Gaia X: Hoffentlich funktioniert Europas Airbus-Trick noch einmal
Ab 1965 haben sich über die Jahrzehnte europäische Flugzeughersteller wie Messerschmitt, Fokker, CASA oder British Aerospace zusammen geschlossen, um ein Gegengewicht zu den US-Produzenten Boeing und McDonnell Douglas (gehört heute Boeing) zu schaffen. Es dauerte bis 2019, bis Airbus den US-Konkurrenten Boeing als Marktführer ablösen konnte.
Kann Europa das noch einmal schaffen? Zwar nicht mit Flugzeugen, aber zumindest geht es auch um Wolken. Denn mit Gaia X wollen Frankreich und Deutschland gemeinsam den Grundstein für eine europäische Cloud legen, die die starke Abhängigkeit von den US-Anbietern Amazon (Web Services), Microsoft, Google beenden soll. Vor allem Behörden und deren E-Government-Anwendungen sollen bei Gaia X laufen, aber auch europäische Unternehmen sollen die EU-Cloud als Alternative zu den US-Diensten verwenden können.
Von Atos bis SAP
Heute, Donnerstag, haben der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire 22 Unternehmen vorgestellt, die gemeinsam eine Non-Profit-Organisation in Belgien für die Koordination gründen. Zu dem Unternehmen gehören Amadeus, Atos, Beckhoff Automation, Bosch, der deutsche Internetknoten De-Cix, die Deutsche Telekom, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Friedhelm-Loh-Gruppe, PlusServer, Orange, SAP und Siemens. Drum herum gibt es eine Geflecht aus Zulieferern und Kooperationspartnern – und da fallen wiederum die Namen Amazon, Microsoft und IBM.
Denn ohne die US-Riesen geht es offenbar nicht. So wird AWS, der große Marktführer aus Seattle, Daten bereitstellen, und auch Microsoft und IBM haben nach anfänglicher Ablehnung Interesse bekundet, dass sie bei Gaia X mitmachen möchten. Kein Widerspruch, findet Altmaier, weil sich Firmen weltweit an dem Projekt beteiligen können sollen, dass nach europäischen Regeln und Werten ticken soll. Und auch kein Wunder, dass Amazon und Co mit dabei sein wollen, immerhin ist für sie der Weg nach China schwer bis unmöglich und Europa nach wie vor der wichtigste Markt nach den USA.
Ö-Cloud im Anflug
Auch die österreichische Wirtschaftsministerium Margarete Schramböck hat bereits verkündet, eine Ö-Cloud mit Hilfe von 13 Datencenter-Betreibern (darunter A1, Atos, T-Systems, Anexia, Interxion) bilden zu wollen, die an Gaia X andocken kann. Auch in Österreich soll es wiederum Gespräche mit Microsoft und IBM geben. Denn gerade Microsoft ist für die Verwaltung wichtig, weil es essenzielle Software bereitstellt.
Überzeugt sind nicht alle von den EU-Bestrebungen, die bereits Anfang 2021 erste Früchte tragen sollen. So hat etwa die deutsche Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) vor kurzem verkündet, ein eigenes deutsches Cloud-Angebot. Man wolle nicht auf Gaia X warten, hieß es. Wird Europa es also schaffen, eine eigene Cloud-Industrie, eigene Server-Riesen auf de Beine zu stellen? Eine Bereicherung für den Markt wäre es, doch dauern wird es wohl viele Jahre.
Ein wichtiger Punkt wird das zur Verfügung stehende Kapital sein. Die EU-Kommission in ihrer neuen Digitalstrategie Anfang des Jahres ebenfalls skizziert, „Cloud-Infrastrukturen von Weltrang zum Wohle der Allgemeinheit“ aufbauen zu wollen – und dafür Finanzmittel in Höhe von insgesamt 4 bis 6 Mrd. Euro mobilisieren zu wollen. Gaia X ist aber ein Kind der beiden Kern-EU-Staaten Deutschland und Frankreich – und wird nun auch vor der Herausforderung stehen, alle anderen EU-Länder und deren Unternehmen zu überzeugen.
Währenddessen zeigt ein Blick in die Statistik, wo das Geld der Cloud zu Hause ist: