FTX-Kollaps scheint seine Wurzeln im Terra/LUNA-Crash im Mai zu haben
Der Kollaps von Terra/LUNA und des damit verbundenen Stablecoins Terra USD (UST) Anfang Mai 2022 war der zweite große Schock für die Krypto-Industrie 2022. Zuvor gingen bereits die Kurse von Bitcoin, Ethereum und CO in die Knie, nachdem die US-Zinswende in Folge hoher Inflation die Investment-Laune am Markt grundlegend änderte. Dass es dann mit dem FTX-Kollaps einen weiteren, dritten harten Schlag für die Krypto-Industrie geben würde, damit rechnete kaum jemand.
Doch derzeit mehren sich die Anzeichen, dass der FTX-Kollaps seine Wurzeln im Terra/LUNA-Desaster hatte. Sam Bankman-Fried, der ehemalige CEO von FTX und mutmaßliche Hauptschuldige des Konkurses, hat in einer Slack-Nachricht an Mitarbeiter:innen verbreitet, dass FTX im Frühling (also vor dem Terra/LUNA-Debakel) finanziell noch gut dagestanden wäre. Damals hätte man noch 60 Milliarden Dollar an Sicherheiten (Kollateral) gehabt, nur zwei Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten seien dem gegenüber gestanden. Wie bereits berichtet, sind Anfang 2022 große, namhafte Investoren wie Sequoia noch von einem finanziell gesunden Unternehmen ausgegangen. Laut Sequoia hätte FTX im Jahr 2021 einen Umsatz von rund 1 Mrd. US-Dollar und ein Betriebsergebnis von mehr als 250 Mio. US-Dollar gehabt.
Doch durch den Terra/LUNA-Crash, der wie berichtet inmitten eines größeren Krypto-Crashs (am 4. Mai 2022 erhöhte die US-Notenbank Federal Reserve zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren den Leitzins) passierte, dürfte sich die Situation für FTX schlagartig verschlechtert haben. Laut SBF hätte FTX plötzlich nur mehr 25 Milliarden Dollar an Kollateral und acht Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten gehabt. Bis November 2022 schmolzen die Sicherheiten dann auf 9 Milliarden Dollar zusammen, nachdem Nutzer:innen wegen negativer Nachrichten rund um FTX innerhalb kurzer Zeit viele Milliarden Dollar an Assets aus der Börse bewegten.
BTC-Bestände schmolzen drastisch dahin
Dass es rund um FTX zu hochgradig fragwürdigem Umgang mit den Geldern der Nutzer:innen gekommen war, spricht SBF aber nicht an. Wie berichtet, wurden etwa Assets an die Trading-Firma Alameda Research weiter gegeben oder auf den Bahamas Immobilien für FTX-Mitarbeiter:innen gekauft. James Bromley von Sullivan & Cromwell, die mit dem FTX-Konkurs betraut sind, wurden satte 300 Millionen Dollar für Immobilien auf den Bahamas ausgegeben.
Dem Analyse-Unternehmen Glassnode zufolge konnte man anhand von On-Chain-Daten sehen, dass dere Verfall von FTX bereits vor vielen Monaten begann. „In den Monaten April bis Mai dieses Jahres hatten die FTX-Reserven innerhalb unseres Clusters einen Höchststand von über 102k BTC erreicht. Dieser Wert ging Ende Juni dramatisch um 51,3 % zurück“, heißt es seitens Glasnode. „Seitdem sind die Reserven kontinuierlich gesunken, bis sie während des Bank-Runs in dieser Woche praktisch Null erreichten. Da Behauptungen über die Veruntreuung von Kundeneinlagen durch Alameda ans Licht kommen, deutet dies darauf hin, dass die Alameda-FTX-Einheit nach dem Zusammenbruch von LUNA, 3AC und anderen Kreditgebern im Mai/Juni tatsächlich eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Bilanz erfahren haben könnte.“ Ähnliches ist bei den ETH-Beständen der Börse zu sehen, die über die Monate schnell Richtung Null schmolzen.
„Ich war mir weder des vollen Umfangs der Margin-Position noch des Ausmaßes des Risikos eines hyperkorrelierten Crashs bewusst“, heißt es seitens SBF in Richtung seiner ehemaligen Team-Mitglieder.
Schwerwiegende Verluste durch LUNA und 3AC
Das bedeutet, dass die letzten Wochen vor der November-Woche, in der FTX komplett zusammen brach, nur das letzte Kapitel der Geschichte waren. Sie wären nur eine „Vorstufe zu dem wahrscheinlich unausweichlichen Zusammenbruch der Börse“ gewesen, so die Glassnode-Analyst:innen. „Da Behauptungen über die Veruntreuung von Kundeneinlagen durch Alameda ans Licht kommen, deutet dies darauf hin, dass die Alameda-FTX-Einheit im Mai/Juni nach dem Zusammenbruch von LUNA, 3AC und anderen Kreditgebern in der Tat schwerwiegende Bilanzverluste erlitten haben könnte.“
Das bedeutet auch, dass es den FTX-Verantwortlichen schon vor vielen Monaten bewusst hätte sein müssen, was am Ende passiert ist. Doch offenbar gab es intern so gut wie keine Kontrollen über die Finanzlage. „Noch nie in meiner Laufbahn habe ich ein so vollständiges Versagen der Unternehmenskontrollen und ein so vollständiges Fehlen vertrauenswürdiger Finanzinformationen erlebt wie in diesem Fall“, gab der neue FTX-Chef John J. Ray III, der mit der Abwicklung der insolventen Firma betraut wurde, kürzlich zu Protokoll.
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