Strategiepapier

GoStudent sieht unabhängige Nachhilfelehrer als etwas, das „bekämpft“ werden muss

Typische Nachhilfe-Situation bei GoStudent. © GoStudent
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Es war eine Erfolgsmeldung, die im März via Techcrunch auch durch den deutschsprachigen Raum flutete: Das Wiener EduTech-Unicorn GoStudent verkündete das Erreichen der Profitabilität, nach mehreren gesetzten Maßnahmen der Einsparungen, inklusive drei Massenkündigungen und dem Exit aus den Märkten USA, Kanada und Lateinamerika.

Dann die Meldung, dass der Turnaround nach massiven Verlusten (2022: 221 Millionen Euro; 2021: 93 Millionen Euro) geschafft worden war; man sei nicht bloß EBITDA-positiv, sondern wirklich mit positivem operativen Cashflow quer durch die GoStudent-Gruppe unterwegs, kommunizierten die Gründer Felix Ohswald und Georg Müller. Und sie sagten: „Von 2019 bis 2022 haben wir unser Kerngeschäftsmodell auf einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro skaliert, und das war ein erstaunliches, verrücktes Wachstum von Null innerhalb von zwei Jahren.“

Umsatz lag 2022 bei 52,45 Mio. Euro

Bedeutet das nun, dass GoStudent 2022 einen Umsatz von mehr als 100 Mio. Euro machte? Nein, bloß die Hälfte – denn der Betrag ist kumuliert gemeint, über die vier Jahre, 2019, 2020, 2021 und 2021 zusammengerechnet. Tatsächlich machte GoStudent im Jahr 2022 einen Umsatz von 52,45 Mio. Euro (+289 % gegenüber 2021, als es noch 18,17 Mio. Euro waren). Für 2023 gibt es noch keine offiziellen Zahlen. Hätte das Unternehmen 2023 auf mehr als 100 Mio. Euro Umsatz wachsen wollen, hätte man gegenüber 2022 jedenfalls noch einmal eine Steigerung von fast 100 % Umsatzwachstum hinlegen müssen.

Die wichtigsten Märkte für GoStudent sind die deutschsprachigen, und zwar mit Abstand; 2022 machte das Unternehmen in der DACH-Region 22,65 Mio. Euro, Frankreich (6,93 Mio. Euro) und Italien (5,12 Mio. Euro) waren deutlich kleiner. Künftiges Wachstum verspricht sich das EduTech nicht durch regionale Expansion, sondern durch technologische.

Aus einem Strategiepapier, datiert auf den Juni 2023, geht auch hervor, auf welches Wachstum GoStudent künftig hofft. Das Schlüsselwort ist dabei eher nicht VR, sondern vielmehr AI. Al-Tutoren, mittlerweile unter dem Namen „Amelia“ auf Basis von GPT-4 von OpenAI gelauncht, sind der große, vielleicht sogar übergroße Hoffnungsträger. So heißt es in dem Strategiepapier tatsächlich:

„Al Tutors wird das Lernen noch interaktiver machen und die Qualität der Nachhilfe insgesamt deutlich verbessern. GoStudent ist zuversichtlich, dass Kl die Nachhilfegemeinschaft von GoStudent verbessern und den Umsatz im Jahr 2027 um TEUR 240.000 steigern wird. Mit dieser Steigerung will GoStudent 6,5 % des europäischen KI-Ed-Tech-Marktes erobern.“

Man erwartet also, dass der AI-Chatbot, der aktuell um 12,90 bis 14,90 Euro pro Monat verkauft wird, im Jahr 2027 satte 240 Mio. Euro zusätzlichen Umsatz bringen wird. Die Pläne, einen kostenpflichtigen Lern-Chatbot zu launchen, wurden bereits Mitte 2023, also der ChatGPT-Hype am Zenit war, geschmiedet, im April 2024 dann umgesetzt (mehr dazu hier).

Millionen User sollen AI-Tutoren bekommen

Bei jährlichen Kosten von 160 bis 180 Euro für Amelia müsste GoStudent demnach 1,3 bis 1,5 Millionen User für Amelia finden – gar nicht unrealistisch bei insgesamt mehr als 90 Millionen Schüler:innen und Student:innen in der gesamten EU und angesichts der mehr als 11 Mio. Familien, die bereits schon bei GoStudent gebucht haben sollen. Jedenfalls aber müsste man dafür sorgen, dass sich jedes Jahr genug Familien (am Ende bezahlen die Eltern die Rechnung) auf der Plattform anmelden und ihre Kinder nicht anderswo zur Nachhilfe schicken.

Und da ist tatsächlich im Strategiepapier zu lesen, dass GoStudent unabhängigen Tutor:innen den sprichwörtlichen Kampf angesagt hat. Als Konkurrenten werden nämlich nicht nur Online-Plattformen wie Sofatutor, Tutor.com, Superprof oder Preply sowie Offline-Kursanbieter wie Schülerhilfe in Deutschland und Acadomia in Frankreich genannt, sondern eben auch unabhängige Nachhilfelehrer:innen.

Nachhilfelehrer am „Schattenmarkt“

„Ein großer Teil der Konkurrenz kommt vom Schattenmarkt, dh von unabhängigen Nachhilfelehrern, die sich über Mundpropaganda und/oder Kleinanzeigenplattformen einen Kundenstamm aufgebaut haben. GoStudent besitzt eine der größten Kleinanzeigenplattformen, TusMedia, die bei der Bekämpfung dieser Konkurrenz hilft“, heißt es in dem Strategiepapier. Klar: Wenn Eltern den Nachhilfelehrer:innen direkt bezahlen, dann kann GoStudent nicht die Vermittlungsgebühr von etwa 30 Prozent einstreichen. Logisch, dass da der „Schattenmarkt“ im Weg ist.

TusMedia aus Spanien wurde von GoStudent 2022 zugekauft, es soll dazu dienen, als Marktplatz mehr Schüler:innen auf der Suche nach Nachhilfe in Richtung GoStudent zu schaufeln. Die Zukunft wird zeigen, ob die nach Nachhilfe Suchenden künftig eher mit Tutor:innen gematcht werden – oder eher mit ChatGPT in Form von „Amelia“. Wo gespart wird, wurde zuletzt wieder klar – einem Bericht des Standard zufolge nämlich bei den Nachhilfelehrer:innen (mehr dazu hier).

Ehemalige Abhängigkeiten in technologischer Hinsicht hat GoStudent durch die Zukäufe entfernt. Anstatt Zoom für die Videocalls kommt nun die Technologie von GoClass zum Einsatz. Aber es kommen auch neue Abhängigkeiten dazu, etwa via API von GPT-4 von OpenAI, das AI-Tutor Amelia erst ermöglicht. Im EduTech-Bereich wurde OpenAI erst kürzlich zum Mitbewerber, es gibt ChatGPT bereits in einer Edu-Variante und wird günstig an Bildungseinrichtungen angeboten.

Anmerkung: Fragen seitens Trending Topics zu Umsatz, Umsatzerwartung durch AI-Angeboten und die Strategie in Bezug auf unabhängige Nachhilfelehrer:innen konnte oder wollte GoStudent nicht beantworten.

GoStudent startet kostenpflichtigen Lern-Chatbot mit GPT-4 von OpenAI

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