Hälfte der „grünsten“ Fonds steckt immer noch Geld in Öl & Gas
Nachhaltige Investments sind heute schwer im Trend. Nicht nur Kleinanleger:innen investieren gerne in umweltfreundliche Projekte, auch Unternehmen kompensieren so ihre CO2-Emissionen. Doch der Schein trügt oft: „Grüne“ Fonds sind laut Handelsblatt häufig weniger nachhaltig als gedacht. Ein internationales Medienprojekt zeigt: Die Hälfte der scheinbar nachhaltigsten Fonds („Dark Green“) investiert immer noch Milliarden in fossile Energien.
ESG in Verruf: Der „grüne“ Schmäh mit „nachhaltigen“ Investments
„Dark Green“-Fonds investieren in „graue“ Energie
An dem Medienprojekt waren die niederländischen Plattformen „Follow the Money“ und Investico sowie acht europäische Medienhäuser beteiligt. Sie haben gemeinsam mehr als 800 Fonds ausgewertet, die sich dem strengsten Reglement der EU-Kommission unterwerfen, davon 547 in Deutschland. Demnach dürfen sogenannte Artikel-9-Investmentfonds, auch „Dark Green“ genannt, nur klimafreundliche Investments tätigen. Von den 547 legen 260 (48 Prozent) ihr Geld jedoch auch in „graue“ Energiegewinnung und Fluglinien an.
Dieser grüne Etikettenschwindel betrifft eine wachsende Zahl an Anleger:innen. 409 Milliarden Euro investierten Anleger:innen laut Umweltbundesamt 2021 in nachhaltige Fonds, das Anlagevolumen hat sich seit 2019 mehr als verdoppelt. Dabei investiert offenbar die Hälfte der Investmentfonds immer noch in umweltbelastende Energien wie Kohle und Öl sowie Branchen wie die Luftfahrt. Bei Regelungen für nachhaltige Anlagen hätten sich „offensichtlich Menschen durchgesetzt, die voller guter Absichten gewesen seien, aber unerfahren im Umgang mit der Komplexität von Nachhaltigkeit“, zitiert das Handelsblatt Dirk Rathjen, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau.
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Mindestens 8,5 Milliarden Euro an fossile Unternehmen
Mindestens 8,5 Milliarden Euro gehen durch die „Dark Green“-Fonds an fossile Unternehmen. Die fossilen Anlagen tauchten unter anderem in Fonds der Anbieter Actiam, Blackrock und BNP Paribas auf. Mehr als 619 Milliarden Euro haben die nur scheinbar nachhaltigen Fonds schon eingesammelt. Zu den gängigen Unternehmen für fossile Brennstoffe, in die die Fonds investieren, gehören das US-Energieunternehmen NextEra Energy, der französische Ölgigant TotalEnergies, das deutsche Kohleunternehmen RWE und Fluggesellschaften wie easyJet und Lufthansa.
So scheint ein Fonds des großen amerikanischen Vermögensverwalters Blackrock mehr als eine Milliarde Euro in fossile Unternehmen wie RWE und den italienischen Energieversorger Enel zu investieren. Der französische Fondsanbieter BNP Paribas bietet laut der Studie drei Fonds an, die Investitionen in portugiesische, französische und italienische Öl- und Gasunternehmen umfassen. Und in nicht weniger als zehn der nachhaltigsten Fonds von Actiam, einem auf dem niederländischen Markt tätigen Vermögensverwalter, unterstützen „graue“ Unternehmen; von einer staatlichen norwegischen Ölgesellschaft bis zur Fluggesellschaft China Airlines.
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„Ziemlich schwierig zu argumentieren“
„Es ist offensichtlich, dass Anteile an stark umweltbelastenden Unternehmen nicht in diese Investmentfonds gehören“, sagt Raoul Köhler, Koordinator für nachhaltige Finanzen bei der niederländischen Finanzmarktbehörde. Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, die nationale Behörden aus Europa beaufsichtigt, stellt fest, dass es „ziemlich schwierig zu argumentieren“ sei, dass eine Investition in fossile Brennstoffe keine sozialen oder ökologischen Schäden verursacht.
Gleichzeitig will die niederländische Finanzmarktbehörde nicht ausschließen, dass Fondsmanager in Ausnahmefällen argumentieren können, fossile Investments seien doch nachhaltig. Die Definition von Nachhaltigkeit in den europäischen Regeln sei noch so vage, dass sie schwer durchzusetzen sei, sagt die Behörde. Aber auch ohne eine solche Erklärung dürfen diese Fonds nicht in fossile Unternehmen investieren, sagen verschiedene Rechtsexperten. „Wenn ein Fondsmanager solche Anlagen zu einem Artikel-9-Fonds hinzufügt, verstößt er gegen das Gesetz“, sagt Sjors Vogelsang, Finanzanwalt bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Tax & Legal.