Interview

Hansi Hansmann: „Um Innovation zu lernen, brauch‘ ich nicht ins Silicon Valley pilgern“

Sichtlich happy an seinem Geburtstag: Hansi Hansmann. © Jakob Steinschaden
Sichtlich happy an seinem Geburtstag: Hansi Hansmann. © Jakob Steinschaden
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Am Montag hat Österreichs Vorzeige-Business-Angel Hansi Hansmann seinen 64. Geburtstag gefeiert. Im neuen Büro seines jüngsten Investments Kiweno, das sich zu Runtastic, Shpock, mySugr, Busuu oder Durchblicker.at gesellt, hat er nicht nur Torte serviert bekommen, sondern auch eine Menge Fragen von TrendingTopics.at.

Zuerst einmal alles Gute zum 64. Geburtstag. Warum hast Du heute nichts Besseres zu tun, als ein Interview zu geben?

Hansi Hansmann: Ich habe den heutigen Tag eigentlich für einen Besuch bei einem russischen Oligarchen im Ausland verplant gehabt, aber der Besuch ist kurzfristig verschoben worden. Dann hat mich die Bianca (Gfrei, Kiweno-Gründerin, Anm.) in ihr Büro eingeladen, und da kann man das ja ganz gut miteinander verbinden.

Danke dafür. Heuer hast du ja mit den Exits von Runtastic und Shpock schon zwei große Geschenke bekommen, sind da überhaupt noch Wünsche offen?

Das waren ja keine Geschenke, sondern von mir miterarbeitete Dinge, in beiden Fällen beinharte Arbeit. In erster Linie haben das die Gründer erarbeitet, ich habe das Business Angel mitgeholfen. Das waren die logischen Früchte der Arbeit, wo viele Dinge mit den richtigen Leuten richtig gemacht wurden. Dass diese beiden Start-ups gut gehen und sich das niederschlagen wird, war schon seit längerer Zeit klar.

Ok, aber welche Wünsche sind noch zu erfüllen?

Naja, da könnte sich heuer schon noch ein Exit ausgehen, da gibt es schon noch zwei, drei potenzielle Kandidaten.

Geburtstagstorte für Hansmann. © Jakob Steinschaden
Geburtstagstorte für Hansmann. © Jakob Steinschaden

Wer sind die die Kandidaten?

Haha! Oh nein, das werde ich nicht sagen.

Dann zur jüngeren Vergangenheit. Die Exits von Shpock und Runtastic haben dir einiges an Geld gebracht. Du hast immer wieder betont, dass du nicht mehr investieren wirst, was machst du nun mit dem Kapital?

Endgültig aus ist es bei mir nie, weil es immer etwas gibt, wo ich nicht nein sagen kann. Wenn ich nicht nach außen kommuniziere, dass ich nicht mehr investiere, würde ich von Anfragen überhäuft. Ohne Sekretärin und Büro ist das unheimlich mühsam, und außerdem sage ich ungern etwas ab, das tut mir weh. Aber ich kann mich halt nicht vierteilen, ich arbeite in dieser Lebensphase mehr, als ich mir jemals gedacht hätte. Aber ich möchte nicht mehr in der Frühphase investieren und nicht mehr als Lead-Investor. Das ist zeitaufwändig, und ich habe ja immer noch 16 Lead-Investments. Was das Geld ermöglichen wird: Ich kann bei diesen in der Zwischenfinanzierung großzügiger sein, und vielleicht mache ich die eine oder andere A-Runde mit. Aber Geld war bisher sowieso nicht mein limitierender Faktor sondern Zeit.

Gab es niemals die Idee, einen Hansmann-Fonds zu starten?

Nein, ganz sicher nicht. Ich bin ungeeignet dafür, fremdes Geld zu verwalten. Ich investiere nur eigenes Geld, da bin ich niemanden Rechenschaft schuldig, kann in zwei Minuten entscheiden, das mach ich, das mach ich nicht. Diese Freiheit ist mir unheimlich viel wert, und mit fremden Geld geht das nicht.

Aber wenigstens ein Assistent, der dich unterstützt?

Da müsste ich meinen Arbeitsstil verändern, ich hab ja nicht einmal ein Büro. Dann müsste ich ein Büro nehmen, das will ich auch nicht, und drum kämpfe ich mich bei den administrativen Sachen durch. Es sind schon gute und fähige Leute zu mir gekommen, die ein Jahr gratis für mich arbeiten wollten, weil sie meinten, dabei eine Menge lernen zu können. Aber meine Start-ups wollen halt mit mir reden.

Du bist der wichtigste Business Angel Österreichs. Wenn du nicht mehr als Lead-Investor in Frühphasen auftrittst, klafft da nicht bald eine Lücke auf?

Ich werde meine Arbeit ja in ähnlicher Form fortsetzen. Das Ziel für mich ist immer, dass das Start-up ein nachhaltiges Geschäftsmodell hat, das Cashflow-positiv ist. Ich habe nicht das Ziel, ein Projekt wie WhatsApp zu machen, das dann Facebook kauft, ohne dass es keine Revenues hat. Je größer meine Firmen werden, desto mehr Arbeit machen sie. Anschlussfinanzierungen und Exitverhandlungen bedeuten einen enormen Zeitaufwand für mich, mehr als drei Exit-Verhandlungen pro Jahr gehen nicht. Die Lücke, von der du sprichst: In der AIAA (Austrian Angel Investors Association, Anm.) gibt es einige Leute, die wir herangebildet haben. Hauptberuflich wie ich gibt es wenige, etwa den Michael Altrichter, den Stefan Kalteis. Und auch wichtig für die Szene: Wir haben jetzt erstmals sechs Gründer, also die vier Runtastics und die zwei Shpock-Gründer, mit viel Geld zur Verfügung. Meiner Meinung nach sind erfolgreiche Angels die besten Angels, sie sind ideal dafür, andere Gründer zu begleiten, so läuft das im Silicon Valley ja auch. Die Runtastics machen es ja jetzt schon, die sind etwa mit mir gemeinsam in LineMetrics und Tractive drinnen.

Stichwort Silicon Valley: Jemals dort gewesen?

Nein. Ich war mal in San Francisco, aber das war vor dem Tech-Zeitalter. Ich habe auch kein gesteigertes Interesse, ins Silicon Valley zu fahren, was soll ich auch dort machen?

Naja, es gibt viele Leute, die ins Silicon Valley pilgern und sich erhoffen, dort zu lernen, wie Innovation funktioniert.

Dazu brauche ich nicht ins Silicon Valley pilgern. Man weiß ja eh, was die machen, die Amerikaner haben eine andere Mentalität als wir Europäer. Sie sind extrovertierter, risikofreudiger beim Investieren, neigen mehr zum Unternehmertum und sind bessere Verkäufer. Das lernen wir nicht, indem wir dorthin fahren und uns das anschauen, wir müssen hier bei uns ansetzen. Wir müssen selbstständiges Denken, Unternehmertum schon in der Schule lehren. Dazu brauchen wir nicht ins Silicon Valley, dass wissen wir eh selber. Wenn so eine Kultur entsteht, aus der mehr Unternehmer hervorkommen, und so lange wir hier in Österreich das Geld noch haben und es in Innovation fließen lassen, kann das eine eigene Dynamik kriegen. Wenn wir das eine oder andere Start-up ins Silicon Valley verkaufen können, wo die Bewertungen ja höher sind, dann ist das cool. Dafür sind die schon gut genug, finde ich (lacht).

Vor etwa einem Jahr hast Du am Business Angel Day, auf dem auch Staatssekretär Harald Mahrer gesprochen hat, der für die Start-up-Politik zuständig ist, gesagt, dass du ihm ganz genau auf die Finger schauen wirst. Wie zufrieden bist du nach etwa sechs Monaten Gründerlandstrategie?

Mit dem Mahrer bin ich schon sehr zufrieden, ein gescheiter Kerl, setzt sich voll ein, versucht, alle seine Versprechen zu halten. Aber das ist es auch. Er rennt gegen Windmühlen, wir haben eine absolut unfähige Politik, eine Pattstellung zwischen den herrschenden Parteien. Wenn die noch ein paar Jahre am Ruder bleiben, wird uns das allen noch sehr weh tun. Es ist höchst an der Zeit, etwa Steuer-Incentivierungen für privates Geld zu bieten. Ich verstehe nicht, warum man sich das nicht einfach von UK abschauen und kopieren kann, ist das so schwer? 70 bis 80 Prozent des Risikokapitals ist in UK, weil die privates Investment forcieren. Auch die Arbeitszeitregelungen sind für Start-ups tödlich, die Lohnnebenkosten bringen sie um.

Dass so liberale Politik mit der SPÖ nicht zu machen ist, ist aber auch logisch, oder?

Ja, da muss man damit leben. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass unsere Überlebenschance in der Innovation liegt, und die liegt eben vorwiegend in Start-ups, und die brauchen privates Kapital. Die aws und die FFG wird das alleine nicht stemmen. Man muss endlich die Grundvoraussetzungen schaffen, und da ist es nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach zwölf. Da kann man nur mehr versuchen, den schlimmsten Schaden zu vermeiden. Im Wettbewerb um die besten Start-up-Citys gerät Wien immer mehr ins Hintertreffen.

Was wäre denn nun am wichtigsten, um die junge Branche zu stärken?

Privatkapital ist das eine. Das andere ist, dass wir nicht genug Start-ups aus Österreich alleine herauskriegen, aber wir haben den Vorteil, eine Anlaufstelle im CEE-Raum zu sein. Aber um Start-ups hier anzusiedeln, müssten wieder die administrativen Dinge einfacher sein, es müsste einen größeren Talent-Pool geben, dafür bräuchte es wiederum bessere Ausbildung.

Immer mehr große Unternehmen wollen mit Start-ups arbeiten. Welche Fehler werden dabei gemacht?

Man muss die richtigen Regeln finden, wie Corporates mit Start-ups zusammenarbeiten. Wenn sie in die Corporate-Struktur integriert werden – falsch. Ein Start-up muss immer möglichst in Ruhe gelassen werden. Start-ups leben von ihrer Kreativität. Corporates neigen dazu, Start-ups umzubringen, auch wenn sie es nicht wollen.

Wie wird sich das bei Runtastic und Shpock entwickeln, die jetzt großen Corporates gehören?

Springer hat das sehr gut gemacht, die haben Runtastic in Ruhe arbeiten lassen. Ich glaube, dass das auch bei Adidas der Fall sein wird. Sie werden nicht versuchen, es zu integrieren, sondern werden austesten, wo es Synergien gibt. Bei Shpock ist das noch mehr gegeben, weil es Schibsted gewohnt ist, in Start-ups zu investieren und denen zu helfen, Marktplätze aufzubauen. Runtastic bleibt in Pasching, Shpock in Wien, und beide werden weiter stark wachsen und versuchen, die langfristigen Erwartungen, die die Eigentümer haben, zu erfüllen. Nur mit Entscheidungsfreiheit kann man die Gründer motivieren, die sind ja vollkommen ungeeignet, als bezahlte Angestellte zu arbeiten und Anweisungen von oben zu befolgen.

Zu diesen zwei Deals, die einige vom Hocker gehaut hat: Kannst du Bewertungen von 220 Millionen Euro für Runtastic und die etwa 200 Millionen Euro für Shpock noch einmal erklären?

Es gibt so eine Art Marktpreis pro User, den Under Armour für MyFitnessPal (375 Mio. US-Dollar, Anm.) und Endemondo (85 Mio. US-Dollar, Anm.) gesetzt hat, so etwa vier Dollar pro User. Adidas hat etwa drei Euro pro User gezahlt und nun Zugang zu 70 Millionen Usern, und zwar nicht irgendwelchen Usern, sondern Sportlern. Das sind alles potenzielle Adidas-Kunden, zu denen sie keinen direkten Zugang hatten, weil sie bisher über ihre Outlets und den Großhandel verkauften. Ehrlich gesagt finde ich drei Euro pro User gar nicht teuer, das war ein super Deal für Adidas.

Und Shpock?

Bei Shpock kann ich die Summe nicht bestätigen, weil das nicht veröffentlicht wurde. Bei Shpock sind die Käufer der Meinung, dass das ein echter Gamechanger ist, aber was genau die sich ausgerechnet haben, kann ich nicht beantworten. Aber der Kaufpreis war eben Ergebnis einer Verhandlungsstrategie. Für mich sind Runtastic und Shpock zwei Erfolgsgeschichten auf Augenhöhe. Beide haben super Teams, und beide haben relativ früh auf Mobile gesetzt, beide waren am richtigen Mega-Trend, und beide haben immer mit vollen Fokus ihr Ziel verfolgt. Die haben einen unglaublichen Zug zum Tor.

In der Start-up-Szene gab es ja diese große Debatte um den Standort und die Schulterklopferei, die offenbar ein Problem ist. Dein Standpunkt?

Die beiden Exits haben bewiesen, dass man auch aus Österreich heraus große Erfolgs-Storys schaffen kann. So wahnsinnig viele Leute brauchen sich dafür nicht auf die Schultern klopfen, die Politik ganz sicher nicht. Das Einzige, was die Politik in beiden Fällen beigetragen hat, war, dass aws, FFG und im Fall von Shpock auch INiTS in der Frühphase unterstützt haben. Naja, und dann sind halt Firmen aus dem Ausland gekommen und haben zugeschlagen.

Vergangene Woche hat Hermann Hauser nicht nur verkündet, in Zoomsquare investiert zu haben, sondern auch Aktivitäten im Alpenraum setzen zu wollen. Wie findest du das?

Na super, wie soll ich das sonst finden? Ich kenne ihn gut, hat in UK sehr viel bewegt. An ihn sollten sich die österreichischen Politiker wenden und nachfragen, wie man ein Start-up-Ökosystem aufzieht. Ich finde es toll, dass er seiner Heimat jetzt etwas zurückgeben will, das kann man nur begrüßen. Der weiß, wie es geht.

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