Zentralbanken kaufen so viel Gold wie nie zuvor – ist der US-Dollar in Gefahr?
1971 gilt nicht nur Bitcoinern als ein echtes Wendejahr in der Geschichte des Geldes und der Finanzpolitik. Denn ab dem 15. August 1971 lief der Nixon-Schock um den Globus, weil der damalige US-Präsident Richard Nixon die Bindung des Dollar an Gold aufgehoben hatte und damit das vorher geltende Bretton-Woods-System bis 1973 zusammenbrechen ließ. Seither ist der US-Dollar nicht mehr durch Gold gedeckt (schon vor 1971 produzierten die USA Dollar über den eigentlichen Wert ihrer Goldreserven hinaus), sondern vielmehr durch die Wirtschaftskraft und das Vermögen des ganzen Landes.
Zwar ist der US-Dollar nach wie vor die dominierende Währung der Welt, jedoch gibt es immer mehr Zweifel daran. Die äußern sich unter anderem in dem Bestreben der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), die Vormachtstellung des Petro-Dollar zu brechen – auch wenn es derzeit nicht danach aussieht, dass eine andere Währung den Dollar bei internationalen Handelsgeschäften (z.B. im Ölhandel) so schnell ablösen könnte. Allerdings ist auch klar, das immer mehr Zentralbanken immer mehr Gold zukaufen und sich so unabhängiger vom US-Dollar aufstellen wollen.
Rekordverdächtige Nachfrage der Zentralbanken nach Gold
Ruchir Sharma von Rockefeller International bzw. Rockefeller Capital Management setzt sich als Investor seit vielen Jahren unter anderem mit den BRICS und dem US-Dollar auseinander. In einem bemerkenswerten Beitrag in der Financial Times, in der Sharma immer wieder schreibt, gibt er Einblicke, was die Stärke Goldes über die Schwäche des Dollars aussagt. Der Goldpreis steuert derzeit auf ein neues Rekordhoch zu und liegt derzeit über der Marke von 2.000 US-Dollar je Feinunze. Währenddessen hat der US-Dollar zum Beispiel gegenüber dem Euro im letzten halben Jahr wieder deutlich verloren und ist wieder unter die Parität gefallen.
Die Stärke von Gold kommt durch erhöhte Nachfrage am Markt. Doch laut Sharma sind es diesmal nicht großen und kleinen Anleger:innen, die nach einem sicheren Hafen suchen (wie es z.B. während der Corona-Krise der Fall war), sondern die Zentralbanken, die Gold massiv zukaufen und gleichzeitig versuchen, ihre Dollarbestände zu reduzieren. Auf die Zentralbanken entfallen „rekordverdächtige 33 % der monatlichen weltweiten Goldnachfrage“, so Sharma. „Sie kaufen mehr Gold als jemals zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950.“
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Bedrohungen für den Dollar kommen immer wieder
Neun der zehn Zentralbanken, die aktuell das meiste Gold zukaufen, zählen zu den Emerging Markets, darunter finden sich wenig überraschend jene von China, Russland und Indien. Erst kürzlich rief Luiz Inácio Lula da Silva, der neue Präsident Brasiliens, die BRICS-Staaten dazu auf, eine Alternative zum Dollar zu etablieren. „Lula“ kündigte aber auch schon mal an, dass Brasilien und sein von Hyper-Inflation gebeutelter Nachbar Argentinien an einer gemeinsamen Währung arbeiten würden – davon hat man bisher nicht viel gesehen. Mittlerweile ist aber geplant, mit Iran und Saudi-Arabien zwei ölreiche Staaten in die BRICS aufzunehmen. Das behebt aber nicht das Grundproblem, dass die zwei größten und wichtigsten Staaten der BRICS, China und Indien, erbitterte Feinde sind.
Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit vom Dollar ist verständlich – und wurde durch den Ausschluss von Russland aus dem SWIFT-System und durch die Sanktionen des Westens gegen den Aggressor verstärkt. Klar wollen nicht nur China, sondern auch viele andere, den USA nicht freundlich gesinnte Ländern, ihre Assets nicht der Gefahr ausliefern, eingefroren zu werden.
Doch auch wenn die Bedeutung der BRICS-Staaten zunimmt und die De-Dollarisierung der Weltwirtschaft viel diskutiert wird, sie erscheint zumindest kurz- bis mittelfristig als sehr unwahrscheinlich. „Bedrohungen für die Rolle des Dollar im globalen Finanzsystem sind nicht neu und seit den 1980er-Jahren immer wieder aufgetaucht. Ein global etwas zurückgedrängter Dollar wäre auch keine Katastrophe für die USA, wenn man die zusätzliche Verantwortung bedenkt, die mit der Ausgabe der wichtigsten Reservewährung der Welt einhergeht“, schreibt der britische Ökonom Jim O´Neill in einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche.
So einfach sei es nicht, den Dollar zu ersetzen, etwa durch den chinesischen Yuan. „Jedes BRICS- oder BRICS-Plus-Mitglied muss, wenn es eine strategische Herausforderung für den Dollar darstellen will, Anleger, ausländische und inländische Sparer selbst entscheiden lassen, wann sie auf ihre Währung lautende Vermögenswerte kaufen oder verkaufen“, so O´Neill weiter. Das würde bedeuten, dass es keine Kapitalverkehrskontrollen geben dürfe – aber genau solche hat China eingeführt. Deswegen könne die BRICS-Gruppe keine glaubwürdige Alternative zum Dollar für ihre Ersparnisse anbieten können -und könne keine nachhaltige Alternative zum Dollar anbieten.
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