plattform zu überprüfen, ohne unnötigen Zugang zu Informationen über die Konten anderer Personen zu haben.
Schließlich kündigte Binance die Einrichtung eines Sanierungsfonds an, der als Rückhalt dienen und in „Projekte investieren soll, die ansonsten solide sind, sich aber aufgrund des FTX-Zusammenbruchs in einer Liquiditätskrise befinden“. Der Gründer von Binance behauptet, dass viele Akteure aus der Branche großes Interesse gezeigt haben, ohne jedoch zu verraten, um wen es sich dabei handeln könnte.

Solana, Genesis und weitere Opfer der FTX-Krise

Das Ausmaß der ausgelösten Krise wurde erst wirklich deutlich, als das FTX-Konkursverfahren ans Licht kam. Die Entscheidung zum Konkurs offenbarte den Schaden, der verschiedenen Krypto-Unternehmen entstanden war, die der untergegangenen Börse und dem mit ihr verbundenen Marktmacher Alameda zu stark ausgesetzt waren. Die ersten Risse zeigten sich am 16. November, als der Tradingdienst Genesis die Abhebungen von Nutzer:innen, Rücknahmen und die Vergabe neuer Kredite stoppte, kurz nachdem es eine Kapitalinfusion von 140 Millionen Dollar von seiner Muttergesellschaft Digital Currency Group angekündigt hatte.
Ein Bericht des Wall Street Journals enthüllte daraufhin, dass Genesis einen Tag vor der Einstellung des Geschäftsbetriebs versucht hatte, eine Milliarde Dollar an frischer Liquidität zu beschaffen. Bloomberg meldete heute, dass das Unternehmen am Rande des Konkurses steht, nachdem es ihm nicht gelungen war, über das Wochenende Geld aufzutreiben. Zur Illustration: Genesis begann 2013 als erster Bitcoin-OTC-Tradingdienst und wurde dann zum größten Krypto-Kreditgeber. Das Unternehmen spielte seitdem eine zentrale Rolle beim Onboarding von Finanzinstituten und befindet sich im Epizentrum des Krypto-Kapitalmarktes.
Wie schon seit letzter Woche bekannt, nimmt auch das Solana-Ökosystem einen erheblichen Schaden, da viele der in der Krise befindlichen VCs und Fonds, die enge Verbindungen zu FTX hatten, auch in erheblichem Maße in SOL-basierten Token engagiert waren. Erstens ist das TVL von Solana (vergleichbar mit dem verwalteten Vermögen) bis zum 22. November auf schwindelerregende 330 Millionen Dollar gefallen und hat in den letzten zwei Wochen fast 700 Millionen Dollar an Wert verloren. Darüber hinaus kündigten OKex, Bybit und Crypto.com an, dass sie die Unterstützung für USDT und USDC auf der Solana-Chain einstellen werden.
Binance traf die gleiche Entscheidung, hat aber inzwischen USDT-Einzahlungen auf Solana wieder ermöglicht. Die Gründe für diesen Schritt sind immer noch rätselhaft, da der Gründer von Circle, Jeremy Allaire, betonte, dass USDC auf Solana wie beabsichtigt funktioniere. Somit bleibt die Motivation der Börse unklar. Es lässt sich jedoch vermuten, dass einige Plattformen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um die Gefährdung des Solana-Ökosystems durch FTX zu mindern. Tether gab außerdem bekannt, dass es einen Cross-Chain-Swap von 1 Mrd. USDT von Solana nach Ethereum durchgeführt hat. Obwohl sie keine weiteren Erklärungen lieferten, könnte dies auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass das Unternehmen der Nachfrage der Nutzer folgt. Native Protokolle blieben ebenfalls nicht ungeschoren: Das GameFi StarAtlas-Projekt gab bekannt, dass es die Hälfte seines Cash-Runway verloren hat, da es auf FTX festsaß, während das Prime-Brokerage-Protokoll Oxygen und Maps enthüllte, dass sie 95 Prozent des gesamten zirkulierenden Token-Vorrats auf FTX hielten.
Das Chaos breitete sich auch in die Venture Funding-Branche sowie weitere Bereiche des Krypto-Raumes aus – vor allem bei den Unternehmen, deren Tätigkeiten Berührungen mit FTX und Alameda aus.
  • Multicoin Capital hat Berichten zufolge fast 860 Millionen Dollar an Vermögenswerten bei FTX hinterlegt und aktuell keinen Zugriff darauf.
  • Jump Crypto, die Krypto-Sparte des Handelsriesen Jump Trading, soll Gerüchten zufolge seine Aktivitäten aufgrund seines Engagements bei FTX rückgängig machen, was das Unternehmen später dementierte.
  • BlockFi pausierte seine Abhebungen und diskutierte erwartungsgemäß über einen Konkursantrag, da es kürzlich von FTX im Zuge des Zusammenbruchs von Celsius übernommen wurde.
  • Auch die VC-Fonds Galois Capital und Ikigai sind betroffen, da ihr Kapital bei FTX feststeckt ist, wobei ersteres Unternehmen fast 100 Millionen Dollar verlor.
  • Chainalysis bestätigte, dass FTX zu den Gläubigern gehört, die ihr Geld schulden, wobei die Höhe des Betrags noch nicht bekannt ist.
  • Sino Capital war nicht nur mit FTX verbunden, sondern hielt auch Positionen im mittleren siebenstelligen Bereich in SOL-Ökosystem-Token wie Serum, Oxygen und Jet-Protokoll.
  • Der Kreditgeber Vauld gab bekannt, dass 10 Millionen Dollar an der Börse hängen geblieben sind.
  • TradFi-Riesen wie die Bank of America, Circle, JPMorgan Chase Bank, Wells Fargo, Silvergate Bank waren auch FTX als Gläubiger ausgesetzt.
  • LayerZero kaufte Alameda/FTX vollständig auf, so dass die Finanzen des Protokolls in einer besseren Position sind.
  • Liquid Global, eine FTX-eigene Börse, pausierte die Abhebungen und stellte dann den gesamten Handel ein.
  • Die Lendingplattform Salt stoppte Abhebungen und Einzahlungen.

Wie geht es jetzt weiter?

  • Der DCG und/oder Genesis könnte Insolvenz drohen: Wie erwähnt, ist die Digital Currency Group Eigentümerin des Vermögensverwalters Grayscale und des Prime-Brokers Genesis. Sollte Letzterer nicht in der Lage sein, rechtzeitig genügend Mittel aufzubringen, muss das Unternehmen Konkurs anmelden. Die Folge dieses Schrittes wäre die Umstrukturierung oder Liquidierung der Vermögenswerte des Vermögensverwalters, um das Loch von fast 1,5 Milliarden Dollar zu stopfen, falls DCG tatsächlich das verschuldete Unternehmen ist. Die Dinge sehen nicht gut aus für den in Schwierigkeiten geratenen Kreditgeber, da Binance Berichten zufolge aufgrund von Interessenkonflikten mit dem Geschäftsmodell von Genesis aus dem Geschäft ausgestiegen ist.
  • Der FTX-Hacker will schnell verkaufen: Die unbekannte Entität, die für das Abschöpfen von mehr als 600 Millionen Dollar an Vermögenswerten von inmitten des Chaos der letzten Woche identifiziert wurde, verfügt immer noch über ETH im Wert von fast 200 Millionen Dollar. Die On-Chain-Aktivitäten des Hackers zeigen, dass er in Bewegung ist, da er letzten Sonntag Millionen von ETH in renBTC getauscht hat. Möglicherweise bereitet er sich darauf vor, das Vermögen zunächst in Bitcoin umzuwandeln und dann durch einige der verfügbaren Mixer-Lösungen zu waschen, die eine höhere Liquidität aufweisen als das sanktionierte Tornado Cash, das im Ethereum-Netzwerk lebt.    
  • Eine kurzfristige Dezimierung des Solana-Ökosystems könnte drohen: Da die Liquidität im Bereich der alternativen Layer1-Blockchains versiegt, haben wichtige DeFi-Dienstleister ihre Bereitschaft gezeigt, sich aus dem umkämpften Ökosystem zurückzuziehen. Die Entscheidung von Tether, mehr als eine Milliarde Dollar seines USDT-Stablecoins nach Ethereum zu migrieren, und die Zurückhaltung der Börsen bei der Annahme von Einlagen von nativen USDT auf Solana deuten darauf hin, dass weitere Probleme für das Netzwerk in Sicht sind.

Rechtliche Hinweise:

Das in diesem Beitrag enthaltene Material dient ausschließlich Informationszwecken. 21.co und die verbundenen Unternehmen empfehlen keine Maßnahmen auf der Grundlage dieser Informationen. Das Material ist weder als Angebot oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers, noch als Anlageberatung auszulegen. Darüber hinaus stellen diese Informationen keine Zusicherung dar, dass die hier beschriebenen Anlagen für eine Person geeignet oder sinnvoll sind. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für künftige Kursentwicklungen.

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