Kommentar

Grüne Atomkraft? Nope, träumt schön weiter

©Dirk Rabe/Pixabay
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Jetzt ist es also offiziell, Investitionen in neue Atomkraftwerke sind nachhaltig. So zumindest die Einstufung der EU-Kommission im Rahmen der Taxonomie-Verordnung. Bedeutet also: Atomenergie ist gut für das Klima. Oder?

In Österreich und in Deutschland wird es den meisten bei dieser Aussage kalt den Rücken hinab rinnen. Kein Wunder, nachdem in Österreich zwar ein Atomkraftwerk gebaut, aber nie in Betrieb genommen wurde und auch Deutschland mit Ende des Jahres den letzten Atom-Meilern den sprichwörtlichen Stecker zieht.

Für andere Nationen ist die Aussage allerdings kein Grund zum Schaudern. Im Gegenteil mit dem Push der Atomenergie soll die Dekarbonisierung geschafft werden und sich endlich von der Kohle-Abhängigkeit befreit werden.

Null Emissionen? Zu kurz gedacht

Erstes Argument dafür: Bei der Energiegenerierung durch Atomkraft entstehen vermeintlich keine CO2-Emissionen. Zweitens Argument dafür: Diese Energiequelle ist unabhängig von Wetter und Tages- und Nachtzeiten. So soll die Versorgungssicherheit garantiert werden und ein Blackout-Horrorszenario, wie von Marc Elsberg einst im Roman beschrieben, vermieden werden.

Ja gut, also zwei Argumente dafür. Dann beginnen wir mal mit den Argumenten, welche dagegen sprechen. Zunächst zum Argument der CO2-Neutralität: Auch wenn die unmittelbare Stromerzeugung keine Emissionen verursacht, der Abbau des Urans, der Bau und Abbau der Meiler und der Transport des Atommülls aber schon. Der Weltklimarat IPCC nennt für Uran etwa Werte zwischen 3,7 und 110 g CO2/kWh und einen Median von 12g pro CO2/kWh.

Klimalösung? Energiekrise lässt Disput zur Atomkraft neu entflammen

Teurer, teurer Spass

Nächstes Argument: die Kosten. Atomstrom = teurer Strom. Die Errichtung eines Atomkraftwerkes verschlingt gigantische Summen an Kapital. Das zeigen auch aktuelle Werke, welche sich momentan im Bau befinden. So sollte der vom französischen Energiekonzern EDF in der Normandie seit 2007 in Bau befindliche Europäische Druckwasserreaktor (EPR) „Flamanville 3“ ursprünglich 3,3 Milliarden Euro kosten.

Der Betreiber EDF gab Mitte Januar an, inzwischen von Gesamtkosten in Höhe von 12,7 Milliarden auszugehen. Laut einem Bericht des französischen Rechnungshofs könnten sich die Kosten hingegen bis dahin auf bis zu 19,1 Milliarden Euro erhöhen.

Zu den hohen Kosten kommt dann noch die lange Bauzeit hinzu. Bleiben wir bei dem Beispiel: Bleibt es bei 2023, hat die Errichtung elf Jahre länger gebraucht, als eigentlich veranschlagt. Neue Atomkraftwerke, welche sich somit jetzt noch nicht mal im Bau befinden, tragen somit in keinster Weise in näherer Zukunft zu den Klimazielen bei. Laut einer im Oktober 2021 veröffentlichten Studie von internationalen Forscher:innen von „Scientists for Future“ könne die Kernkraft angesichts des stagnierenden bzw. in allen Kernkraftstaaten (außer China) rückläufigen Kernkraftwerksbaus, Planungs- und Bauzeiten von zwei Jahrzehnten (und mehr) sowie absehbar geringen technischen Innovationen in den für die Bekämpfung der Klimakrise relevanten Zeiträumen von zwei bis maximal drei Jahrzehnten keine Rolle spielen.

Und bis dahin? Erdgas und Kohleenergie bis zum Abwinken? Das können wir uns und die Erde nicht mehr leisten.

Apropos leisten, im Vergleich zum Atomstrom sind Erneuerbare Energien spottbillig, Tendenz weiter fallend. So sind laut einem Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) die Kosten für Erneuerbare im Jahr 2020 wieder stark gesunken. Bereits 2020 beschrieb die Internationale Energieagentur (IEA) die Solarenergie als die weltweit die günstigste Art, um Strom zu erzeugen – vor Öl, Gas, Atomstrom und Kohle. „Solarenergie ist der neue König der Elektrizität“, heißt es in dem IEA-Bericht.

Wohin mit dem Müll??

Das absolute Gegenargument bleibt aber: Der radioaktive Abfall. Grundsätzlich sollte gelten: Wenn ich nicht weiß, wohin mit dem Müll, dann sollte ich ihn besser auch nicht verursachen. Weltweit gibt es bisher kein einziges Endlager für den noch 100.000  Jahre lang strahlenden Müll. In Finnland ist eines in Bau, in Schweden wurde kürzlich eines genehmigt. Eine Lösung ist aber nicht. Es bleibt dabei, dass radioaktiver Müll verursacht wird, welcher noch lange nach unserer Zeit eine potenzielle Gefahr darstellt.

Daran ändern auch die aktuellen Forschungen zu Small Modular Reaktors (SMR), also Mini-Atomkraftwerken, und Thorium-Reaktoren nichts. So kommt der deutsche Physiker Christoph Pistner vom deutschen Ökoinstitut, der zu neuen Reaktorkonzepten geforscht hat, zu dem Schluss, dass auch Thorium keine Lösung für die Endlagerung anbietet. Zwar strahlt Thorium durchaus kürzer („nur“ knapp 300 Jahre), was den Brennstoff in punkto Zeit zu einem geringeren Risiko im Endlager macht, aber trotzdem entsteht weiterhin Müll. Erneuerbare Energien verursachen hingegen keinen unzählige Jahre strahlenden Abfall. Alte Solarpanels und Windräder sind zudem recycelbar.

Thorium: Ist das wirklich die “Revolution der Atomkraft”?

Der grüne Traum bleibt ein Traum

So könnte es noch eine Weile weitergehen. Weitere Argumente wären die verheerenden Folgen von Kernschmelzen oder auch die potenzielle Gefahr der militärischen Nutzung von Uran. Statt somit Unsummen an Geld in eine Energieform zu investieren, die weder CO2-neutral, noch wirtschaftlich rentabel ist, brauchen die Erneuerbaren Energien und vor allem effiziente Speichermöglichkeiten von diesen die Gelder und die Forschung. Neben der Möglichkeit, diese in Form von Grünem Wasserstoff als Energiequelle zu konservieren, gibt es bereist jetzt zahlreiche Beispiele von innovativen Speicherideen, wie eine Meeresbatterie oder der Umwandlung in „flüssige Luft“. Damit wäre auch Energie vorhanden, wenn die Sonne mal nicht scheint.

Studie: Solar- und Windanlagen allein könnten globalen Energiebedarf hundertmal decken

Und zu guter Letzt: Laut dem Bericht  „The Sky is the limit“ von dem britischen ThinkTank Carbon Tracker könnte der weltweite Energiebedarf hundertmal nur durch Windkraft-und Solaranlagen bedient werden. Dafür müsste das entsprechende Potenzial genutzt und die Erneuerbaren Energien entsprechend ausgebaut werden. Statt also von einer klimaneutralen Atomkraft zu träumen, muss begonnen werden, dass auszubauen, was wir schon haben. Genug Platz haben wir, jetzt muss der Ausbau auch nur zugelassen werden. Denn ganz ehrlich, am Ende ist doch jedes Windrad schöner als ein Atom-Meiler.

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