Glorifizierung von Gründer:innen: Nicht jede:r ist ein Peter Thiel
Nein, es ist nicht cool, was Andreessen Horowitz zuletzt ankündigte: 350 Millionen Dollar für Adam Neumann, der wirklich nicht mit Seriosität geglänzt hat, locker zu machen, grenzt schon an bewusste Ignoranz. Nicht wenige Brancheninsider kritisierten die Finanzspritze für Neumann, die Vorwürfe gegen ihn sind allesamt schwerwiegend. Das führt mitunter auch dazu, dass Gründer im Allgemeinen über einen Kamm geschert werden. In einem Business, in dem moralische Werte oft weniger zählen als die nächsten Quartalszahlen, gibt es aber auch viele positive Ausnahmen.
Geld & Charakter
Neumann soll Anleger geprellt und Mitarbeiter und Investoren „hinters Licht geführt“ haben, WeWork (zu Spitzenzeiten 47 Milliarden US-Dollar schwer) hat er nachweislich fast gegen die Wand gefahren. Charakterlich gilt er seit jeher als…schwierig. Die Belohnung für all diese Leistungen: ein paar hundert Millionen für sein neues Startup. Klar, dass die Wogen in der Szene hochgehen. Letztlich ist Neumanns frecher Schritt aber auch nur ein weiterer Eintrag in eine Liste abgehobener – und moralisch bedenklicher – Aktionen der neureichen Gründergarde.
Zuckerberg kann nicht einmal vor Gericht in die Augen schauen, Siemiatkowski kämpft mit Klarna ums Überleben, Musk twittert absurden Blödsinn und für Peter Thiel braucht es ohnehin mehr als einen eigenen Absatz. Der versucht gerade, damit ein Beispiel angeführt ist, eine Datingplattform für ultrakonservative Amis zu etablieren, in der dann religiöse Rechte mit religiösen Trump-Fans über den „woken“ Untergang der Welt schwadronieren können. Musk twittert seit Monaten über Twitter, kauft es nun doch nicht, wollte sich heute früh aber (spaßeshalber) Manchester United gönnen. Wer die heuer schon kicken gesehen hat, weiß auch, dass das nicht unbedingt für einen klaren Geist spricht.
Schaut auf die „Kleinen“
All diese CEOs und Gründer wurden und werden seit Jahren gefeiert. Das steht ihnen für ihre Errungenschaften auch zu, unabhängig von der persönlichen Einstellung. Musk hat die E-Mobilität mitentscheidend vorangetrieben, als WeWork noch lief, war Neumann gefeiert (und sorgte für Arbeitsplätze) und in den Anfangsjahren war auch Facebook cool und hip. Sieht man in die zweite, dritte und vierte Reihe, finden sich jede Menge Gründer:innen, die wichtige Arbeit leisten – aber unter dem Radar schweben: Da werden Lebensmittel gerettet, alternative Mobilitätskonzepte getestet, es wird die Zukunft des Arbeitens erforscht und neue medizinische Geräte und Behandlungen werden erfunden. Das alles passiert im Hintergrund, mit Gründer:innen, die sich die Nächte um die Ohren schlagen, sich sorgen, ob alles für alle passt, die fair bezahlen und fair behandeln. Alle diese Gründer:innen hätten es verdient, eine ähnliche Aufmerksamkeit zu erhalten, als die laute und reiche „Führungsriege“ im Startup-Sektor.
Wie so oft zeigt sich auch hier: Genug Geld verdirbt irgendwann den Charakter und Macht macht interessant. Es ließe sich viel Gutes tun mit den Milliarden der oben genannten. Letztlich zählt das aber nicht, karitative Aktionen werfen keine Rendite ab. Insofern ist es auch nicht unbedingt verwunderlich, dass die Neoliberalen und Konservativen einen Heimathafen in den Armen von Thiel und Co finden – es geht schließlich nur ums Geld. Unfair an der Sache ist vieles, vor allem aber auch, dass Termini wie Gründer und CEO damit unweigerlich negativ konnotiert werden. Da hilft es dann auch nicht, dass sich Musk selbst „Technoking“ tauft – was ja ohnehin bezeichnend ist.
Vielleicht wäre es besser, sich nicht von monetären Erfolgen, Macht und Tweets blenden zu lassen, sondern wieder zwischenmenschliche Werte zu feiern. Dann sind die nächsten Gründer:innen vielleicht von einem anderen Schlag als die aktuellen.
Das ist die eine Seite unserer Kommentar-Serie „Double Trouble“. Jakob Steinschaden ist hinsichtlich der Glorifizierung von Gründer:innen anderer Meinung. Seinen Kommentar liest du hier:
Glorifizierung von Gründer:innen: Holt sie runter vom Podest!