Interview

Hansi Hansmann: „Viele meiner Startups sind in einem kriegsähnlichen Zustand“

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Von Google, Facebook über Airbnb und Uber bis hinunter zu österreichischen Startups: Bis auf wenige Ausnahmen wie der Video-Conferencing-Anbieter Zoom oder der Online-Bauernmarkt markta gibt es derzeit kaum Tech- oder Software-Firmen, die derzeit von boomenden Geschäften berichten können. Ganz im Gegenteil: Unternehmer in Österreich bangen derzeit um ihr Business und setzen sich gerade intensiv mit Corona-Kurzarbeit, Überbrückungsfinanzierungen und Härtefall-Fonds auseinander.

Der österreichische Business Angel Hansi Hansmann bekommt die Corona-Krise wie jeder andere auch zu spüren – vor allem natürlich über sein Startup-Portfolio. Im Interview erklärt er, warum B2B-Startups schwerer getroffen werden als B2C-Geschäftsmodelle, warum die Hilfsmaßnahmen der Regierung Startups nur bedingt helfen und dass nach der Corona-Krise erst die wirkliche Wirtschaftskrise kommen wird.

Trending Topics: Zuerst die persönliche Frage an dich: Wie gehst du mit der Situation um, wie sieht jetzt dein Alltag aus?

Hansi Hansmann: Mein Alltag hat sich natürlich insofern geändert, dass ich meine Meetings nicht mehr auswärts, sondern zu Hause mache. Das hat einen Vorteil, obwohl die Meetings-Anzahl sogar größer ist: Ich habe mehr Zeit, weil die gesamte Logistik wegfällt. Ich fahre und fliege nicht mehr zu den Startups hin, ich fliege auch nicht mehr ins Ausland zu irgendwelchen Board-Meetings. Daher hat man mehr Zeit und kann sich vielleicht auch bei bisschen mehr darauf fokussieren.

An sich habe ich viel Arbeit, weil mein relativ großes Portfolio bewirkt, dass fast alle Firmen in einem kriegsähnlichen Zustand sind, und das bringt neue Herausforderungen und neue Challenges.

Kriegsähnliche Zustände – was sind derzeit die größten Nöte? In deinem Portfolio gibt es ganz unterschiedliche Startups, von B2B bis B2C.

B2B-Companies leiden unter der Krise sicherlich deutlich mehr. Ich habe versucht, alle meine B2B-Startups darauf einzustellen – wenn sie das nicht eh schon von alleine gemacht haben -, dass es 2020 kein Neukundengeschäft geben wird. Corporates und B2B-Kunden haben in den nächsten Monaten andere Sorgen als irgendwelche neuen Produkte zu installieren. Auch das Jahr 2021 wird ganz stark davon geprägt sein, das Neukundengeschäft wird dann bei 50 Prozent des Plans von 2020 liegen.

Das heißt: Meine B2B-Companies müssen davon ausgehen, dass das Geld, das sie jetzt haben, bis Ende 2021, also gut zwei Jahre reichen. Unter der Annahme von stark einbrechenden Umsätzen ist das eine ordentliche Challenge.

B2C ist es ein bisschen leichter, da gibt es sogar einige Kriegs-Gewinnler. Logischerweise wird alles, was man zu Hause braucht, einen Push erleben wird. Es wird das erste Mal einen richtigen Push für EduTech geben. Da habe ich zwei Firmen im Portfolio, Busuu und Mimo. Die wird es positiv treffen. Andere werden Einbrüche erleben, weil der Konsum runter geht, aber es wird nicht so drastisch sein wie im B2B-Bereich. Auch hier gilt die Grundregel: Das Geld, das sie jetzt haben, sollte für rund zwei Jahre reichen zur Sicherheit.

 So viele Cash-Reserven für 2 Jahre muss man mal haben. Seitens der österreichischen Regierung gibt es eine Reihe von Maßnahmen, von Corona-Kurzarbeit über Überbrückungsfinanzierungen bis hin zu einem Härtefall-Fonds. Welche Maßnahmen sollten sich Startups ansehen?

Grundsätzlich hängt es gar nicht davon ab, wie viel man schon geraised hat, sondern ob man kurz vor dieser Krise geraised hat. Wenn man das Pech hat, geplant zu haben, im Frühjahr bis Sommer zu raisen, dann wird es wirklich schwierig. Ganz egal, wie gut das Startup ist. Ich habe ein eher reiferes Portfolio, weil ich in den letzten drei Jahren nicht mehr investiert habe. Das sind Firmen, die fünf, acht, zehn Jahre alt sind, keine kleinen Startups mehr, mit 50, 100 oder mehr Mitarbeitern. Da wird es insgesamt kompliziert.

Die Maßnahmen der Bundesregierung, soweit ich sie bis jetzt gesehen habe, helfen zu einem Teil. Kurzarbeit ist sicher ein Thema, etliche meiner Startups nehmen das auch in Anspruch. Die meisten anderen Hilfen glaube ich sind für Startups nicht geeignet. Startups brauchen jetzt Geld, Überbrückungskredite, und da gibt es noch nichts, weil Startups natürlich nicht die Kriterien erfüllen, die dafür notwendig sind. Startups haben meistens, außer sie haben gerade eine Finanzierungsrunde hinter sich, negatives Eigenkapital und schon gar nicht die 8 Prozent, die da im Raum gestanden sind.

Da wäre es ganz dringend notwendig, einen eigenen Fonds oder eigenes Geld zu schaffen, das Startups für Überbrückungskredite zur Verfügung steht. Was auch helfen würde, wären klare Richtlinien dafür, dass man Lohn- und Lohnnebenkosten stunden kann – und zwar nicht auf drei oder sechs Monate, weil das bringt nichts, sondern auf mehrere Jahre.

Du würdest also für Sondermaßnahmen für Startups plädieren. Wie könnte ein solcher Fonds aussehen? Gibt es internationale Vorbilder?

Es gibt sehr konkrete Pläne in Deutschland, so etwas zu machen, und es gibt in Frankreich ein Vier-Milliarden-Paket für Startups. Ich gehe ma davon aus, dass die Dinge, die ich angesprochen habe, dort adressiert werden. Für Österreich würde man zwischen 500 Millionen und einer Milliarde brauchen, um da wirklich hilfreich zur Seite stehen zu können. Da wäre mit 10, 20, 30 Millionen wenig getan.

Wie realistisch ist es, dass es in Österreich eigene Maßnahmen für Startups geben wird?

Lustige Frage, keine Ahnung. Ich rede seit zehn Jahren davon, was man für Startups nicht machen könnte, und es passiert davon nichts. Es wäre überraschend zu sehen, wenn es jetzt ein eigenes Startup-Paket gebe. Aber es wäre natürlich gut. Weil ich auch glaube, dass am Ende der Krise, also wenn das Coronavirus unter Kontrolle ist, dann erst die richtige Wirtschaftskrise auswirken. In dieser Phase werden für Startups die Karten innerhalb von Europa neu gemischt werden. Das wäre eine riesengroße Chance für Österreich, ein bisschen von dem aufzuholen, was wir in den letzten Jahren versäumt haben.

Ich glaube, dass es dann umso wichtiger wäre, dann eine genügend große Zahl von Startups zu haben, wo es wirklich um Innovation und Disruption geht, weil genau das ist, was dann fehlen wird. Es wird unglaublich viele Bereiche geben, wo man etwas tun kann. Aber das hilft nur den Startups, die es dann noch gibt und nicht denen, die vorher an Geldmangel eingegangen sind.

Die Karten könnten neu gemischt werden – in welchen Bereichen?

Wer weiß das schon im Moment. Es ist aber ganz sicher so, dass die Welt danach eine andere sein wird, es wird insgesamt andere Values geben. Wie genau, weiß ich noch nicht. Aber das ist der große Vorteil der Startups. Sie sind in der Lage, wie Schnellboote zu handeln und können sich sehr schnell auf neue Gegebenheiten einstellen. Ganz anders als große Corporates. Nach der Corona-Krise, sagen wir mal im Herbst, werden die ihre Scherben aufräumen und irrsinnig mit ihren inneren Strukturen beschäftigt sein. Die haben alle Überbrückungskredite bekommen, die haben das Geld. Das wird also alles langsam vor sich gehen.

Einmal abgesehen von staatlichen Maßnahmen – ist es aktuell überhaupt möglich, Geld bei VCs zu holen?

Die VCs haben grundsätzlich sehr viel Geld – etwa Speedinvest oder VCs in Europa und den USA. Grundsätzlich neigen die natürlich dazu, bei Neu-Investments vorsichtiger zu sein und zu schauen, dass erst mal das eigene Portfolio Geld hat. Sie müssen mehr Geld ins eigene Portfolio stecken, weil dass Fundraisen generell schwieriger wird.

ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist, Fundraising zu machen, aber es wird länger dauern, und es hängt von der Branche ab. Wenn es eine Industrie ist, die durch die Corona-Krise profitiert, dann wird es dort Geld geben.

Ist diese Krise ein Katalysator für die Digitalisierung, gerade in Europa?

Ja, das glaube ich schon, aber es wird nicht so sein, dass ab 1. Jänner nächsten Jahres alles schneller geht. Der Prozess der Digitalisierung wird schneller gehen. Insgesamt wird es für Startups ein besserer Boden sein, aber natürlich nur für die, die es dann auch noch gibt.

Du hast gesagt, nach der Krise wird es neue Werte geben – wie könnte das aussehen, etwa im Business-Bereich? Wir etwa ein Rückzug ins Heimische, ins Nationale stattfinden?

Das weiß ich nicht. Aber ich glaube schon, was das Reisen angeht, was große Events angeht, dass es Änderungen geben wird. Diese Video-Calls, wie wir sie jetzt machen, werden ein wichtiger Teil unserer Zukunft sein. Man wird weniger reisen und mehr dieser Video-Calls machen. Das ist eine logische Konsequenz dessen, was da passiert. Die Leute werden weniger ins Ausland reisen, sie werden vorsichtiger sein, und die Leute werden die Hygiene mehr schätzen.

Weiter denken will ich da nicht. Da gibt es Philosophen, denen man zuhören kann, die uns wunderbare Bilder malen die sind dazu berufener als ich das bin. Ich da eher pragmatisch: bei dem, was passieren wird, wo könnte da ein potenzielles neues Geschäftsmodell liegen, wo sind Chancen für Innovaiton, wo sind Chancen für Startups.

Hansi Hansmann ist Investor von Trending Topics.

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