Gesundheitsbus: Ein Linienbus bringt die rollende Hausarztpraxis auf das Land
Mit der „Landarztquote“ haben die einzelnen Landesregierungen in Deutschland nun eine weitere Möglichkeit, die ärztliche Versorgung am Land sicherzustellen. Bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze können über diese vergeben werden. Wer sich für einen solchen Studienplatz bewirbt, verpflichtet sich dazu, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für mindestens zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in einer hausärztlich unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Region tätig zu sein.
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Linienbus verwandelt zu einer Arztpraxis
Fakt ist allerdings: Wer heute mit dem Studium anfängt, ist morgen noch kein:e Arzt/ Ärztin. Daher können auch weitere Ideen zu einer schnelleren Unterstützung der medizinische Versorgung in ländlichen Regionen nicht schaden. Eine davon ist der „Gesundheitsbus „, welcher aktuell im Rahmen des Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress
Der Gesundheitsbus ist ein extra für die Allgemeinmedizin umgebauter Linienbus. Die IT-Infrastruktur stellt das Technologieunternehmen Cisco Systems. Der Eintritt erfolgt bei der Fahrertür, von dort aus geht es zur Anmeldung. Die Sprechstundenhilfe hat dabei auch Zugriff auf einen Online-Dolmetscher. Innerhalb weniger Minuten verbindet das System zu einer/m ausgebildeten/m Dolmetscher:in, welche:r via Videocall unterstützt. Für 27 Sprachen kann dieser Service aktuell angeboten werden.
Nach dem Wartebereich wartet mittig ein Behandlungsraum mit Liege, begleitet von einer Umkleidekabine. Im hinteren Teil des Busses ist anschließend ein Labor, für Blutabnahmen beispielsweise, inklusive Kühleinrichtungen, und ein Ärztezimmer. Hier ist ein weiterer Arbeitsplatz eingerichtet, über welchen die Mediziner:innen sowohl den Dolmetscher-Service als auch bei Bedarf telemedizinische Beratungen von Fachärzt:innen per Videokonferenz in Anspruch nehmen können.
Seit 2018 in Deutschland unterwegs
Der Gesundheitsbus ist bereits seit 2018 unterwegs auf den deutschen Straßen, so der für Cisco-Digitalisierungsprojekte in Österreich verantwortliche Peter Schuller. Den Anfang hatte die rollende Praxis bereits 2016 in einer Garage, in welcher ein Mitarbeiter von Cisco und ein Mitarbeiter von DB Regio anfingen, einen ausrangierten Linienbus umzubauen.
Aus diesem Garagenprojekt sind inzwischen zehn rollende Arztpraxen entstanden, die Busse werden von DB Regio zur Verfügung gestellt, die digitale Grundausstattung der Fahrzeuge kommt von Cisco Systems. Für welchen medizinischen Einsatz genau der Bus unterwegs ist, obliegt den Wünschen des Auftraggebenden. Eine Möglichkeit wäre der Einsatz für die betriebsärztliche Versorgung direkt bei Unternehmen. Eine andere Möglichkeit wurde in Berlin Anfang Mai umgesetzt. Temporär ist ein solcher Bus für die medizinische Erstversorgung von geflüchteten Kindern aus der Ukraine unterwegs. Schullers Wunschszenario ist grundsätzlich der Einsatz als „rollende Hausarztpraxis“ über das kassenärztliche System. In Deutschland sei eine solche Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen bereits geglückt.
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Start in Österreich noch unklar
Das soll auch in Österreich bestenfalls entsprechend umgesetzt werden. Wie Cisco Systems auf Anfrage angibt, soll der Gesundheitsbus „eine Ergänzung des heutigen öffentlichen Gesundheitssystems sein“. Daher sehen sie auch die Finanzierung „aus diesem Sektor kommend.“ Mit potenzialen Partnern in Österreich seien sie bereits im Gespräch, Interesse sei da. Aber es ist nicht ganz einfach, wie Schuller im Gespräch angibt, helfen soll nun auch die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Bus während des Gesundheitswirtschaftskongress
16 Photovoltaik-Panele am Dach
Auf Nachfrage seitens Tech & Nature zur Versorgungslage am Land und möglichen mobilen Lösungen gibt die Gesundheitskasse (ÖGK) an, dass „die gute Gesundheitsversorgung mit Kassenärzt:innen in Österreich bis in die ländlichen Gebiete“ reiche. „Im Fachbereich Allgemeinmedizin sind am Land 98,4 Prozent der Stellen besetzt, im urbanen Bereich sind es 98,0 Prozent. Bei Fachärzt:innen liegen die Werte mit 97,5 bzw. 98,4 Prozent ähnlich nah beieinander“, gibt die ÖGK zu der Versorgungslage an. Österreichweit gebe es ein sehr dichtes Kassenärzte-Netz. „Durch die Möglichkeiten im Bereich der Telemedizin können Ärztinnen und Ärzte noch besser erreicht werden. Eine mobile Lösung käme nur in Frage, wenn es sonst nicht mehr gelingt, die Versorgungslücken zu schließen“, geben diese an.
Ob und wann also auf dieser Ebene eine Kooperation zustande kommt, bleibt abzuwarten. Der Bus ist zumindest bereit, auch für die Kooperation mit anderen Auftraggebern. Das übrigens auch, zumindest im Stand, auch autark. Dafür sorgen 16 Photovoltaik-Panele am Dach sowie ein Notstromaggregat für die Kühlschränke. „Im Stand kann der Bus autark betrieben werden“, gibt Schuller an. Für den medizinischen Betrieb geht er davon aus, dass sich insbesondere Jungärzt:innen, beispielsweise nach der Babypause, oder aber auch bereits pensionierte Ärzt:innen von dem Modell angesprochen fühlen könnten. So wären sie für ein paar Stunden in der Woche am Land unterwegs, aber schlussendlich trotzdem in der Stadt zuhause. Das dann vielleicht zukünftig auch auf Österreichs Straßen.