Fuckup Nights: „Wenn der Teufel Kinder bekommt, dann Drillinge“
„Es fällt mir noch immer schwer, darüber zu reden“, sagt Gernot Hutter. Der erfahrene Erdgas-Unternehmer steht auf einer Bühne im Wiener Palais Eschenbach und rund 200 Menschen hören ihm gespannt zu. Der Saal ist bis zum letzten Platz gefüllt, es herrscht Stille. Bei den „Fuckup Nights“ sprechen Manager, Unternehmer, Designer, Politiker oder Ärzte über Fehler, die ihnen passiert sind. Die Hoffnung: alle sollen daraus lernen.
Hutters Unternehmen ist 2012 pleite gegangen. 6.041 österreichische Unternehmen wurden in diesem Jahr insolvent. Mit Verbindlichkeiten von 127 Millionen Euro war die Cemag laut Kreditschutzverband (KSV) 2012 die mit Abstand größte Insolvenz. Sechs Jahre hat es gebraucht, bis sich der damalige Chef einigermaßen davon erholt hat und Dejan Stojanovic, dem Organisator der „Fuckup Nights“ in Wien zusagt.
Vom „Gipfelsieg“ zu des Teufels Drillingen
Wie so oft, lief gerade alles prächtig, bevor das Unglück über die Cemag hereinbrach. „Wir haben 2012 an der Umsatzmilliarde gekratzt“, erzählt Hutter, der den Erdgas-Handelsplatz in Wien seit 2007 aufgebaut hatte. Das Unternehmen sollte an die US-Beteiligungsgesellschaft Global Emerging Markets (GEM) verkauft werden und der Deal war schon fast in trockenen Tüchern. „Das war für mich der Gipfelsieg“, erinnert sich der studierte Betriebswirt.
Im April sei das Signing mit der GEM über die Bühne gegangen und im Mai kam dann der Anruf, der alles änderte. Eine große Kundengruppe hatte Rechnungen nicht bezahlt, die Cemag geriet in Liquiditätsprobleme. Eine Überbrückungsfinanzierung wurde laut Hutter aufgrund des laufenden Übernahmeverfahrens abgewiesen. Insolvenz.
„Wenn der Teufel Kinder bekommt, dann meist Drillinge“, sagt Hutter, denn das Aus besiegelt habe ein einzelner Gläubiger, der dem Sanierungsplan nicht zustimmte. „Ich weiß bis heute nicht warum“. Wäre der Eigentümerwechsel geglückt, hätte die GEM-Tochter Artemis SE das Eigenkapital der Cemag mit einem zweistelligen Millionenbetrag gestärkt. Doch dazu kam es nicht.
„Ich wusste nicht, wo ich hin sollte“
Hutter fiel in ein Loch, wie er selbst sagt: „Hätte ich keine stabile Beziehung gehabt, hätte ich das nicht so gut überstanden. Vielleicht hätte ich dann Drogen genommen“. Zu Beginn der Misere hätte er noch einige Angebote aus anderen Unternehmen gehabt. Nach der Insolvenz wurde daraus allerdings nichts. „Ich war ein Workaholic. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte“, sagt er.
Er habe das Gefühl gehabt, als Verbrecher herumzulaufen, dabei: „Der Erfahrungsschatz im Sinne des Risk-Managements wäre doch für viele Firmen interessant“. Das sieht auch Dejan Stojanovic so. Er hat vor vier Jahren das Format der „Fuckup Nights“ gemeinsam mit Salomé Wagner von Mexiko nach Wien geholt. In Österreich finden solche Events unabhängig voneinander mittlerweile in insgesamt acht Städten statt.
Scheitern ist Teil des Erfolgs, aber nicht in Österreich
„Scheitern ist nicht das Gegenteil des Erfolgs“, sagt Stojanovic. „Scheitern ist Teil des Erfolgs“. In den USA sei das in der Geschäftswelt allgegenwärtig. In Österreich sei dieser Aspekt des Scheiterns noch wenig beachtet. Besonders in Online-Foren werde das deutlich: Wer Erfolg hat, lockt Neider. Wer scheitert, ist selbst schuld. Was in Europa nach wie vor fehle, so Stojanovic, sei eine gute Fehlerkultur.
In den USA wäre die Cemag-Pleite für Hutter vielleicht der Startpunkt einer steilen Karriere gewesen. Manager mit Erfahrung in extremen Krisensituationen werden dort laut dem Fuckup-Nights-Organisator für hohe Positionen umworben. Hutter ging aber nicht in die USA. Er blieb in Österreich und wechselte einige Zeit in die Immobilienbranche. Heuer sei das erste Jahr, in dem er wieder in der Energiebranche tätig ist.