Interview

Guiding Innovators: Wie in Wien nachhaltigere Startups entstehen sollen

Paul Pöltner, Co-Gründer des Guiding Innovators Hub Vienna AG. © Guiding Innovators Hub Vienna AG
Paul Pöltner, Co-Gründer des Guiding Innovators Hub Vienna AG. © Guiding Innovators Hub Vienna AG
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Paul Pöltner hat 2013 eines der erfolgreichsten österreichischen Finanz-Startups mitgegründet und seine Firma Conda fünf Jahre später verkauft. Jetzt will er gemeinsam mit anderen erfahrenen Gründern und Investoren eine Initiative aufbauen, die anderen Startups und Unternehmen unter die Arme greift. Bei „Guiding Innovators“ dreht sich alles um „nachhaltiges Wachstum“, also eigentlich das Gegenteil von dem, wofür die Startup-Szene lange stand. Im Interview mit Tech & Nature erklärt er, warum langsames Wachstum so wichtig ist und worauf man beim Aufbau nachhaltiger Unternehmen achten muss.

Lange Zeit gab es in der Startup-Szene vor allem ein Credo: Schnelles Wachstum. Da ging es um Hockeysticks, also steile Wachstumskurven und Blitzscaling, also die schnelle Skalierung auf Pump. Jetzt hört man immer öfter, dass auch Startups langsames, nachhaltiges Wachstum können und sollen. Ist dieser Trend real und schnelles Wachstum ein zu korrigierender Irrtum aus dem Silicon Valley?

Paul Pöltner: Es ist eine sehr persönliche Frage, die man sich als Gründer stellen muss. Mit Guiding Innovators und Organic Venture Building habe ich für mich eine Antwort auf die Frage gesucht, wie ich gerne Unternehmen bauen will. Ich habe mehr als hundert Unternehmen in der Finanzierung begleitet und vieles in der Startup-Szene gesehen. Wenn der Unternehmenswert schneller wächst als das Team und die Struktur, ist das meistens nicht hilfreich, weil die Struktur nicht nachkommt und das Team schnell verbrannt wird. Dann bleibt etwas zurück, was entweder nicht überleben kann oder sehr viel Zeit braucht, um daraus dann langsam wachsen zu können. Aus meiner Sicht ist die Zeit reif, sich darüber Gedanken zu machen, wo Europa eigentlich herkommt, nämlich aus einem Ökosystem, das aus KMU und Familienbetrieben Schritt für Schritt Unternehmen aufbaut. Warum macht es nicht Sinn, diese Werte auch in die Startup-Welt zu bringen und zu schauen, wie wir daraus gute, nachhaltige Unternehmen aufbauen, die gemeinsam unsere Zukunft sichern.

Was bedeutet nachhaltiges Wachstum in diesem Zusammenhang?

Nachhaltig ist natürlich ein sehr großer Begriff. Wir haben uns im Rahmen von Organic Venture Building auf drei Werte geeinigt: nachhaltige Erträge, Empowerment und Innovation. Nachhaltige Erträge heißt, dass man Schritt für Schritt aus dem eigenen Cashflow investiert und externe Investments dann reinholt, wenn die Struktur und das Unternehmen so weit sind. Empowerment heißt, dass jeder der Mitwirkenden eine Form der Beteiligung hat und ein zweiter wesentlicher Punkt: jeder ist anders. Das hört man zwar oft, aber das heißt einfach, dass jeder seine eigenen Stärken hat. Wenn man diese Stärken richtig kanalisiert und auch anerkennt, dass Schwäche nicht heißt, dass jemand was nicht kann, dann ist das ein sehr wichtiger Wert, um nachhaltiges Wachstum aufzubauen. Der dritte Wert, die Innovation, da geht es darum, etwas neues in die Welt zu bringen. Das heißt gleichzeitig, dass man aktiv eine gesellschaftliche Veränderung ansteuert. Das heißt aber auch, dass man damit monetär etwas verdienen will. Es muss also auch nachhaltig im Sinne der ökonomischen Werte sein. Die Verbindung von gesellschaftlicher Verantwortung und monetärer Werte macht es aus, ob eine Innovation ankommt und nachhaltig funktioniert.

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Du hast ja auch selbst ein bekanntes Startup gegründet. Conda ist ein FinTech, ganz konkret eine Crowdinvesting-Plattform. Wie war das bei dir selbst, wolltest du ein potenzielles Unicorn bauen?

Das was ich jetzt tue ist sicher eine Reflexion der letzten sieben Jahre aus meiner eigenen Erfahrung. Als ich Conda gemeinsam mit Daniel (Daniel Horak, Anm.) gegründet habe, bin ich aus einer Steuerberatung gekommen, also einem ganz anderen Setup. Sobald man in die Startup-Szene eintaucht, wird einem immer wieder gesagt, man müsse schneller wachsen, schneller in die nächsten Märkte gehen. Warum sind die Umsätze noch nicht gestiegen, warum die Nutzer nicht gestiegen? Man läuft und läuft und auf der anderen Seite muss man auch die Struktur entsprechend aufbauen. Wir haben da sicher mehr ins Wachstum geschaut als in die Struktur. Das dann nachzuziehen ist ein großer Aufwand und mit viel Kapital verbunden. Aus der Reflexion daraus glaube ich, dass es in vielen Fällen gut ist, sich dieses Strukturthema immer mit anzuschauen. Wachstum sollte man immer dann angehen, wenn die Struktur dafür bereit ist.

Seit ein, zwei Jahren gibt es als Antithese zum Unicorn, einem Startup mit Milliardenbewertung, den Begriff Zebra. Wie hast du die Entstehung dieser Bewegung erlebt?

Die Entstehung dieses Trends war für mich auch ein bisschen die Bestätigung dessen, was wir gerade machen. Ich hatte im Sommer letzten Jahres die Ehre in einer kleinen Runde aus Gründern zusammenzusitzen. Wir haben Erfahrungen ausgetauscht und viele haben gesagt, dass ihr Unternehmen an einem bestimmten Punkt zu schnell gewachsen ist. Irgendwann war die Unternehmensbewertung ganz woanders als das Unternehmen selbst. Die sind dann alle erst einmal einen Schritt zurückgegangen, um aus einer stabileren Struktur heraus die nächsten Expansionsschritte zu setzen. Diese Zebra-Bewegung kommt daraus, dass es mehrere Gründer gibt, die schon das zweite oder dritte Unternehmen aufbauen und erlebt haben, was es heißt, sich dem Unicorn-Mantra unterzuordnen.

Was halten denn Investoren von diesem Konzept – Startup-Investoren legen doch eigentlich Wert auf schnelles Wachstum und eine rasche Skalierung und genau dafür ist Risikokapital doch eigentlich da, nicht?

Ist es, hundertprozentig. Ich komme ja aus der Finanzierung. Ich habe das für mich unter dem Term „Organic Finance“ zusammengefasst. Gerade wenn man ganz am Anfang steht, geht es darum, den Kunden zu verstehen und das braucht Zeit. Gerade am Anfang ist die Frage, mit welchem Investor ich zusammenarbeite, der mir die Zeit gibt, das zu machen. Bootstrapping (Finanzierung mit eigenem Geld, Anm.) ist ein wichtiger Punkt – wie weit komme ich mit wenig Geld. Das hilft, denn das ist genau die Zeit, die man braucht, um das Produkt und die Struktur gut aufzubauen. Mit alternativen Finanzierungen wie Crowdfunding oder Crowdinvesting kann man viel Zeit erkaufen und mit der Finanzierung gemeinsam auch Kunden ansprechen. Ich glaube, dass gerade am Anfang diese anderen Finanzierungen wichtig sind, weil man sich dann Problem-Solution-Fit genau anschauen kann. Dann kommt erst die Zeit, klassisches Venture Capital hineinzugeben. Wenn man mit den Fonds spricht, suchen die ja auch nach genau diesen Unternehmen. Dann hat das Geld den größten Mehrwert. Es ist aber wichtig, dass man vorher die Struktur aufgebaut hat, um mit dem Geld umzugehen.

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Was macht so eine stabile Struktur aus?

Ein Element, das ich spannend finde, heißt „Organizational Physics“. Das ist zusammengefasst eine einfache Formel des Erfolgs. Die sagt, Erfolg = Integration / Entropie. Entropie ist der automatische Zerfall des Unternehmens wenn man nichts macht und keine Energie in ein Unternehmen investiert. Mitarbeiter werden gehen, Kunden werden abspringen. Die Struktur wird zerfallen. Integration ist der Austausch mit der Umwelt, also mit Investoren, Kunden, externen Stakeholdern, die Input in das Unternehmen geben. Ein Unternehmen ist dann erfolgreich, wenn es mehr Ressourcen von außen bekommt, als es intern braucht um die Struktur zu erhalten. Das Problem ist, dass Energie immer zuerst in die Entropie geht. Nur wenn ich meine interne Struktur im Griff habe, habe ich auch die Zeit und Energie für die Integration der Außenwelt. Unternehmen, die es nicht geschafft haben, haben intern ein Chaos und brauchen ihre ganze Energie, um intern die Struktur in den Griff zu bekommen. Die haben dann nicht die Zeit, nach außen zu gehen, mit Kunden zu sprechen und dann das Unternehmen gut aufzustellen. Das was es umgelegt auf Zebras bedeutet: Man muss sich auf seine starke Struktur konzentrieren, damit das Unternehmen gut aufgebaut ist.

Ich assoziiere mit Zebras oft auch ganz bestimmte Bereiche, bei denen die Impact-Orientierung aufgelegt ist – zum Beispiel wenn es um Food-Startups im Bereich Lebensmittelverschwendung geht, oder Social Businesses. Ihr startet jetzt mit Guiding Innovators einen Company Builder, der sich auf eine nachhaltige Geschäftsentwicklung konzentriert. Da geht es aber um Bereiche wie die Finanzbranche, Blockchain oder E-Commerce – kann man sich da als Zebra durchsetzen?

Deshalb haben wir auch nicht das Wort Zebra genommen. Worum es geht, wenn man ein Unternehmen aufbaut ist, dass man eine Idee hat und eine Vision, wo der Markt hingeht. Wir haben in unserem Konsortium überlegt, was strategische Verticals sind, wo wir einen Mehrwert beisteuern können und für uns auch eine Strategie entwickeln können. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass diese Zebra-Bewegung nicht nur auf Sustainability Unternehmen abzielt, sondern auf die grundsätzliche Einstellung, wie man Unternehmen aufbauen kann. Das geht auch in anderen Bereichen.

Was passiert bei Guiding Innovators genau, wie unterstützt ihr Gründerinnen und Gründer?

Guiding Innovators besteht aus mehreren Bereichen, die wir in den nächsten Monaten sukzessive vorstellen werden. Mit dem Hub haben wir die Initialzündung gesetzt. Der Hub ist das Familiy Office von Josef Katzgraber und Günter Kerbler. Jetzt investieren wir gerade in drei Startups, davon bauen wir zwei selbst auf. Guiding Innovators wird aber darüber hinausgehen und soll ein Netzwerk für den Aufbau von Organic Businesses werden.

Was sind eure ersten Projekte?

Wir haben jetzt drei Unternehmen – eines mit deeplynx im E-Commerce-Bereich, mit Simply Tokenized eine Tokenisierungsinfrastruktur, die neue Finanzierungsformen ermöglicht, und FinFortus, wo es darum geht digitale Assets so aufzubereiten, dass sie auch in Banken gut eingesetzt werden können.

Wie kann ich als Gründerin Teil des Hubs werden? Wen sucht ihr genau?

Das unterscheidet uns etwas von anderen – wir sind im ersten Schritt nicht aktiv auf der Suche. Man kann aber gerne mit uns sprechen, wenn man in eines der Verticals passt, Erfahrungen austauschen und wenn es dann passt, kann man auch mehr zusammen machen.

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