Hansi Hansmann: „Es wird sehr viele Startups geben, denen jetzt das Geld ausgeht“
Er ist wohl der bekannteste Startup-Financier Österreichs und wurde 2023 für sein Lebenswerk als Österreichs wichtigster Business Angel des Jahres ausgezeichnet: Hansi Hansmann. Nicht nur in Österreich, sondern auch im ganzen europäischen ein bedeutender Investor und seine Hans(wo)men Group unterstützt auch im Jahr 2024 weiter vielversprechende Jungunternehmen. Und es ist das Jahr 2024, das mit einer schweren Finanzierungslage, einer möglichen Zinswende und einem Haufen an wichtigen Wahlen sehr spannend wird, über das wir mit Hansi Hansmann gesprochen haben.
Für alle, die dich (und das sind sicher wenige) nicht kennen, auf deinem LinkedIn-Profil steht immer noch “Currently Not Investing“, aber das stimmt ja nicht, oder?
Hansi Hansmann: Nein, das stimmt nicht. Obwohl wir relativ viel investieren im Moment, habe ich das dort stehen lassen, weil ich genug Dealflow kriege über andere Quellen.
Gib uns mal den ganz kurzen Recap auf das Jahr 2023. Das war ja doch ein von Krisen geprägtes Jahr. Wie ist es für dich und die Hans Woman Group verlaufen?
Insgesamt bin ich eigentlich recht zufrieden. Wir haben, glaube ich, fünf oder sechs neue Investments gemacht. Wir haben schon viele Companies aus dem Portfolio unterstützt, teils mussten wir das und teils haben wir es gerne gemacht. Das Portfolio ist jetzt insgesamt über 50 Companies groß und da steckt von sehr reifen Unternehmen bis zu sehr vielen jungen Firmen eigentlich alles drinnen. Nur zwei, drei Companies sind sozusagen ausgeschieden, das wäre in diesen Fällen aber früher oder später ohnehin passiert, weil das Geschäftsmodell einfach nicht so gepasst hat, wie ursprünglich gedacht.
Das heißt, entgegen manchen anderen hast du den Glauben an Startups nicht verloren?
Ganz im Gegenteil! Ich glaube mehr an Startups als je zuvor, weil ich einfach davon überzeugt bin, dass wir, was die Digitalisierung betrifft, immer noch erst am Anfang stehen und mit den neuen Möglichkeiten und den neuen Geschäftsmodellen, die sich durch AI auftun, einfach noch mehr Potenzial da ist. Obwohl es gerade nicht die allerbesten Zeiten sind, ist es, was Fundraising betrifft, ein guter Moment neue Companies zu starten. Denn Unternehmen brauchen am Anfang relativ wenig Geld. Sie brauchen ein bis drei Jahre, bis sie ihren Product Market Fit gefunden haben und größere Runden raisen können. Und deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt anzufangen. Und ich bin optimistisch, dass wir 2025, spätestens 2026, wieder so weit sind, dass es genug Geld gibt, um gute Seed Rounds sowie Series A und Series B aufzustellen.
Das klingt ein wenig danach, als wäre 2024 auch ein Jahr des Neuanfangs.
Ich glaube eigentlich eher, dass es ein sehr schwieriges Jahr wird. Ich befürchte, es wird sehr viele Startups geben, denen jetzt das Geld ausgeht und die raisen müssen. Das heißt, es wird sehr viel Gerangel geben um eine etwas geringere Menge an Geld. Die Zinswende ist noch nicht wirklich da und die großen Krisenherde sind nach wie vor da. Es gibt den Ukraine-Krieg, es gibt den Nahostkrieg, es kommen die Wahlen und es besteht die Gefahr, dass Trump wieder US-Präsident wird. Das sind alles eher schlechte Vorzeichen. Aber natürlich kann es auch schnell in die andere Richtung gehen. Das darf man nie außer Acht lassen.
Du hast aber auch in einem Interview kurz vor Weihnachten zu uns gesagt, das es auch ein Jahr der großen Möglichkeiten wird. Für wen kommen diese Chancen daher und für wen nicht?
Cash is King, würde ich dazu sagen. Wenn man viel Cash hat, dann wird es sehr viele Möglichkeiten geben. Denn viele Firmen, denen jetzt das Geld ausgeht, werden nach Alternativen zu Finanzierungen suchen, zum Beispiel einen Assetverkauf oder einen Merger mit einem passenden Unternehmen. Und genau hier haben diejenigen, die Cash haben, viele spannende Möglichkeiten. Es wird zu einer Marktbereinigung beziehungsweise Konsolidierung kommen.
AI ist 2024 weiterhin in aller Munde. Wie wird es hier weitergehen und gibt es viele AI-Firmen in deinem Portfolio?
Faktisch setzt der Großteil meiner Companies im Portfolio auf AI. Etliche haben es schon immer gemacht und andere mussten sich im letzten Jahr intensiv damit auseinandersetzen. Es hat sich herausgestellt, dass durch AI das Geschäftsmodell schneller, besser, effizienter und günstiger werden kann. Firmen müssen das machen, weil sie sonst überholt werden. Und das findet nicht nur in meinem Portfolio statt, sondern überall. Es gibt aber auch ein paar Firmen, die AI weniger brauchen, zum Beispiel im Hardware-Bereich.
Im Hardware-Bereich sind unter anderem viele ClimateTechs unterwegs. Zum Beispiel hat Northvolt, der Batteriehersteller aus Schweden, Dutzende Milliarden Euro aufgenommen.
Ich habe einige Hardware-Startups im Portfolio, die ganz großartig laufen. Eines davon ist Tractive, das ein GPS-Gerät für das Hund- oder Katzenhalsband bietet, um die Haustiere orten zu können. Da fährt die Eisenbahn drüber. Ein anderes ist Journi, das tolle Fotobücher bietet. Beide haben sich ganz großartig entwickelt, vor allem im letzten Jahr.
Bis vor zwei, drei Jahren haben auch ganz viele Startups auf das Konzept SaaS (Software-as-a-Service) im B2B-Bereich gesetzt. Ist das immer noch eine gute Idee oder gibt es hier eine Übersättigung?
Ich persönlich bin gar nicht so ein Riesenfan von SaaS-Startups. Ich habe vor einigen Monaten mal meinen Track-Record angeschaut und interessanterweise sind alle meine großen Exits B2C-basiert und nicht B2B-SaaS. Aber der Bedarf ist bei anderen Investor:innen nach wie vor da, wenn auch etwas gedämpft.
Kommen wir auf deine Beteiligungsfirma zu sprechen, die Hans(wo)men Group, ihr macht auch immer wieder Treffen, wo sich unzählige bekannte österreichische Founder und Gründer:innen versammeln. International redet man oft von der PayPal-Mafia oder der Skype-Mafia, ist die Hans(wo)men Group auch so eine Mafia (im positiven Sinne)?
Sicher, weil schon ein recht starker und guter Zusammenhalt innerhalb der Gruppe besteht. Die Mitglieder unterstützen sich gegenseitig, nicht nur bei den Workshops und den regelmäßigen Treffen. Wir haben auch einen gemeinsamen Slack-Channel, wo wir uns austauschen. Wenn jemand irgendein gröberes Problem hat, dann stellt er die Frage in den Slack-Channel und kriegt üblicherweise innerhalb einer halben Stunde mehrere Antworten, weil schon irgendjemand anderer im Portfolio genau durch diese Problematik durchgegangen ist. Wir haben in der Zwischenzeit auch Sub-Gruppen, die in den letzten zwei Jahren relativ viel in Spanien investiert haben, wir haben jetzt schon sechs spanische Portfolio-Companies und wir machen auch zweimal im Jahr in Spanien ein Treffen.
Zu Spanien hast du ja ganz besondere Beziehungen, das ist ja quasi dort, wo du dein Vermögen, dein Unternehmertum aufgebaut hast, oder?
Ja, ich habe 20 Jahre in Madrid gelebt und habe auch immer noch einen Wohnsitz in Spanien an der Küste. Wir haben auch eine Investmentmanagerin, die in Barcelona vor Ort ist. Dort haben wir bislang auch meistens investiert, Barcelona hat ein großartiges Startup-Ökosystem mit wesentlich diverseren Gründerteams als beispielsweise in Österreich.
Ein weitere Trend in den letzten Monaten bei den großen Finanzierungsrunden in Europa, unter anderem auch bei GoStudent, ist Fremdkapital. Hier stellen beispielsweise Banken Kredite. Ist das ein zeitweiliger Trend, weil die großen VCs ein bisschen zögerlicher sind?
Fremdkapital hat Vorteile und Nachteile, es ist üblicherweise deutlich billiger als Equity, aber es eignet sich im Prinzip nur für die Wachstumsphase. Denn im Falle eines Exits muss genug Geld da sein, um Fremdkapital zurückzuzahlen und danach noch Kapital für die einzelnen Shareholder und Gesamtkosten übrig zu haben. Wenn die Firma sich nicht ganz so toll entwickelt, kann es sein, dass das Fremdkapital den Großteil des Exit-Geldes nimmt und für die Shareholder sehr wenig übrig bleibt.
In deinem Portfolio gibt es 2024 ein paar “Shining Stars”. Von welchen Companies aus deinem Portfolio wird man die positivsten Sachen hören, denkst du?
Es gibt ein paar Companies, die interessanterweise praktisch immun gegen Rezessionen sind. Dazu zählt zum Beispiel Tractive. Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn ich nicht in der Zeitung gelesen hätte, dass wir in einer Rezession sind, aus den Zahlen von Tractive hätte ich das nicht herauslesen können. Hier gab es seit dem Launch 2013 ein ungebremstes Wachstum. Hier wird man auch weiterhin Großartiges hören, da bin ich ganz sicher. Ähnlich sieht es bei Journi aus. Dann gibt es natürlich Firmen wie Storbox und Anyline, die sehr gut unterwegs sind, auch wenn sie ein bisschen von der Rezession betroffen sind.