Interview

Hansi Hansmann: „Wir haben nicht genug Startups von entsprechender Qualität“

Business Angel Hansi Hansmann. © Jakob Steinschaden
Business Angel Hansi Hansmann. © Jakob Steinschaden
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Business Angel des Jahres 2011, „Best European Early Stage Investor“ 2015, Mitgründer und Präsident der „Austrian Angels Investors Association“, Aufsichtsrat der startup300 AG, Investor beim Speedinvest-Fonds und früher Geldgeber bei den drei großen österreichischen Exits Runtastic, Shpock und mySugr: Hansi Hansmann ist eine der wichtigsten Figuren der österreichischen Startup-Szene.

Im Interview (auch als Video, siehe unten) spricht er mit Trending Topics nicht nur über den Verkauf des Diabetes-Startups mySugr an Roche, sondern auch über die „Totgeburt Risikokapitalprämie“, die anstehende Nationalratswahl, die neuen Aktivitäten im Startup-Fonds-Bereich, die neuen Startup-Hubs in Wien und Linz und das bedingungslose Grundeinkommen:

Trending Topics: Wie stark ist mySugr vor dem Exit unter Zugzwang gestanden? Konkurrenten im Markt für digitale Diabetes-Lösungen haben viel Risikokapital bekommen, es haben sich große Allianzen (z.B. Google und Sanofi gebildet).

Hansi Hansmann: Unter Zugzwang waren sind wir zu Beginn des Prozesses sicher nicht gestanden. Etwa Vor einem Jahr haben wir eine Finanzierungsrunde zu planen begonnen, und da hat sich ergeben, dass einer der Player, mit dem wir geredet haben, gesagt hat, er wäre interessiert, uns zu kaufen. Vor einem Jahr wäre es kein Problem gewesen, eine Finanzierungsrunde in der Größenordnung eines US-Konkurrenten zu machen. Aber wenn du sehr lange mit einem Einzelnen redest, hoffst du natürlich, dass es zu einem Abschluss kommt. Wenn das nicht geklappt hätte, dann wäre eine Finanzierungsrunde sicher mühsam gewesen.

Die mySugr-Gründer haben dann angekündigt, ihren Mitarbeitern aus den Verkaufserlösen mehr als eine Million Euro zu schenken. Eine tolle Idee?

Ich finde das eine ganz tolle Idee. Das hat ganz sicher mit der speziellen Unternehmenskultur bei mySugr zu tun. Unter den Gründern sind Typ-1-Diabetiker dabei, eine sehr komplizierte Krankheit, die man durch die Lsöung von mySugr viel besser in den Griff bekommen kann, und viele mySugr-Mitarbeiter sind Typ-1-Diabetiker. Das schweißt ganz besonders zusammen, und diese Team-Geschlossenheit ist eine andere als es bei anderen Startups üblich ist. Daher ist das eine nicht ganz unlogische Geste, ich finde das persönlich ganz toll.

Deine drei großen Exits – Runtastic, Shpock und mySugr – zeigen ein System: Sie wurden an europäische Konzerne verkauft, und der Standort wurde in Österreich belassen. War dir das persönlich wichtig, dass diese Deals so über die Bühne gehen und nicht anders?

Die Käufer (Adidas, Schibsted, Roche, Anm.) haben gewusst, dass es nix bringt, die Startups in die Organisation zu integrieren. 47 Leute von Wien in eine andere Stadt zu versetzen, das funktioniert eh nicht, da geht eh nur ein Bruchteil mit. In dem Moment, in dem das Team auseinandergerissen wird, ist ein Gutteil des Preises, den sie bezahlt haben, eigentlich verloren gegangen. Das wäre sicher eine sehr unschlaue Entscheidung gewesen.

Diese Woche gab es mit Prescreen schon wieder einen Exit in Österreich. Wärst du da gerne dabei gewesen?

Das ist eine lustige Frage. Natürlich wäre ich gerne bei jedem Exit dabei gewesen, geht aber natürlich nicht. Ich kenne Prescreen nicht und gratuliere den Gründern zum Erfolg, finde ich ganz toll. Das zeigt auch, dass es in der HR-Branche, wo ich ja mit meinem Portfolio durchaus auch vertreten bin, einiges in Bewegung ist. Das ist für mich und mein Portfolio ein sehr positives Signal.

2017 gab es mit mySugr und Prescreen nun schon zwei große Exits. Ein gutes Signal für die Startup-Szene nach dem eher dürftigen Jahr 2016 in punkto Exits?

Ja, es geht wieder schneller voran. Aber bei uns in Österreich bräuchten wir jedes Jahr drei bis fünf wirklich gute Exits, um die Startup-Szene aus dieser Richtung immer wieder zu unterfeuern. Diese Erfolgserlebnisse sind notwendig, um die vielen anderen, die jeden Tag beinhart dran arbeiten, weiter zu motivieren. Denn oft sind Startups über viele Monate hinweg mit wenigen Erfolgserlebnissen gesegnet, und man holt sich diese Erfolgserlebnisse über Leute, die man kennt, die es geschafft haben und von denen man weiß, wie die gelitten haben. Und es ist wichtig, dass die Politik vielleicht irgendwann mal erkennt, wie wichtig ein funktionierendes Ökosystem ist und dass es tatsächlich und es langfristig viele Arbeitsplätze schafft. Bei mySugr ist ja der Plan, die Mitarbeiterzahl in Wien stark zu erhöhen. Durch steuerliche Incentives muss Privatgeld wirklich motiviert werden, in Startups zu investieren, dass ist das, was wir wirklich brauchen würden.

Da sind wir dann schon bei der neuen Risikokapitalprämie, die von Business Angels sehr kritisch gesehen wird.

Die Risikokapitalprämie gibt es und doch wieder nicht, sie ist eigentlich eine Totgeburt, so lange sie mit De minimis verknüpft ist (mehr dazu hier). Ich habe bereits in der ersten Woche mehrere Risikokapitalprämien beantragt, aber ich werde sie nicht in Anspruch nehmen, weil ich meinen Startups nicht die Möglichkeit nehmen will, selber Förderungen zu kriegen. Das ist ein absolutes No-Go. Die Lösung dafür: Steuerliche Incentivierung für Risikokapital. Ein Investment bis zu einem gewissen Betrag soll von der Steuer abgesetzt werden können. Das sollte auch Stiftungen inkludieren, weil in Österreich eben extrem viel Geld in Stiftungen liegt und extrem konservativ veranlagt wird.

Im Oktober wird gewählt. Gibt es aus deiner Sicht bzw. aus Startup-Sicht eine Optimal-Konstellation in der zukünftigen Regierung?

Nein, die gibt es nicht. Ich weiß, dass sich der Harald Mahrer (derzeitiger Wirtschaftsminister, Anm.) da sehr engagiert hat, und ich schätze auch seinen Anspruch der Gründerland-Strategie. Es wäre sicher gut, wenn er da involviert wäre. Der Bundeskanzler hat sich auch sehr für das Thema stark gemacht, aber entweder ist es nicht bis zum Ende durchgedacht worden, oder es war ein Popularitätsthema. Es haben sich ja alle abfeiern lassen für das Startup-Paket, und es ist echt traurig, dass da fast nix dahinter ist. Ich hoffe jedenfalls, dass die Parteien, die die Regierung bilden werden, erkennen, dass es fünf Minuten nach zwölf ist und dass unser traumhafter Standort nicht mit genug Geld versehen ist, um tatsächlich ein komplettes, funktionierendes Ökosystem zu machen.

Du hast schon öfters gesagt, dass du nicht mehr investieren wirst, hast es dann aber immer wieder doch getan. Wie geht es bei dir weiter?

Ich habe zu Beginn des Jahres beschlossen, heuer und nächstes Jahr kein Startup-Investment zu machen. Ich habe derzeit 45 aktive Startup-Investments, um die ich mich kümmere. Es wäre für mich und meine Gesundheit nicht so gut, wenn ich weiter investieren würde.

Für dich sind die Gründer wichtiger als die Idee. Doch eine Idee muss schon vorhanden sein, sonst funktioniert es nicht.

Natürlich investiere ich nicht in Gründer, auch wenn sie noch so gut sind, wenn sie keine Idee haben. Aber natürlich sind die Gründer wichtiger für mich. Ich könnte jederzeit aus meinen Startups ein Gründer-Team zusammenstellen, ihnen Geld geben, und die würden etwas auf die Beine stellen. In der frühen Phase, in der ich investiere, ist das Geschäftsmodell noch nicht das, was dann nach drei vier Jahren rauskommt. Da ändert sich noch so viel, dass es wichtig ist, die richtigen Leute auszusuchen, die dann in der Lage sind, einen Pivot zu machen oder sich anzupassen.

Im Fonds-Bereich tut sich mit capital300 und Apex Ventures derzeit einiges. Wie wird sich das entwickeln?

Für altes Geld sind diese Fonds genau das Richtige, die sollen ja nicht selber Angel Investments machen und sich die Nase blutig schlagen, sondern das Geld in einen Fonds von Leuten geben, die einen entsprechenden Track Record haben und wissen, wie sie ihren Job machen. Aber: Wir haben nicht genug österreichische Startups von entsprechender Qualität, in die man dieses Geld stecken kann. Österreich ist ein kleines Land, das muss uns schon bewusst sein. Deswegen ist es mindestens genau so wichtig, Startups aus dem Ausland nach Österreich zu bringen. Wir sollten Gründer und Entwickler lastwagenweise aus den CEE-Ländern hierher holen. Dann kann man viel Geld, das hier geraised wird, sinnvoll einsetzen. Denn jetzt wird viel von dem Geld, das in Österreich geraised wird, nicht in Österreich investiert.

Mit weXelerate, Talent Garden oder der factory300 in Linz gibt es viele Initiativen, Startup-Hubs zu kreieren. Stehen die in Konkurrenz zu einander?

Potenziell gibt es Synergien, und ich hoffe, dass sie die auch machen werden. Konkurrenz ist natürlich auch ein bissl da, aber Konkurrenz belebt ja das Geschäft. Für Startups ist das gut, sie haben künftig die Wahl zwischen unterschiedlichen Dingen. Weitere Konkurrenz entsteht aber auch um Geld von Corporates, gar keine Frage. Da wird sich das System durchsetzen, das am meisten für das Ökosystem und die Startups tut, und dass das Corporate eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen kann, die vernünftig ist. Seit dem Startup-Boom der letzten zwei Jahre gibt es natürlich viele Trittbrettfahrer, da muss man aufpassen.

Du gehst bei deinen Investments oft von Mega-Trends wie Health, Mobile etc. aus. Artificial Intelligence, InsurTech, Internet of Things, FinTech sind derzeit in aller Munde – auf was würdest du setzen?

Naja, eh alles, haha! Durch den Einsatz von Artificial Intelligence wird es möglich sein, einen anderen Trend, den es seit Jahren gibt, Wirklichkeit werden zu lassen: Big Data. Big Data gibt´s, viele meiner Startups haben unglaubliche Datenmengen in den letzten Jahren gesammelt. Daraus kann man wirklich etwas machen, aber es ist extrem schwer, wirklich gescheite Algorithmen zu bauen. Da wird Artificial Intelligence den großen Unterschied ausmachen. Ich persönlich glaube auch stark an Virtual und Augmented Reality, und zwar in Verbindung mit eCommerce. Da wird sich unglaublich viel tun, Virtual Reality wird unser Einkaufsverhalten stark beeinflussen.

Artificial Intelligence gepaart mit Automatisierung und Robotern ruft Ängste hervor, dass sie Menschen den Job kosten können. Wie gefährlich wird das?

Klar wird es zu einer starken Roboterisierung kommen. Es wird neue Jobs geben, aber nicht für Leute, die ihre Jobs verlieren werden. Das ist schon ein großes soziales Problem. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass kein Weg am bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) vorbei führen wird. Unsere Gesellschaft wird durch das BGE besser werden. Die Leute müssen aufhören zu sagen, dass sie ihr Geld niemanden geben wollen, der nix arbeitet. Faule Leute wird es immer geben, deswegen muss man das BGE mit einem motivatorischen Anreiz verbinden. Jeder sollte die Möglichkeit haben, durch Talent, Fleiß und Einsatz etwas dazuzuverdienen. Das wäre die Verbindung dieser neuen Welt mit unserem Konzept der sozialen Marktwirtschaft. Da sehe ich zumindest in der Theorie eine bessere Welt auf uns zukommen.

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