3D-Seismik Messung

Geothermie: Brodelnder Wasserspeicher unter Wien entdeckt

Unter Wien wird ein Heißwasservorkommen vermutet ©
Unter Wien wird ein Heißwasservorkommen vermutet ©pixabay
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Österreich will bereits 2040 die Klimaneutralität erreichen. Das gleiche Ziel gilt auch für die größte Stadt des Landes. Eine vor wenigen Wochen veröffentlichte Studie des internationalen Wirtschaftsberatungsunternehmen Compass Lexecon im Auftrag der Wien Energie hat dabei in verschiedenen Szenarien aufgezeigt, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Dabei kamen sie unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Klimaneutralität volkswirtschaftliche Gesamtinvestitionen zur Dekarbonisierung in den Sektoren Stromerzeugung, Wärme und Mobilität von insgesamt 21,2 Milliarden Euro benötigt. Davon für den Bereich Wärme inklusive thermische Sanierung, den Wechsel der Heizungssysteme und den Fernwärmeausbau allein mehr als 18 Milliarden Euro.

Nutzung von Erdwärme in Wien untersucht

Wien will einerseits das Fernwärme-Netz ausbauen, setzt aber auch stark auf Geothermie und die Nutzung betrieblicher Abwärme. Bereits das im Sommer 2020 abgeschlossene Forschungsprojekt AnergieUrban untersuchte, wie Wien auf Erdwärme umgestellt werden kann. Technisch sei das machbar, so das Ergebnis der Untersuchung, die vom ÖGUT, der TU Wien und dem Architekturbüro Zeininger im Auftrag von Klimaschutzministerium und der Stadt Wien durchgeführt wurde. Der Fokus lag dabei auf sogenannter Anergie.

Geht es um den Bereich Heizen steht der Begriff für die Form der Energie, deren Temperatur zu niedrig ist, um direkt zu heizen oder Warmwasser zu erzeugen. In Verbindung mit anderen Wärmequellen kann die natürliche Wärme des Bodens aber genutzt werden. Konkret geht es um den Umstieg von Gasheizungen auf Solar-Erdwärmesonden-Wärmepumpen-Systeme. Dafür ist Platz notwendig, denn Erdwärmesonden reichen rund 100 Meter unter die Erde. Dadurch soll Winterkälte für das Kühlen im Sommer und die Sommerwärme für das Heizen im Winter gewonnen werden.

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Thermalwasserreservoir in 3.000 Meter Tiefe

Mit deutlich größeren Tiefen beschäftigt sich das Forschungsteam des GeoTiefWien. Seit 2016 forscht die Wien Energie gemeinsam mit dem AIT, der Geologischen Bundesanstalt, Geo5, Heinemann Oil (HOL), der Montanuniversität Leoben OMV, der RAG Austria AG, der Universität Wien, der Universität Salzburg und der Zentralanstalt für Meteorologie. Gemeinsam haben sie den geologischen Untergrund im Großraum Wien auf ein mögliches potenzial für Tiefengeothermie untersucht und, einer aktuellen Aussendung nach, vielleicht auch gefunden: In rund 3.000 Metern Tiefe brodelt ein Heißwasservorkommen, das sogenannte Aderklaaer Konglomerat.

Um das Potenzial unter den Füßen Wiens zu untersuchen, hat das Team per 3D-Seismik Messungen durchgeführt, bei welcher 2017 auf einer Fläche von rund 175 Quadratkilometern 16.000 kabellose Sensoren ausgelegt wurden, so die Wien Energie. So konnten die seismischen Reflexionen aus dem Untergrund aufgezeichnet werden, welche durch Schwingungen durch spezielle Fahrzeuge ausgelöst wurden.

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Anhand dieser Daten konnte das Team anschließend ein 3D-Modell des Wiener Untergrunds erstellen. Auf Basis dessen wurde das Team auf das Aderklaaer Konglomerat aufmerksam. Laut den aktuellen Angaben liegt das  Thermalwasserreservoirs in einer Tiefe von rund 3.000 Metern und könnte sich mit einer Wassertemperatur von bis zu 100 Grad Celsius für die Nutzung für die Wiener Fernwärme eignen. Die Analysen dazu würden ein Potenzial von bis zu 120 Megawatt thermischer Leistung ergeben, so die Wien Energie.

„Unter Wien schlummert ein riesiges Wärmevorkommen! Dieses wollen wir in Zukunft für die Wärmeversorgung nutzen. Mit dem 3D-Modell haben wir jetzt ein detailliertes Bild vom Wiener Untergrund in der Hand und können uns an die Planung von konkreten Projekten machen. Bis 2030 wollen wir bereits bis zu 125.000 Haushalte mit Wärme aus der Tiefe versorgen können!“, so Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung.

Aufwändige Energieform

Auch wenn die Umwelteffekte von Geothermie laut dem deutschen Umweltbundesamt lokal begrenzt und technisch beherrschbar sind, existieren bei dieser Form der Energiegewinnung dennoch mögliche Schwierigkeiten Laut dem Naturschutzbund Nabu sind Erdbohrungen für Geothermie noch sehr aufwändig – bis zu zwei Kilometer tief muss etwa in Deutschland und Mitteleuropa gebohrt werden. Diese Bohrungen können in manchen Fällen starke Auswirkungen auf die Umgebung haben. So kam es gegen Ende der 2000er-Jahre in Deutschland Medienberichten zufolge nach Erdwärmebohrungen etwa zu massiven Gebäudeschäden. An einigen Standorten kam es durch Betrieb von Geothermie-Kraftwerken bereits zu kleinen Erdbeben. Daher benötigt es vorher entsprechend genaue Voruntersuchung der Gegebenheiten.

Energieexpert:innen betonen, dass die Energieform prinzipiell sicher ist und eine klimafreundliche Energieform darstellt. Von daher rückt sie als Alternative zu anderen Formen der Erneuerbaren Energien immer weiter in den Fokus und an ihrem Ausbau wird geforscht. Noch ist sie in Österreich allerdings eine Nischentechnologie.

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Ob sich Vorhaben der Wien Energie bewahrheiten wird, wird sich noch zeigen. Denn 100-Prozent sicher ist die Erkenntnis des Heißwasservorkommens noch nicht. Bis zum Frühjahr 2022 sollen daher neben ersten Planungen, weitere Forschungen durchgeführt werden. Auch planen die Beteiligten eine Erkundungsbohrung. Danach wird die Entscheidung für oder gegen eine Geothermie-Anlage über dem Aderklaaer Konglomerat fallen und somit gewiss sein, ob es tatsächlich an Ort und Stelle brodelt.

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