Gründer der Woche: Der Touch-Tisch-Designer, der den Krebs besiegte
Es hat alles vor zehn Jahren begonnen. Stefan Fleig, Nino Leitner und Lucas Triebl narrten damals die Welt mit dem gefakten Video eines iPhone-Tisches, das vier Millionen Mal angesehen wurde und hunderte Firmen glauben machte, dass es den Touch-Tisch aus Wien wirklich gibt. „Das Video ist nur zum Spaß entstanden. „Wir haben geschaut, wie weit wir diesen Hoax treiben können“, sagt Fleig heute. Ziemlich weit. Auf der Wiener TEDx-Konferenz ein Jahr später, 2011 bekamen die drei findigen Designer dann die Bühne, die Fälschung zu entlarven – und dem Publikum vorzuführen, wie Falschmeldungen via Social Media ungefiltert um die Welt gehen können. Aber es hörte nicht auf. “Es kamen immer noch Kaufanfragen. Es war eine große Bank, eine große Schuhkette dabei. Wir hätten damals 400 Tische verkaufen können. wenn es sie wirklich gegeben hätte.“
Sprung ins Jahr 2020. Stefan Fleig ist immer noch mit den Touch-Displays beschäftigt. Nur werden die heute mehrheitlich nicht mehr in die Horizontale, sondern in die Vertikale gebracht. Sie dienen heute in immer mehr Neubauten als digitales Schwarzes Brett. „Wir sind jetzt PropTech“, feixt Fleig. Zwar heißt seine Firma, die er heute nach dem Ausstieg von Leitner und Triebl gemeinsam mit seinem Geschäftspartner und Freund Johann Rath führt, immer noch TableConnect – aber mit der neuen Marke dasBlackboard macht man mittlerweile klar, wo sich das Business hinbewegt. „In drei Jahren wird es kaum noch Neubauten geben, die nicht so ein Display haben. Das Potenzial ist alleine im DACH-Raum sehr groß, es gibt jährlich 30.000 Neubauten. Und im Altbau wird auch nachgerüstet“, sagt Fleig. „Zwei Drittel unserer bisher verkauften Blackboards sind Nachrüstungen im Altbau im Rahmen von Sanierungen. Es gibt rund 3,9 Millionen Mehrparteienhäuser im DACH-Raum – der Markt ist riesig.“
Wie aus dem Spaß Ernst wurde
Der heute 39-Jährige hat eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich. Er ist der oft vergessene dritte Mitgründer der österreichischen Erfolgs-App Shpock, die vor einigen Jahren um rund 200 Millionen Euro an den skandinavischen Medienriesen Schibsted verkauft wurde. Als Fleig noch an Bord war, machte er das Design für die erste Shpock-App, doch nach Streitigkeiten im Gründer-Team und trotz absehbarem Erfolg der App wollte er raus. „Ich wollte, wenn meine Tochter geboren wird, nicht unglücklich in der eigenen Firma sein“, sagt er heute. Parallel nahm die Idee, aus dem Touch-Tisch-Fake eine Firma zu bauen, immer mehr Gestalt an. „Eigentlich hatte ich die Nase voll von Startup, aber ich war halt Vater dieser Idee.“ Also wurde wieder gegründet.
Nach einigen Jahren TableConnect – man verkaufte Touch-Tische gar nach Dubai – nahm Fleigs Leben wieder eine abrupte Kehrtwendung. Die vorher von Ärzten nicht Ernst genommene Beule am Kopf entpuppte sich als Tumor – Diagnose Krebs. Fleig musste 2018 in die Chemotherapie. „Mit jedem Zyklus ging es mir schlechter“, erzählt er. „Lungenembolie, Schlafstörungen, Blinddarmentzündung, mein Körper und mein Immunsystem waren am Ende. Da konnte ich beruflich nicht mehr viel machen, war nur mehr selten im Büro. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich wieder zurück komme.“
„Die Haare kamen zurück und die schönen Zeiten“
Doch nach einigen Monaten dann der Lichtblick – der Krebs war besiegt. „Dann ging es wieder bergauf, die Haare kamen zurück und die schönen Zeiten“, sagt Fleig. „Das Team hat mir absolut den Rücken freigehalten und meine Themen übernommen. Ich habe meine Ruhe und Freiraum bekommen, soweit ich ihn gebraucht habe. Ich hatte das Glück, sowohl privat als auch in der Firma tollen Rückhalt zu haben. Ich danke meiner „Wonderwife“ Sabrina, meinen Eltern, meinem Team und meinen Freunden, meiner Ärztin und den Krankenschwestern im AKH für ihre Unterstützung. Man muss daran glauben, dass die Sonne wieder mal scheint.“
Das Bild, auf dem Fleig zu sehen ist, ist etwa zwei Monate nach der letzten Chemo entstanden. Die Rakete auf seiner Schulter gehört einem seiner Mitarbeiter, der sie später mit dem TU-Spaceteam in Nevada gezündet hat.
Und die Sonne, die scheint heute beruflich heller denn je. Klar, Corona trifft auch Fleigs Firma, aber mit dem neuen Fokus auf die Immobilienbranche scheint der Knopf aufzugehen. „Das Potenzial für die Tische haben wir überschätzt. Das hat dann dazu geführt, dass wir uns immer wieder für andere Möglichkeiten für die Technologie umgeschaut“, sagt der Gründer. „Im Immobilienbereich lassen sich viel mehr Displays absetzen, da bestellen Kunden Geräte im dreistelligen Bereich. Und: Jetzt gibt es auch Recurring Revenue für die digitalen Services rundherum. Das ist ja das Zauberwort heutzutage.“