Interview

Wie funktioniert die 4-Tage-Woche bei euch, Hektar Nektar?

Projekt 2028 © Hektar Nektar
Gründer von Hektar Nektar: Mark und Martin Poreda © Hektar Nektar
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Martin und Mark Poreda sind in der österreichischen Startup-Szene gut bekannt – für den Exit ihres ersten Startups kununu an Xing und nunmehr für ihr zweites Projekt Hektar Nektar, wo es um die Unterstützung von Imkern zum Schutz und Wiederaufbau von Bienenvölkern geht.

Ihr zweites, im Oktober 2017 gegründetes Unternehmen hat die Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden Arbeitszeit eingeführt. Im Interview erzählt Martin Poreda, welche Vor- und welche Nachteile sich bei diesem Modell ergeben.

Warum habt ihr die 4-Tage-Woche eingeführt?

Martin Poreda: Ich würde jetzt gerne erzählen, dass wir uns extensiv mit Themen wie Organisationspsychologie, Motivationsmodelle etc. beschäftigt und uns analytisch für eine 4-Tages-Woche entschieden haben. Nun – die Realität sah ein bisschen anders aus.

Nach dem Verkauf von kununu und dem Start unseres aktuellen Bienenschutz-Unternehmens Hektar Nektar haben sich mein Bruder und ich gefragt, wieviel Tage die Woche wir arbeiten wollen, wenn wir es nun ruhiger angehen wollen. Fakt ist, dass der Aufbau eines Startups – mit begrenzten personellen Ressourcen – die meiste Zeit zach und kräfteraubend ist. 4 Tage stellte für uns die richtige Balance aus Arbeit und Erholung dar.

Als die erste Mitarbeiterin eingestellt wurde, kam diese einfach in den Genuss einer 4-Tage-Woche – neben uns Gründern. Wie sähe das denn aus, wenn wir von einer Mitarbeiterin verlangen würden, 5 Tage zu arbeiten und wir nur 4 Tage im Haus sind?

Wichtig ist uns die Unterscheidung zwischen 4-Tage-Woche und 32-Stunden-Woche. Eine eindeutige 4-Tage-Woche definiert sich aus 4 Tagen Anwesenheit in der Firma und 3 Tagen Freizeit. Ein 32-Stunden-Misch-Masch mit reduzierten Arbeitszeiten/je Tag ist für mich keine 4-Tages-Woche!

Welchen Effekt hatte die Maßnahme auf Zufriedenheit, Krankenstände und Produktivität der Mitarbeiter im Vergleich zur 40-Stunden-Woche?

Die Zufriedenheit MIT einem 4-Tage-Unternehmen ist auf alle Fälle viel höher als in einem „normalen“ Unternehmen. Die Zufriedenheit IN einem 4-Tages-Unternehmen kann die verkürzte Arbeitszeit eher nicht erhöhen. Dafür müssen immer noch das Betriebsklima, die Arbeitsaufgabe und das Gehalt passen.

Die Produktivität kann ich schwer einschätzen, da ich keinen Vorher-Nachher-Vergleich habe. Meiner Meinung nach schafft man in 5 Tagen mehr, als in 4. Punkt aus. Vor allem in Bereichen wie etwa IT-Development und Sales – zwei grundlegende Bereiche für den Erfolg und das Überleben eines Startups – können einfach mehr Zeilen Code und mehr Telefonate geführt werden.

In anderen Bereichen wie etwa Produktentwicklung, Marketing – dort, wo es um Kreativität, Ideenfindung, Texten geht – glaube ich, dass es eindeutig positive Effekte bei der Produktivität geht.

Physisch krank werden die Mitarbeiter gleich viel – wohingegen psychisch eine 4-Tage-Woche eindeutig positive Effekte auf die Belegschaft hat. Uns ist ein ausgeruhtes, ausgeglichenes und zufriedenes Team auf alle Fälle lieber, weil das ein angenehmeres Betriebsklima schafft und wir die langsamere Entwicklung. Die paar weniger Zeilen Code oder die weniger geführten Sales-Calls nehmen wir dafür in Kauf.

Gibt es trotz weniger Stunden pro Woche das gleiche Gehalt wie für 40 Stunden?

Natürlich! Alles andere wäre eine Mogelpackung. Der Mitarbeiter sollte nicht darunter leiden müssen, dass er in ein Unternehmen kommt, wo eine 4-Tage-Woche etabliert ist. Wie vorher erwähnt müssen Arbeitsinhalte, Betriebsklima und das Gehalt passen – eine 4-Tage-Woche ist dann noch das Sahnehäubchen.

Arbeitet ihr als Gründer auch nur 32 Stunden?

Physisch sind wir bis zu 32 Stunden in der Arbeit anwesend. Dass man als Gründer über die 32 Stunden hinaus nie abschaltet und die Sorgen mit nach Hause nimmt, brauche ich der Trending Topics-Community wohl nicht erklären.

+++ Thomas Meyer: Der Wiener Chef, der die 32-Stunden-Woche eingeführt hat +++

Denkst du, dass sich die 4-Tage-Woche auch in größeren Unternehmen einführen lässt? Oder funktioniert es eher in kleinen Teams?

Tatsächlich glaube ich, dass die 4-Tages-Woche (die 32-Stunden-Woche sowieso) einfacher in großen Unternehmen umsetzbar ist, weil man dort Kollegen hat, die größere Arbeitslasten ausbalancieren können, man eher eine Urlaubs- oder Krankenstandsvertretung hat. Eine 4-Tage-Woche für ein Startup ist schon eine sehr bewusste Entscheidung, die wohl überlegt sein sollte.

Die Einführung einer 4-Tage-Woche definiert sehr stark die DNA eines Unternehmens, was sich etwa in geänderten Kommunikationsprozessen und einer notwendigen Selbstdisziplin aller Mitarbeiter widerspiegelt. Auf keinen Fall darf durch die Einführung einer 4-Tage-Woche mehr Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt werden, da sonst die positiven Effekte verpuffen!

Was sind die Vorteile aus Unternehmenssicht?

Eine 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt ist auf alle Fälle ein sehr attraktives Benefit für die Mitarbeitergewinnung. Solange nicht jedes vergleichbare Unternehmen ebenfalls eine 4-Tage-Woche hat, kann man damit auf alle Fälle punkten.

Die Zufriedenheit mit dem Unternehmen ist größer. Und meine persönliche Einschätzung ist, dass gerade in turbulenten Zeiten, wo in Startups die Gangart härter werden kann, die Nerven nicht sofort blank liegen, die Toleranzschwelle höher ist und man somit konstruktiver an die Bewältigung der Aufgaben herangeht. Das führe ich eben auf die Ausgeruht- und Ausgeglichenheit der Mitarbeiter zurück.

Gibt es auch Nachteile?

Der größte Nachteil ist eine Verlangsamung der ökonomischen Entwicklung des Unternehmens – zumindest in einem Startup. Fakt ist, dass wenn ein Mitarbeiter zwei Tage krank ist, die Woche quasi schon um ist und dort die benötigte Arbeitsleistung ruht. Auch denke ich, dass der Gewöhnungseffekt bei Mitarbeitern sehr schnell einsetzt und die Bereitschaft, in Krisensituationen eventuell auch freitags in die Firma zu kommen, zumindest zu Missstimmung führt.

Wie funktioniert die rechtliche und steuerliche Umsetzung?

Wir hatten damit keinerlei Themen. Die Anzahl der Urlaubstage in einem 32-Stunden-Unternehmen beträgt 20 Tage. Das Gehalt ist ja bei uns nicht aliquot sondern wie ein 38-Stunden-Gehalt berechnet. Entweder es ist so einfach oder wir haben einfach eine gute Steuerberatungskanzlei, die die Herausforderungen für uns gelöst und nicht uns damit belastet hat.

Würdest du die 4-Tage-Woche anderen Firmen empfehlen? Oder taugt sie nur in bestimmten Branchen?

Wie schon vorher ausführlich ausgeführt, muss eine 4-Tage-Woche zu den Gründern bzw. Vorgesetzten und deren Auffassung von Mitarbeiterführung und -motivation, zu den Persönlichkeiten und zur Arbeitsmoral der Mitarbeiter, zum Produkt/Dienstleistung und zum eigenen Anspruch an die Geschwindigkeit der Entwicklung und des Betriebsklimas des Unternehmens passen. Ein 4-Tage-Woche als Mode-Gag einzuführen, kann mitunter zu großen Schwierigkeiten, viel Enttäuschung und zur Gefahr für die Existenz der Firma führen.

Besteht bei dem Modell die Gefahr, dass Arbeit für 40 Stunden in 32 gepresst wird? Was wiederum fittere Mitarbeiter bevorzugt und langsamere benachteiligt?

Wenn für die Arbeit 40h benötigt werden, sollte keine 32-Stunden-Woche eingeführt werden. Wird von einem Mitarbeiter in 32 Stunden die gleiche Leistung wie in 40 Stunden erwartet oder sogar abverlangt, hat man das Prinzip einer 32-Stunde-Woche nicht verstanden und es ist Zeichen dafür, dass keine „32-Stunden-Werte“ im Unternehmen gelebt werden.

Eine 4-Tage-Woche ist vielmehr ein Ausdruck für eine bestimmte Unternehmens-DNA und steht für bestimmte Werte in Bezug auf Mitarbeiterführung und -motivation. Sie ist ein klares Bekenntnis zur Wichtigkeit und dem Wunsch nach einem guten Betriebsklima und zufriedenen Mitarbeitern versus Leistungsorientierung um jeden Preis. 

Möchtest du noch etwas loswerden?

Ja. Wir suchen für hektarnektar.com immer motivierte Sales-Mitarbeiter.

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