„Geistiges Eigentum muss man nicht nur generieren, sondern vor allem verwerten“
Es sind Fragen, die bei Investoren und Business-Angels zum Standard-Repertoire gehören, wenn sie Interesse an einem Startup haben – Habt ihr eine IP? Habt ihr Patente? Habt ihr einen USP? Wie sichert ihr Euer Know-How ab? Startups wissen zwar, dass der Schutz des geistigen Eigentums einer der wichtigsten Punkte ist, will man mit einem Produkt oder einer Dienstleistung erfolgreich sein, sprich, Geld verdienen. „Aber bei der ökonomischen Verwertung geistigen Eigentums haben österreichische Kleinunternehmen und auch Startups enormen Nachholbedarf“, sagt Marlis Baurecht, Leiterin der Geschäftsfelder Entrepreneurship, Schutzrechte und Seedförderungen bei der aws (Austria Wirtschaftsservice GmbH). „Geistiges Eigentum muss man nicht nur generieren, sondern man muss es vor allem verwerten“
Der Wissensvorsprung muss finanzielle Vorteile bringen
Sich über das Schutzrechtsmanagement Gedanken zu machen, macht vor allem wirtschaftlich Sinn. „Im Kern geht es darum, wie Verwertungsstrategien nachhaltig ins Geschäftsmodell integriert werden können“, sagt Baurecht. „Patente müssen in Produkte umgesetzt und das geistige Eigentum entsprechend wirtschaftlich genutzt werden.“ Man müsse sich nicht nur überlegen, welchen Markt man erschließen will, sondern auch, ob es bereits ähnliche Produkte bzw. Dienstleistungen gibt. „Wir schauen uns auch an, wie man den Wissensvorsprung absichern kann, also wie man verhindern kann, dass etwas nicht kopiert wird.“ Bei der aws gibt es allein 20 Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Branchen, die ein Unternehmen nach „verwertbarem“ Know-How scannen, um danach gemeinsam mit dem Unternehmen Strategien entwickeln, wie man dieses schützen kann. Insbesondere die Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang ein herausforderndes Thema, da klassische Schutzinstrumente wie Patente oftmals – aus unterschiedlichen Gründen – nicht zielführend oder möglich sind.
Bei IP ist Österreich top, in der Verwertung besteht noch Luft nach oben
Bei der Generierung von IP ist Österreich grundsätzlich erfolgreich und belegt im Innovation Union Scoreboard 2016 den 9. von 36 Plätzen. Das Ranking vergleicht die Anzahl der internationalen Patentanmeldungen . So weit so gut. Bei der Verwertung dieser Patente nutzen österreichische KMU ihre Potenziale allerdings zu wenig. Diese „Verwertungsschwäche“ ist empirisch belegbar und im „Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs“ des Austrian Council 2015 dokumentiert; bei beiden wichtigen Parametern „Auslandsbesitz Patente“ (Standortqualität) und „technologische Bedeutung Patente“ gibt es eine negative Entwicklung. Bei den Lizenz- und Patenterlösen aus dem Ausland liegt man deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Baurecht: „Es besteht in Österreich ein Defizit an Strukturen, um die Verwertung von IP nachhaltig in der Wirtschaft zu verankern.“ Nur ein verschwindend geringer Anteil der Unternehmen beschäftigen sich aktiv mit dem Thema „Geistiges Eigentum“, der Rest vernachlässigt dieses Thema auf Grund von fehlendem Wissen und lässt in Folge Einnahmen liegen.
Man müsse beim geistigen Eigentum alle möglichen Szenarien bedenken und sich umschauen, wo es ähnliche Ideen gibt oder Überschneidungen mit bereits auf dem Markt erhältlichen Produkten. Ein gelungenes Beispiel, wie man geschickt Geld verdienen kann, obwohl man kein Patent auf eine Innovation hat, sei der Pharmariese Pfizer. Baurecht: „Als Viagra auf den Markt gekommen ist und das Patent angemeldet hat, wurde dieses von einigen Pharmaunternehmen reklamiert“, schildert Baurecht. Der Patentantrag wurde Jahre später zwar abgelehnt, allerdings hatte sich Viagra bereits als erfolgreiche Marke etabliert und hatte einen Marktanteil von etwa 80 Prozent.
Innovationen müssen abgesichert sein
Innovationen, die Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen gegenüber jenen der Konkurrenz differenzieren, müssen strategisch abgesichert werden. „Das ist die Voraussetzung für den kommerziellen Erfolg“, sagt Baurecht. „Nur so kann sich ein Unternehmen nachhaltig am Markt positionieren und sich gegen Konkurrenten durchsetzen.“ Sowohl etablierte Unternehmen als auch Startups müssten daher neue Geschäftsideen, Produkte und Technologien rasch in tragfähige Geschäftsmodelle umsetzen, um nicht von Mitbewerbern vom Markt verdrängt zu werden.
„Wir sind auf vielen internationalen Messen, wo wir deren Technologie anbieten. Wir helfen dabei, Entwicklungen österreichischer Unternehmer zu lizenzieren und wir sind sogar bei IP-Speed-Datings dabei – in 30-Minuten-Slots werden dabei Technologien vorgestellt, auf die das eine oder andere Unternehmen anspringt. „Warum wir das alles können? Wir haben in der aws ein Portfolio von etwa 25.000 Unternehmen und wissen, was sich abspielt. Wir erkennen Trends.“
IP-Förderungsprogramme der aws
aws discover.IP
In einer Erhebung des bestehenden geistigen Eigentums, des Know-how werden die Chancen und Risken der verschiedenen Schutzrechtsformen für das jeweilige Unternehmen besprochen und kundenangepasste Informationen und Optionen im Zuge eines schriftlichen Berichts aufgezeigt. Diese Serviceleistung wird in Kooperation mit dem Österreichischen Patentamt durchgeführt. Pro Jahr sind das etwa 100 Projekte.
aws IP.Coaching
Das Förderungsprogramm unterstützt KMUs bei der Entwicklung und Implementierung einer maßgeschneiderten Strategie zur Nutzung des geistigen Eigentums (IP-Strategie). Die nachhaltige IP-Strategie wird mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens und dem Unternehmensumfeld (Markt, Mitbewerber, Partner, Technologien etc.) abgestimmt. Das Programm umfasst AWS-Beratungsleistungen (Potenzialanalyse sowie Coaching für IP-Strategieentwicklung) und Zuschüsse (Implementierung der IP-Strategie). Pro Jahr werden 45 Potenzialanalysen und 15 Coachingprojekte inkl. Zuschüsse durchgeführt.
aws IP.Market
Dieses Förderungsangebot hilft KMU sowie technologieentwickelnden Forschungseinrichtungen kunden- und marktorientiert bei der Verwertung ihres geistigen Eigentums (langfristig strategisch wichtige Zukunftstechnologien) außerhalb des Unternehmens (Lizenzierung) bzw. außerhalb der Forschungseinrichtung (Fremdverwertung). Das Programm umfasst aws-Beratungs- (Potenzialanalyse) und Vermarktungsleistungen sowie Zuschüsse. Jährlich werden 45 Potenzialanalysen und 15 Vermarktungsprojekte inkl. Zuschüsse realisiert.
aws License.IP
Dieses Förderungsprogramm unterstützt KMU bei der Suche nach externen technologischen Lösungen in Ergänzung zu deren Kerntechnologie sowie bei der Lizenzvermittlung, um den Unternehmen einen Zeitvorsprung für den Markteintritt („time to market“) zu generieren. Das Programm umfasst aws-Beratungsleistungen (Technologiesuche, Lizenzvermittlung) und Zuschüsse für das Einlizenzieren. Pro Jahr gibt es 15 Technologiesuchen und 10 Vermittlungsprojekte inkl. Zuschüsse.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit der #glaubandich-Challenge.