Gründer äußern sich zur Standort-Debatte: „Wir müssen uns der Start-up-Blase bewusst sein“
Der TrendingTopics.at-Artikel über die Selbstkritik der Start-up-Szene („Wir überschätzen uns und klopfen uns zu sehr auf die eigenen Schultern“) hat für viele Diskussionen vor allem auf Facebook gesorgt. Auch Staatsekretär Harald Mahrer (VP) meldete sich zu Wort und meinte (in Bezug auf das Ziel, Österreich zu einem Gründerland zu machen): „Ich sehe da auch noch große Aufgaben, die warten.“
Auch Start-up-Gründer haben sich in ausführlichen Facebook-Postings zu Wort gemeldet, die heute (natürlich in Absprache mit den Verfassern) gesammelt auf TrendingTopics.at als Gastkommentare veröffentlicht werden.
Christoph Richter, Mitgründer von Zoomsquare:
1. Aktuell gibt‘s zu viel Lob für die Start-ups. Wie bei der Familie wird auf die Schulter geklopft („Gut machst du das“), anstatt klar zu sagen, was einfach noch nicht passt. Gerade die ganzen Awards sind super darin zu loben, anstatt hartes Feedback zu geben.
2. Die Förderungen sind fantastisch, aber es darf nicht „statt Umsatz“ heißen. „Ich mach halt eine weitere Förderung“, das hör ich derzeit viel zu oft. Rasantes Wachstum ohne Umsatz funktioniert bei 0,01% der Start-ups.
3. Wien fehlt es noch klar an erfahrenen Start-up-Mitarbeitern. Da ist Berlin viel weiter. Dort finde ich schnell Leute, die schon in zwei, drei Start-ups waren.
4. Es gibt zwar guten Austausch zwischen den Start-ups, aber viel zu wenig. Gerade Seed-Stage-Start-ups reden recht wenig miteinander. Dabei könnten die gerade viel voneinander lernen. Die Hansmen Group macht es vor.
5. Mittlerweile gibt‘s schon einige, die an Start-ups verdienen wollen. Aber es fast immer nicht tun. Vor allem weil bei Start-ups die ersten Jahre kein Geld zu holen ist, Berater aber etwas verdienen müssen. Also leidet meistens wieder das Start-up darunter. Darunter fallen auch diverse Firmen-Aceleratoren. Menschen, die einfach nur helfen, gibt es leider dann doch wieder wenige.“
Thomas Schranz, Mitgründer von Blossom.io:
Woran mangelt es?
Förderung der ‘do’-er. Talent in User Experience, Engineering und Distribution. Wir haben eine Blase erzeugt, in der „Get-rich-quick“-Schemes, Valuations, VCs & Angels mehr Fokus bekommen als das Talent, Handwerk und die Motivation selbst. Medien, Politik, und diverse Player im Ökosystem tragen (versehentlich) entweder aktiv dazu bei oder schauen zu.
Wir haben:
– ein Klagen nach mehr Geld/Kapital
– eine verkalkte Förderlandschaft, die durch Milestones strukturell das erschwert, was sie eigentlich fördern will
– Berater, die Geld und Anteile für Zugang zu ihrem ‘Netzwerk’ verlangen und erhalten
– Angels, die so viel Equity von Teams verlangen, dass diese international “unfundable“ werden
– Arbeitsbedingungen in sogenannten ‘Start-ups’, die jenseits von Gut und Böse sind, weil “das halt so ist in einem Start-up”
Lokale Erfolge wie Runtastic (das Produkt & Team, nicht der Exit — was für ein Wort!) stehen stellvertretend für unzählige andere “lokale” Erfolge, die aus verschiedenen Gründen weggezogen sind, um in anderen Hubs groß zu werden, Talent anzustellen, auszubilden und als Konsequenz jetzt auch in erster Linie in diese anderen Hubs zu reinvestieren. Was wäre, wenn wir weniger dieser Runtastics verloren hätten?Was wenn wir zusätzliche Runtastics angezogen hätten? Wir leiden an akutem Brain-Drain.
Fragen wir uns ehrlich: Wie gut sind wir darin, Talent auszubilden & anzuziehen (“acquisition”)? Wie gut darin, Talent zu halten (“retention”)? Was muss getan werden? Money follows Talent. Umgekehrt bin ich mir nicht so sicher.
Daniel Cronin, Mitgründer von all about apps, Gründungsmitglied von AustrianStartups:
Ich bin der Meinung, dass wir mittlerweile die interessierten und informierten Personen gut erreichen, aber das große Problem ist, das wir die breite Öffentlichkeit noch nicht oder oft falsch erreichen…und da geht`s meistens um Erfolgs-Stories, die sich häufig so lesen, als gäbe es nichts Leichteres, als über Nacht „Internet-Millionär“ zu werden. Der wirklich harte Kampf, das Leiden, die Zweifel, die Ängste, die körperlichen und psychischen Strapazen werden viel zu selten dargestellt. Von Außen sieht es leicht aus…auch die Entscheidung, für ein Unternehmen in AT ab einer gewissen Größe zu bleiben, ist sicherlich eine sehr schwierige…
Bitte nicht falsch verstehen, ich bin absolut der Meinung, dass es Spaß macht, an die Grenzen zu gehen, hart zu arbeiten und ich liebe, was ich tue (sieht man ja auch), aber wir alle haben die Tendenz, nur das Gute zu zeigen, aber selten über die Strapazen zu sprechen…ich bin aber davon überzeugt, dass es von „Außen“ oft zu einfach aussieht und das ist für mich der Punkt, über den wir noch mehr reden müssen.
Wir müssen uns der Start-up-Blase bewusst sein und vor allem, was für Implikationen mit dieser kommen. Ich treffe immer häufiger Menschen, die aus der für mich falschen Motivation heraus gründen wollen – sie erwarten das schnelle Geld und denken, dass sie eigentlich mit fast nichts zu einem Investor gehen können, unfassbar viel Geld bekommen, über das sie frei verfügen können, ein Produkt schaffen, dass sich quasi viral verkauft und dann unfassbar reich sind. Denn genau dieses Bild wird leider viel zu häufig transportiert.
Wir müssen zeigen, wie viel harte Arbeit hinter diesen erfolgreichen Unternehmen steckt die wir schon zu recht zelebrieren, wie viele schwere Entscheidungen getroffen wurden, wie viele Beziehungen darunter gelitten oder gar zu Bruch gegangen sind, wie oft ein scheinbar einfacher Ausweg angeboten wurde und dennoch, dennoch wurde weitergemacht – weitergemacht weil die Gründer und Gründerinnen gar nicht anders können, den sie lieben, was sie tun und es erscheint ihnen selbst häufig gar nicht als Arbeit – deswegen sieht es von außen möglicherweise auch so leicht aus.
Wenn wir Dinge nachhaltig ändern wollen, dann benötigen wir die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit – denn Politiker werden in erster Linie das tun, was dort populär ist, um gewählt zu werden. Denn die breite Öffentlichkeit wählt Politiker. Und das ist ja auch gut so. Aber diese Unterstützung werden wir nicht bekommen, wenn wir nur die Sonnenseiten betonen, wir müssen über diese harten Entscheidungen reden – die Entbehrungen und das Risiko. Und ganz klar auch über die Vorteile, die eine starke Start-up-Szene in einem Land haben kann. Denn: Start-ups sind der Motor von Innovation und Arbeitsplätzen – und somit werden sie ordentlich Steuern zahlen und die Volkswirtschaft ankurbeln. Die Start-ups sind die KMUs von Morgen, die Big Player von Übermorgen (teilweise ja schon von Heute), so müssen sie gesehen werden.
Aber Start-up-Gründer sind in erster Linie Unternehmer, die nach betriebswirtschaftlichen Faktoren ihre Entscheidungen treffen…und wenn ein Standort nicht so ideal ist, wie ein anderer, dann wird häufig nach ganz nüchternen Kennzahlen ausgewählt. Daher müssen wir gemeinsam einen Weg finden, auch und gerade die breite Öffentlichkeit nicht nur zu erreichen, sondern zu unserem Unterstützer zu machen. Dann und nur dann werden wir auch die großen Änderungen bewirken können, die wir alle kennen und uns alle so wünschen.
Und Runtastic? Die haben es dennoch geschafft, trotz der vielleicht nicht optimalen externen Bedingungen. Dennoch haben sie sich dazu entschieden, hier in Österreich nicht nur zu gründen, sondern ihr Unternehmen zu wachsen und zu einem sensationellen Erfolg zu bringen. Das Team rund um die vier Gründer und ihre Unterstützer verdient zu recht unsere volle Bewunderung – aber ich bin mir sicher, viele würden sie wohl noch etwas mehr bewundern, wenn es klar wäre, wie hart ihr weg war und welche Implikationen eine frühe Abwanderung des Unternehmens gehabt hätte…es wäre spannend, einmal aufzulisten, wie vielen Menschen sie zum Vorbild geworden sind, wie viele Praktika gemacht wurden, wie hoch die Steuern waren und vielleicht auch, wie stark der Image-Gewinn für Österreich war und ist. Man stelle sich an dieser Stelle vor, was es für unser Ökosystem heißen würde, wenn die vier Gründern beispielsweise kurz nach ihrer Gründung nach Berlin gegangen wären…
Daher sollten wir auch diese Seite beleuchten und Wege finden, den Start-ups die Möglichkeit zu bieten, zumindest keinen Wettbewerbsnachteil durch die Standortwahl zu haben, vielleicht sogar einen Vorteil. Denn ein Start-up kann schnell wachsen und dann geht die Rechnung auch auf – es muss klar sein, dass ein Staat auf lang Sicht durch die Abgaben und Arbeitsplätze profitieren wird.
Aber dafür sollten wir uns nicht in Details verlieren, sondern an der Basis ansetzen. Und das ist bestimmt noch ein verdammt weiter Weg, aber jeder Schritt zählt. Und es wird noch viele schlaflose Nächte geben.
Anm.: Foto von Thomas Schranz wurde von Heisenberg Media zur Verfügung gestellt. Thx Dan!