Uhren

Gegen den Zeitgeist: Wie Holzkern erfolgreich Scale-up-Business betreibt

Elias Ferihumer hat Holzkern gegründet. © Holzkern
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Uhren ohne Hightech, eine Kette von Offline-Geschäften – und keine Investor:innen? Kann man so 2023 überhaupt noch erfolgreich Scale-up-Business machen? Ja. Holzkern-Gründer Elias Ferihumer hat zwischen Floridsdorf und Shenzhen die Antithese zur Apple Watch geschaffen – und einen der ­spannendsten Hidden Champions Österreichs.

Dieses Interview stammt aus unserem neuen Magazin „Retail Startup Report 2023“. Das 50-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.

Draußen in Floridsdorf, wo sich Wien nicht mehr wie Wien, sondern wie Niederösterreich anfühlt, hat sich jahrelang ein Hidden Champion versteckt. In dem Flächenbezirk nördlich der Donau geht es ruhig zu, die Nähe zur Autobahn hat Reifen-, Auto-, Papier- und Altmetallhändler und schließlich auch den Möbelriesen an die Autokaderstraße angelockt, um dort ihre Warenhäuser hinzustellen. Zwischen ihnen würde man nie aktiv nach einem österreichischen Scale-up mit Unicorn-Potenzial suchen, aber man kann es finden: Die Time For Nature GmbH, besser bekannt unter der Marke Holzkern. Denn von Floridsdorf aus versendet das Unternehmen von Gründer Elias Ferihumer Uhren aus Holz und ein darum gewachsenes Portfolio aus Schmuck, Handtaschen oder Sonnenbrillen in die ganze Welt. „Wir haben die Logistik immer selbst gemacht. Wir müssen in Stadtnähe sein, damit wir Leute bekommen, aber wir brauchen auch genug Fläche, und die muss auch leistbar sein. Und da ist quasi dann die Wahl auf Floridsdorf gefallen, und da sind wir bis jetzt sehr happy“, erzählt Ferihumer über den ungewöhnlichen, aber letztendlich auch logischen Standort für seine Brand.

Ferihumer, selbst aus Oberösterreich, gründete Holzkern 2016 im Heimatbundesland als One-Man-Show, die erste Mitarbeiterin war seine Schwester. Nach Wien kam er dann fürs WU-Studium, nach einigen Zwischenstationen siedelte er sich dann eben im Norden Wiens an. Holzkern, selten bis gar nicht auf Bühnen oder in Medien zu finden, wuchs in dieser Zeit auf eine Millionen Kund:innen weltweit, mit 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Wer aber denkt, dass dieses Geschäft mit Hilfe der E-Commerce-Plattformen rein digital abläuft, der irrt. Ferihumer hat das heute gängige und beliebte „Direct to Consumer“-Modell (D2C) in der Unternehmens-DNA verankert. Und zwar so stark, dass Holzkern im gesamten DACH-Raum zehn Ladengeschäfte selbst betreibt, um den eigenen Produkten eine echte Offline-Heimat zu bieten.

Anstatt sich also auf Amazon oder Handelsketten zu verlassen, die seine Uhren und Co. listen, setzte Ferihumer früh auf vertikale Integration – und sollte mit dem ungewöhnlichen Weg Recht behalten. „Wenn man wirklich das Storytelling und wie man die Marke darstellen will, voll von A bis Z kontrollieren kann, dann ist es sehr viel wert, auch für die Kunden-Experience“, sagt Ferihumer. „Wenn man die Verkaufsfähigkeit von den Produkten anderen überlässt und der macht dann vielleicht mal im Sommer drei Monate Urlaub, dann kann man nicht steuern. Deswegen haben wir diese Direct-to-Consumer -Komponente, und die wollen wir wirklich online und offline stark forcieren.“

Holzkern: Antithese zur Apple Watch

Holzkern ist es so über die Jahre gelungen, eine Antithese zur Apple Watch zu schaffen. In einer Zeit, in der Digitalisierung, Displays und Apps die Uhrenwelt eroberten und Apple alleine die komplette Schweizer Uhrenindustrie überholte, hat Ferihumer sich seine eigene Marktnische geschaffen. „Unser USP ist, dass durch die natürlichen Materialien wirklich jedes Stück zu einem Unikat wird“, sagt Ferihumer. „Das spricht unsere Kund:innen sehr an, weil sie wirklich ein einzigartiges Stück Natur, wie wir sagen, mit sich tragen.“ Die Idee, Holzuhren zu bauen, ist dabei kein Unikat. Wer schon einmal auf der Webseite des chinesischen E-Commerce-Riesen Alibaba nach Brands wie „Bobo Bird“ sucht, wird sehen, dass es solche Produkte auch anderswo gibt. Die China-Connection leugnet Ferihumer auch nicht. Ganz im Gegenteil: Die Mega-Metropole Shenzhen nahe Hongkong, die zum Silicon Valley Asiens wurde, ist tatsächlich eine der Hauptquellen für die Holzuhren geworden.

Den Weg dorthin fand Ferihumer auf einer Weltreise. Er hatte damals 20.000 Euro Startkapital, war im Sales tätig und wollte immer gründen. Auf der Reise durch Asien fand er schließlich die Wurzel des heutigen Geschäftsmodells. Dass er frühzeitig den Kontakt zu den lokalen Produzenten in Shenzhen aufbaute, ist heute Gold wert. Es gibt durchaus einige Horror-Storys von Startups, die glaubten, günstig in China produzieren und teuer im Westen verkaufen zu können. Doch nachdem sie das erste „Golden Sample“ (also einige wenige funktionierende Waren) bekamen, wurden sie dann später mit großen Mengen mangelhafter Ware beliefert – tödlich für so manches Geschäft. Doch über die Jahre hat es Holzkern geschafft, eine verlässliche Produkt-Pipeline aus Shenzhen aufzubauen.

Die China-Connection

„Da hat es auf jeden Fall begonnen. Da haben wir einen ersten Partner gefunden, der meine ersten Designwünsche umsetzen konnte. Wir haben dann noch drei coole weitere Partner in der Region und dann im weiteren Verlauf auch in Polen noch einen anderen Partner gefunden.“ Aus diesen Quellen kommen die Holzkern-Produkte nach Österreich, und dann wird in die gesamte Welt geliefert. Dabei haben sich Deutschland und die USA zu den stärksten Märkten entwickelt. Der Holzkern-Marke ist Ferihumer dabei immer treu geblieben. Zwar gab es durchaus die Frage, ob ein deutscher Name im US-amerikanischen Markt funktionieren würde, doch die Überlegung, eine englische Zweitbrand ins Leben zu rufen, wurde schnell aufgegeben.

Ferihumer, nach wie vor Alleineigentümer seines eigenen Unternehmens, ist einer der wenigen Bootstrapping-Meister Österreichs. Bedeutet: Er ist bis dato ohne Investorengeld ausgekommen und schaffte es, unter dem Radar ein 40-Millionen-Euro-Business aufzubauen. „Mir war Profitabilität und Nachhaltigkeit wichtig, und dass ich auch keine externe Abhängigkeit habe“, sagt der Gründer. „Ich habe halt immer Wert darauf gelegt, dass die Zeit dort reingeht, wo Wert geschaffen wird.“ Auch deswegen hätte er selten die Öffentlichkeit gesucht. Ferihumers großes Talent ist das Storytelling und Marketing, das reizte ihn schon früh, und man spürt es am gesamten Markenauftritt.

Eines seiner wichtigsten Bücher, die er empfiehlt, heißt so auch wenig überraschend „The 22 Immutable Laws of Marketing“. „Uhren sind ja keine Produkte mehr, die wegen der Funktionalität einer Zeitanzeige gekauft werden. Das war früher vielleicht so. Aber mittlerweile verbinden Menschen gewisse Gefühle damit oder wollen sich damit ausdrücken. Das ist generell im Fashionbereich so, und da ist eine Marke sehr wertvoll“, sagt Ferihumer. Mit Hightech haben seine Produkte, entgegen dem allgemeinen Trend, nichts zu tun. „Man muss nicht immer mit dem Strom schwimmen, sondern man kann auch Produkte machen, wo sich die Welt in eine andere Richtung bewegt, und es kann trotzdem gut funktionieren.“ Deswegen passt es ins Bild, dass Holzkern schon sehr früh darauf setzte, eigene Offline-Stores zu eröffnen – in einer Marktphase, in der rund um Amazon, Shopify und Co. jedes Jahr E-Commerce-Zuwächse bejubelt wurden.

Von Designer-Märkten zu Pop-up-Stores

„Wir haben das Step by Step gemacht. Zuerst kam der Online-Store im Februar 2016. Dann schon kamen so unsere ersten Stände auf Designer-Märkten, wie Edelstoff. Wir haben unsere Produkte in Reisekoffer gepackt, ein Uber bestellt und sind so zu den Messen gefahren“, erzählt Ferihumer. „Nachdem wir die ersten Erfahrungen bei Design-Märkten hatten, kam ein erster Pop-up-Store, auf einer ganz kleinen Fläche im Stadtzentrum. Dort habe wir dann die Miete verlängert. Wir mussten immer aus einem Euro zwei machen, wie man es halt beim Bootstrapping macht.“

Trotzdem stammt derzeit der Großteil des Umsatzes noch aus dem Online-Handel. Ferihumer will aber die Ladengeschäfte ausbauen und den Offline-Umsatz erhöhen. Auch er kennt die Grafiken, wie sie etwa Shopify-CEO Tobias Lütke im Sommer 2022 veröffentlicht hat. Die Grafik zeigt eine seit 2000 stetig wachsende Kurve, natürlich stellt sie den E-Commerce dar. Dann folgt 2020 eine Spitze nach oben – die Corona-Lockdowns haben zugeschlagen und treiben das Online-Geschäft noch einmal schlagartig nach oben. Dann aber die Ernüchterung, die Kurve fällt wieder ab, das Wachstum ist vorerst vorbei. Am Markt äußerte sich diese Entwicklung unter anderem in Massenkündigungen bei Amazon, Shopify und Co., und die vorher gerne erzählte Geschichte der beschleunigten Digitalisierung hört man seit Mitte 2022 nicht mehr.

Stattdessen scheint Offline-Handel wieder sexy zu sein. Holzkern ist nur eines von mehreren Scale-ups bzw. sehr digitalen Unternehmen aus Österreich, die auf eigene Shops setzen. Auch Waterdrop, markta oder sogar die Mobilfunkmarke spusu haben damit begonnen, eigene Ladengeschäfte zu eröffnen. „Unsere absoluten Top-Wachstumsmärkte sind USA oder Frankreich, die auch sehr zukunftsträchtig sind von der Größe her, da können wir uns wirklich noch weiterentwickeln. Das ist momentan der Fokus und da bin ich jetzt eh froh, dass wir diese turbulenten Jahre mit Corona und dem Krieg in der Ukraine, die sich sehr natürlich auch sich ausgewirkt haben, gut durchschifft zu haben und wir jetzt in die Zukunft schauen können“, so der Holzkern-Gründer. Der Offline-Kontakt in einem Laden ist etwas, das nicht nur die Konsument:innen schätzen, sondern auch die Unternehmer:innen. Man bekomme einfach ein besseres Gefühl für die Kund:innen, wenn man sie in Fleisch und Blut vor sich stehen hat, anstatt ihre Klicks bloß als Ziffern in einem Online-Shop–Analysetool zu beobachten. Das könnte auch die enorme Kundentreue erklären, die einige Holzkern-Käufer:innen an den Tag legen. „Es gibt einen Topkunden, der hat über 100 Produkte von uns und hat sich eine eigene Holzkern-Wall daheim gemacht“, so Ferihumer. „Und nein, das ist kein Influencer, dem wir das irgendwie geschenkt haben, sondern einfach ein großer Fan von uns.“

-> Retail Startup Report 2023 lesen

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