Way to Passion Interview

Gabriele Faber-Wiener: „Ich will mich nicht mit ‚österreichischen‘ Lösungen zufriedengeben!“

Gabriele als Juryvorsitzende des TRIGOS 2020 ©Gabriele Faber-Wiener
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Gabriele Faber-Wiener spürte schon früh den Willen und den Drang Engagement für Mensch und Umwelt zum Beruf zu machen. Schon mit 18 gründete Gabriele zwei ehrenamtliche Greenpeace-Gruppen und seit dieser Zeit zieht sich dieses Engagement, diese Bereitschaft zu Veränderung, durch all ihre Funktionen und Karriere-Stationen: Von großen NGOs (Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen) über die Kommunikation (Agentur, PRVA, PR-Ethik-Rat) bis zu ihrem aktuellen Fokus auf Forschung, Beratung und Lehre an derzeit acht Unis und FHs.

Aktuell engagiert sich Gabriele federführend bei der „Initiative für transparente Zusammenarbeit“ . Die Initiative will für mehr Transparenz in einem Bereich sorgen, den bisher kaum jemand am Schirm hat, der aber immer wichtiger wird: Kooperationen zwischen Unternehmen und NPOs (Non Profit Organisation). Im Augenblick laufen sie weitestgehend intransparent ab, ohne jedes Regelwerk. Keiner weiß, wer mit wem kooperiert und wieviel Geld da fließt. Das birgt ein hohes Reputationsrisiko – und zwar für beide Seiten. Bereits jetzt haben sich schon namhafte Unternehmen an der Initiative beteiligt. Dazu werden es laufend immer mehr.

Was treibt Dich im Leben an?

Ich sehe mich als Suchende, als ewig Lernende – und als Hinterfragende. Das hat meinen ganzen Lebensweg geprägt. Ich will mich einfach nicht mit dem Status Quo oder mit „österreichischen Lösungen“ zufriedengeben. Auch wenn ich es damit anderen nicht immer leicht mache – das ist mir sehr wohl bewusst. Aber meiner Erfahrung nach hat konsequentes Hinterfragen immer zu den besten und innovativsten Ideen und Lösungen geführt. Echte Weiterentwicklung kann nur aus echter Reflexion resultieren, nicht aus dem Abarbeiten und Umsetzen von Standards und Normen.

Wie ist es zur „Initiative für transparente Zusammenarbeit“ gekommen?

Ich arbeite mit beiden Seiten: Unternehmen und NPOs. Beide bringen heute mehr Gewicht auf die gesellschaftliche Waage als je zuvor. NPOs sind ein zentrales Korrektiv für Wirtschaft und Politik. Diese Rolle können sie aber nur wahrnehmen, wenn sie wirklich unabhängig sind – auch von Unternehmen. Unternehmen tun heute viel Gutes, werden aber oft pauschal des Greenwashings bezichtigt. Da kommt man nur raus, wenn man ganz offen ist. Darum habe ich mich mit Unternehmen, NGOs, Juristen und Wirtschaftsprüfern zusammengesetzt, um einen umfassenden Transparenz-Kodex zu entwerfen. Der ist noch lange nicht perfekt, aber das einzige und erste vergleichbare Rahmenwerk in Europa, das es in dem Bereich gibt.

Was sind so die Eckpfeiler dieser Initiative?

Kernstück der Initiative ist der „Kodex für Transparente Zusammenarbeit“. Er ist als Angebot und als Selbstverpflichtung von Unternehmen zu sehen und enthält wichtige Vorgaben wie die Offenlegung von Spenden und Sponsoring, aber auch Rahmenbedingungen für Logoverwendung oder Reporting. Er regelt auch, wie man mit Studien oder Beratungsleistungen von NGOs im Auftrag von Unternehmen umgehen soll oder ab wann Funktionen von ManagerInnen in NGOs veröffentlicht werden müssen. Darüber hinaus enthält er Hilfestellungen, wie Unternehmen besser vorbereitet an derartige Kooperationen herangehen können und wie sie damit mehr Verständnis für ihr Gegenüber gewinnen.

Warum gerade jetzt?

Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, wie es ihn das letzte Mal 1989 anlässlich des Falls des Eisernen Vorhangs gegeben hat (bei dem ich am Wenzelsplatz in Prag dabei sein durfte, damals noch mit Greenpeace gegen tschechische AKWs – siehe Fotos). Heute müssen sich alle Kräfte in der Gesellschaft neu orientieren: Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Daher sind klare Verhältnisse besonders wichtig.

Warum braucht es mehr Transparenz in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und NPOs?

Weil beide – Unternehmen und NPOs – eine Rechtfertigungsverpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit haben. Unternehmen müssen ihr Tun und dessen Konsequenzen heute öffentlich legitimieren – nichts anderes bedeutet Corporate Social Responsibility (CSR). Spätestens seit Social Media haben Unternehmen ohnehin keine Privatsphäre mehr. NPOs hingegen beziehen ihre Legitimation unmittelbar aus der Gesellschaft; vor allem wenn sie den Anspruch auf Gemeinnützigkeit haben. Gemeinnützig heißt eben auch: Der Gemeinschaft offenlegen mit wem ich kooperiere bzw. von wem ich wieviel Geld bekomme. Nur das führt zu Vertrauen und Glaubwürdigkeit – für beide Seiten.

Wie ist denn bis jetzt so das Echo auf die Initiative?

Das Echo bisher war sehr gut. Alle die davon gehört haben, finden die Sache notwendig und richtig. Ein paar große Unternehmen haben zurückgemeldet, dass sie noch etwas brauchen, bis sie den Kodex in ihre Compliance-Regeln integriert haben, weil sie intern einige ihrer Prozesse adaptieren müssten. Aber es ist schon mal ein erster Schritt, dass man beginnt, sich damit auseinanderzusetzen.

Blöde Frage, könnte man diese Initiative auch in der politischen Arbeit einsetzen?

Mehr denn je! Ein wichtiger Auslöser für den Kodex war ja das Ibiza-Video. In diesem war ja davon die Rede, dass man einfach am Rechnungshof vorbei an Parteispenden kommt, wenn man dies über einen gemeinnützigen Verein abwickelt. Einen solchen kann man in Österreich sehr leicht selber gründen. Daran hat sich rechtlich seit Ibiza nichts geändert. Genau deswegen haben wir beschlossen nicht auf Gesetze zu warten, sondern selber aktiv zu werden.

Kann der von euch entwickelte Kodex vielleicht sogar mehr Kooperation zwischen NPOs und Unternehmen ermöglichen?

Davon bin ich überzeugt! Es geht darum Vertrauen zu schaffen. Kooperationen werden sicherer und stabiler, wenn sie transparent gemacht werden. Heute schrecken manche Unternehmen noch zurück: Erstens ist vielen die NPO-Welt immer noch fremd. Zweitens haben viele Unternehmen Bedenken, wie sie mit NPOs kommunikativ umgehen können. Mit dem Kodex sind diese Themen völlig klar geregelt: Jede Bürgerin und jeder Bürger kann auf der Unternehmenswebsite oder im Jahresbericht nachschauen und erfährt, mit welcher NPO das Unternehmen welche Aktivitäten setzt. Damit kann sich jede und jeder ein eigenes Bild machen.

Du hast ja sowohl in der Welt der Unternehmen als auch in der Welt der NPOs gearbeitet. Wo ist der Hebel für Transparenz am stärksten?

Die Herausforderung für Unternehmen echte Transparenz an den Tag zu legen wird immer stärker. Dieser Druck kommt insbesondere von der EU, mit ihren neuen Transparenz-Regeln und -Vorgaben. Darum ist der Kodex in dieser Phase auch für Unternehmen geschrieben – um einen spürbaren Anfang zu setzen. Aber er ist so aufgesetzt, dass man den Kodex leicht für NPOs adaptieren kann – da gibt es auch schon erste positive Reaktionen und Anfragen dazu. Ich bin gerne bereit mitzuhelfen, denn idealerweise müssen alle dieselben Regeln einhalten.

Einer der vielen Auftritte von Gabriele Faber-Wiener in ihrer Funktion als Kommunikationschefin von Ärzte ohne Grenzen (anlässlich des Life Balls in Wien, links: Supermodel Naomi Campbell)

Du beobachtest die Entwicklungen rund um Nachhaltigkeit ja sehr genau. Wo stehen wir da jetzt?

Wir stehen an einem Scheideweg. Das Schlüsselwort ist Transformation – Transformation der Wirtschaft, der Gesellschaft – und natürlich auch der Politik. Ob wir diese Transformation schaffen ist aber noch offen. Derzeit sehe ich Signale in beide Richtungen: Die einen (wenigen), die den Weg in eine nachhaltigere Zukunft forcieren, und die anderen die der Ansicht sind, dass durch Corona die Nachhaltigkeit keine Priorität mehr hat. Letztere sitzen leider nur allzu oft in zentralen Positionen – vor allem in Österreich. Das beweist, dass bei uns CSR und Nachhaltigkeit noch immer nicht gemeinsam mit dem Business gedacht werden; dass Peter Ulrichs „Zwei-Welten-Denken“ nach wie vor präsent ist. Damit einher geht die CSR-Szene, die sich gerne selber auf die Schulter klopft und bestätigt, wie toll sie sei. Das ist nett, bringt uns aber nicht weiter. Wir müssen uns wieder stärker selber in Frage stellen!

Wer ist da eigentlich besonders gefordert. Die Politik, Wissenschaft, Unternehmen, Konsument ….?

Alle sind gleich gefordert. Gerade jetzt ist dieses ping-pong der Verantwortung auch nicht zulässig, dafür fehlt uns die Zeit! Wir haben gerade mal 10 Jahre, um in puncto Klima das Ruder herumzureißen. Diese Zeit mit gegenseitigen Vorwürfen zu verbringen, wer was tun sollte, ist vertane Zeit. Aber genau diese Verschiebung von Verantwortung erlebe ich oft in Diskussionen. Das muss aufhören!

Drei Dinge, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sofort passieren müssen:

  • Green Deal umsetzen
  • Ökologische Steuerreform
  • Echter Diskurs in Österreich über die kommenden Herausforderungen, statt netter Networking-Veranstaltungen der Nachhaltigkeits-Überzeugten

Drei positive Beispiele im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit:

Es gibt sehr sehr viele KMUs und Start-ups, die sehr viel tun – hier nur drei zu nennen wäre zu kurz gegriffen. Allein wenn ich an die jährlichen TRIGOS Einreichungen denke – da sind ganz tolle Unternehmen dabei! Schwierig wird es bei börsennotierten Konzernen, denn die haben einerseits einen großen Hebel und viel Macht, andererseits sind intern alle Prozesse und Rahmenbedingungen – von der Rechtsform bis zu den Incentives im Haus – oft auf Verantwortungsvermeidung ausgelegt. Hier eine echte Transformation zu schaffen ist sehr sehr schwierig.

Wie wird die Welt nach Corona ausschauen? Eine Idee?

Das weiß keiner. Eines ist aber klar: Es gibt kein „Zurück zur Situation vor Corona“. Dazu verändert sich zu viel – im Verhalten, im Denken, im Kommunizieren. Leider ist die Euphorie des letzten Sommers, Corona als Chance zu nutzen, völlig abgeebbt. Momentan steht der Tenor „Wirtschaft retten durch mehr Konsum“ im Mittelpunkt – eine Botschaft die viel zu simplizistisch ist und keine Perspektiven eröffnet. Ich sehe ganz, ganz große Chancen auf vielen Ebenen, aber ich vermisse einen ernsthaften Diskurs über diese Chancen. Der war im Frühjahr/Sommer 2020 sehr wohl da und ich hoffe er kommt wieder. Ich tue jedenfalls mein Bestes dazu. Eine meiner Aktivitäten dazu ist die Online-Veranstaltungsreihe „VBV im Diskurs“, die schon das 8. Mal stattgefunden hat – mit riesigem Erfolg und hunderten TeilnehmerInnen.

Was macht Dich persönlich aus?

Ich bin jemand der an Prinzipien glaubt und auch versucht diese Prinzipien zu leben. Das ist manchmal durchaus anstrengend, das gebe ich zu. Ich könnte es da sowohl mir als auch meinem Umfeld sicher leichter machen, wenn ich weniger fordernd wäre. Aber ich merke gleichzeitig, dass ich mit dieser Haltung andere inspirieren und mitreißen kann. Nämlich indem ich zeige, dass man seine Werte erfolgreich leben kann. Dass Rückgrat und eine klare Haltung am Ende des Tages wichtiger sind als so mancher Kompromiss, den man glaubt, machen zu müssen.

Du bist ja als Lehrende, Buchautorin, Beraterin, Keynote Speakerin, … unterwegs? Gibt es da Bereiche, wo Du Dich am wohlsten fühlst?

Im Grunde bin ich ja eine Rampensau: Ich diskutiere gerne auf Podien, ich halte gerne Vorträge und stelle mich dem Diskurs mit anderen. Auch meine Vorlesungen sind sehr diskursiv angelegt – das funktioniert erstaunlicherweise auch in der Online-Variante sehr gut. Überhaupt unterrichte ich sehr sehr gern. Da habe ich das Gefühl, dass ich oft mehr erreichen kann als in der Beratung, denn die Studierenden sind zumeist viel offener und viel weniger selbstverliebt. Sie sind die ManagerInnen von morgen, das dürfen wir nicht vergessen!

Gabriele Faber-Wiener in reger Diskussion mit ihren Studierenden

Welche Projekte liegen noch in der Schublade?

Ich habe ein Herzensprojekt, das ich schon lange mit mir herumtrage: Einen Diskurszirkel, den ich gründen will, der sich im Rahmen eines echten Diskurses (auf Basis der Sokratischen Gespräche) mit den zentralen Fragen unserer Gesellschaft auseinandersetzt – ohne Druck. Also: Sich einfach nur den Luxus des Denkens leisten! Und ich arbeite seit längerem an meiner Dissertation, aber ich komme nicht weiter, da gerade seit Corona so viele spannende Dinge und Projekte passieren, die ich vorantreiben will und werde. Und ab und zu muss man auch nichts tun – durcharbeiten ist auch nicht gut. Selbst wenn man vom Sinn seiner Arbeit überzeugt ist. Im Gegenteil, gerade da ist die Gefahr groß, dass man den Kopf gar nicht mehr frei kriegt.

Was würde der Welt abgehen, wenn es Dich nicht geben würde?

Ein Mensch, der den Finger in Wunden legt, der hinterfragt und unbequem ist. Aber da gibt es dann sicher andere, die diesen Platz einnehmen – ich sehe mich ganz sicher nicht als Nabel der Welt.

Wer sind Deine wichtigsten Unterstützer?

Mein Mann, meine Familie, meine Freunde – sie bringen mich auf den Boden. Vor allem meine Söhne können das Wort „Ethik“ nicht mehr hören, und das ist auch ok so. Ich glaube, dass vor allem meine Studierenden viel mitnehmen. Ich bekomme teilweise Jahre nach der Vorlesung noch E-Mails von Studierenden, die sagen, dass ich ihre Berufswahl und damit ihren Berufsweg entscheidend beeinflusst habe. Das freut mich ungemein!

Wie startest Du in den Tag? Gibt es „Rituale“ die Du umsetzt?

Mit einem guten Frühstück, für das ich mir auch Zeit nehme. Mein Mann rennt immer ohne aus dem Haus, das könnte ich nicht.

Im Home Office während der Corona-Krise

Was braucht ein Tag um perfekt zu sein?

Viel Sonne, gute Gespräche, ein Stück neues Wissen, und eine Stunde im Freien – um durchzuatmen und auf den Boden zu kommen!

Hast Du für unsere LeserInnen eine Buchempfehlung, einen Web-Tipp, einen Tipp für einen inspirierenden Platz, ….?

Ich bin begeisterte Leserin der ZEIT – auch wenn sich die Ausgaben manchmal stapeln weil ich es nicht schaffe. Da nehme ich mir dann oft den Urlaub her, um sie abzuarbeiten. Und ich schätze brand eins – es ist eines der besten Magazine, die ich kenne – kritisch, gut geschrieben und fundiert recherchiert, gleichzeitig sehr unterhaltsam. Leider ist es kein Zufall, dass beides deutsche Publikationen sind.

Wen sollten wir noch für „way to passion“ interviewen?

Das Team von Setup in Innsbruck – eine junge Truppe mit ganz viel Engagement

Zu guter Letzt: Kurze Fragen – kurze Antworten!

Zick-Zack Lebenslauf oder geradlinige Karriere?
Im Nachhinein betrachtet ziemlich geradlinig, da ich einen klaren roten Faden sehe. Zugleich total bunt – ich möchte keine Station missen, schon gar nicht die wilde NGO-Zeit. Und ich habe nichts davon geplant. Es ist alles passiert.

Arbeiten bedeutet für mich …
… denken, reflektieren, lernen, diskutieren, Fehler machen, wieder aufstehen – manchmal mühsam, aber meistens schön!

Leidenschaftlich gerne …
… arbeite ich im Garten – je erdiger die Hände, desto wohler fühle ich mich. Und ich bin eine leidenschaftliche Handwerkerin und brauche immer irgendwelche Projekte!

Lieblingsort zum konzentrierten Arbeiten?
Die Bank vor unserem Teich im Garten – das WLAN reicht bis dorthin

Auf meinem Smartphone Home Screen ist zu sehen …?
Immer ein Bild von unserem letzten Urlaub – Corona-bedingt ist es derzeit ein Foto vom zugefrorenen Gartenteich (s.o.)

Um abends abzuschalten …
… ziehe ich mir manchmal einen kitschigen Film rein – da muss ich nicht nachdenken, und die Welt ist in Ordnung!

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