Google+ hat aufgehört, ein Social Network sein zu wollen und will lieber wie Reddit und Pinterest werden
„Wenn du es ein bisschen ruhiger haben willst, dann geh zu Google+.“ Diesen Witz erzählen sich mittlerweile auch Google-Vertreter, wenn es um die (Nicht-)Nutzung des Facebook-Herausforderers geht, den der Internet-Gigant 2011 gestartet hat. Wirklich angenommen wurde Google+ von der Masse, die sich lieber weiter mit Facebook und später mit Instagram und WhatsApp beschäftigte, nie – was unter anderem dazu führte, dass Google heuer die zwanghafte Vernetzung der Google+-Profile mit YouTube-Accounts löste, mit „About Me“ kürzlich eine eigene Stelle einrichtete, mit deren Hilfe der User digitales Identitäts-Management machen kann, und „Photos“ als eigenständiges Produkt herauslöste. Ebenfalls ein Zeichen dafür, dass Google+ nie ein Erfolg war: Google hat nie begonnen, sein „Social Network“ zu vermarkten und Werbung unter den Content der User zu mischen. Dafür war die Reichweite für Google-Verhältnisse wohl zu gering.
Jetzt unternimmt Google mit Google+ vordergründig einen neuen Anlauf. In der Nacht auf Mittwoch verkündete man, dass man Google+ künftig rund um zwei Funktionen bauen würde: Collections (Content-Sammlungen) und Communities (öffentlichen Gruppen). Ihre Gemeinsamkeit: Nutzer sollen über gemeinsame Interessen zusammenfinden. Dabei erinnern die „Collections“ frappant an Pinterest, wo ebenfalls gerne Fotos und Links zu einem Thema gesammelt werden. Pinterest-Manager Jan Honsel sagte gegenüber TrendingTopics.at übrigens selbst, das man kein Social Network, sondern eine „visuelle Suchmaschine“ sei. Die Communities wiederum erinnern von ihrer Grundausrichtung stark an Reddit, wo es unzählige Subreddits zu jedem erdenklichen Thema gibt. Sowohl bei Pinterest als auch bei Reddit geht es um gemeinsame Interessen der Nutzer und kaum um echte Identitäten der Nutzer und ihre Beziehungen untereinander.
Interessen statt Soziodemografie
Die neue Google+-Strategie ist eine deutliche Abkehr vom eigentlichen Social-Network-Prinzip: Bei Facebook vernetzen sich Menschen vor allem aufgrund soziodemografischer Gemeinsamkeiten (Alter, Wohnort, Schule, Arbeitsplatz, etc.) und persönlicher Bekanntschaften (Freundschaftsanfragen werden oft nur beantwortet, wenn man sich zumindest einmal im echten Leben getroffen hat). Bei Google+ ist das (schon lange) nicht mehr der Fall: Hier reicht es, ein gemeinsames Interesse (z.B. Surfen, Antike Uhren, Zombie-Katzen, Game of Thrones, Malerei, Social Media for Entrepreneurs) zu teilen, um dann auf virtuellem Weg Fotos zu tauschen oder an Gruppendiskussionen teilzunehmen.
Dass es Google+ künftig um gemeinsame Interessen geht und nicht um die Soziodemografie des Nutzers, ist auch ein Eingeständnis von Google, dass man es nicht geschafft hat, den Nutzern so qualitative Daten aus der Nase zu ziehen wie Facebook. Bei Facebook ist sozialer Druck entstanden, echte Informationen preiszugeben, weil das System ansonsten einfach nicht funktioniert (schon mal einen falschen Geburtstag angegeben?). Hinsichtlich Vermarktung von Google+ könnte das bedeuten, dass man Werbern Themenumfelder anbieten will, anstatt das Nutzer-Targeting auf Demografie hinzutrimmen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis native Ads in den Collections und Communities auftauchen, die zum Kauf von Apps und Produkten anregen sollen.