Interview

Hermann Hauser: „Kryptowährungen sind nur die Spitze des Blockchain-Eisbergs“

Hermann Hauser. © IECT
Hermann Hauser. © IECT
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Milliarden-Firmen im Portfolio, ein riesiger Exit (ARM ging um 32 Mrd. Dollar an Softbank), “Fellow of the Royal Society”, sein Nachbar heißt Stephen Hawking (ja, genau der!): Der in Wien geborene und heute in Cambridge lebende Unternehmer Hermann Hauser ist einer der erfolgreichsten Auslands-Österreicher. Seit geraumer Zeit gibt er seinem Heimatland zurück und hat bis dato in 18 österreichische Startups (u.a. Conda, Anyline, zoomsquare, kompany, byrd, VisoCon) investiert.

Im Interview mit Trending Topics spricht Hauser über seine Pläne für einen neuen Fonds für Investments, die Potenzial der Blockchain, sein Interesse an Ethereum und warum Kinder lernen müssen, dass Computer dümmer als wir Menschen sind.

Bei der Investors Academy, die kürzlich stattfand, ging es darum, angehende Business Angels “ready” für Investments zu machen. Was müssen die lernen?

Hermann Hauser: Ich habe mehr als 100 Investments in meinem Leben getätigt, da habe ich schon einige Erfahrungen sammeln können. Mir persönlich ist es wichtig, dass man auch die Technologie des Startups untersucht, weil ich Deep-Technology-Investor bin.

Sie haben in mehr als 100 Firmen investiert. Welche Fehler gibt es da zu vermeiden?

Wenn man in Deep Technology investiert, dann muss man akzeptieren, dass es große Ausfallraten gibt. 40 bis 60 Prozent der Firmen werden es überhaupt nicht schaffen, und da verliert man das ganze Geld, dass man investiert hat. Wenn dann aber Firmen funktionieren, und das hat sich bei mir sechs Mal so herausgestellt, dann werden das Milliardenunternehmen.

Oft hört man, dass das Team des Startups das Wichtigste ist. Ist für Sie die Technologie wichtiger als das Team?

Ich habe über die Jahre folgendes gelernt: Ein A-Team mit C-Technologie gewinnt immer gegen ein C-Team mit A-Technologie. Das Team ist schon wichtiger als die Technologie. Idealerweise sollte beides zusammen passen.

In Wattens haben Sie einen Vortrag zum Thema Skalierung gehalten. Was war da die Grundaussage?

Das Problem in Europa ist nicht die Zahl der Startups. In Europa haben wir mehr Startups als die Amerikaner. Das Problem bei uns ist, aus diesen Startups größere Firmen zu machen. Das funktioniert in Europa leider nicht so. Ich bin gerade zum Chairman des European Innovation Council gemacht worden, das sich mit Innovation in Europa befasst. Das soll eine größere Initiative des Framework Program 9 (FP9, Nachfolge des “Horizon 2020”-Programms der EU, Anm.) werden. Wenn das so durchgeht wie wir uns das erhoffen, werden wir da zehn bis 2020 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung haben, also bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr. Die Idee ist, aus dem sehr regen Startup-Ökosystem wirkliche Großfirmen hervorzubringen.

Was braucht es, um solche Großfirmen zu bauen?

Kapital ist dabei natürlich wichtig. In Europa gibt es vier Mal weniger Risikokapital als in den USA. Genauso wichtig ist die Qualität des Managements. Da gibt es gute Entwicklungen: Jetzt gerade passiert es das erste Mal, dass die besten Studenten an den Unis nicht mehr zu großen Unternehmensberatern oder Großbanken gehen wollen, sondern ein Startup machen wollen. Dieser kulturelle Umschwung, das wird uns dabei sehr helfen.

Sie haben bis dato in 18 österreichische Startups investiert. Wie geht es dem Portfolio?

Es gibt diesen Spruch: “Zitronen werden früher reif.” Es werden sich ein paar Fehler dabei sein, es werden Startups dabei sein, die nicht funktionieren werden. Aber derzeit sind noch alle 18 aktiv und es schauen alle gut aus, aber es wird sicher eines davon in den nächsten paar Jahren Schiffbruch erleiden. Auf der anderen Seite gibt es bei einigen Investments Anzeichen, dass die sehr schön wachsen werden.

Haben die österreichischen Startups im Vergleich zu Jungfirmen aus anderen Ländern spezifische Vor- und Nachteile?

Auf der technischen Seite sehe ich genau gleich gute technische Teams wie in Großbritannien oder den USA. An der Technik fehlt es nicht, aber an der Erfahrung der Teams. Das Ökosystem hier ist weit weniger ausgebaut. Bei meinem letzten Fonds in Großbritannien, “Amadeus 4”, sind 70 Prozent der Investments in Startups mit Serial Entrepreneurs, also mit Gründern, die das mindestens einmal schon gemacht haben. Aber wie wir mit Amadeus Capital Partners begonnen haben, war der Anteil der Seriengründer nur bei 10 Prozent. Das hat sich in den letzten 15 Jahren radikal geändert. In Österreich ist es noch so, dass die meisten Gründer das das erste Mal machen. Das ist ein Handicap.

Das Haupt-Handicap in Österreich ist aber die Absenz von Venture Capital. Der VC-Fonds von Speedinvest, in den wir auch investiert sind, funktioniert wirklich gut, aber das ist es schon.

Warum machen nicht Sie selbst einen Fonds dezidiert für Österreich?

Wir haben mit IECT Capital Partners einen kleinen Fonds, also eine Gruppe von Business Angels, die bei der Hermann Hauser Investment GmbH mitmachen. Wenn das weiterhin so gut läuft, ist es durchaus möglich, dass ich in der Zukunft einen Fonds mit meinen Cousins aufmache.

Sie haben in Cambridge das Ökosystem mit aufgebaut. Business Angel Selma Prodanovic hat kürzlich gesagt, dass wir in Österreich nach dem Hype um Startups stehen und jetzt wir uns in der “Phase der Bereinigung“ befinden. Ist so eine Phase notwendig oder gefährlich?

In der Hochtechnologie gibt es immer Phasen von großem Optimismus. Dann funktionieren ein paar Dinge nicht, dann werden die Leute pessimistisch. Gott sei Dank ist es bis jetzt immer so gewesen, dass die Täler immer höher werden und die Berge immer höher werden. Wenn man sich den Durchschnitt anschaut, bin ich eigentlich sehr zuversichtlich.

Blockchain und Bitcoin sind aktuell sehr heiße Themen. Suchen Sie selbst nach Blockchain-Startups, oder ist das derzeit zu stark gehypt?

Es gibt drei Technologien, die unser Leben in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren grundsätzlich verändern werden:

Machine Learning, weil es eine horizontale Technologie ist, die sich in vielen Sparten wirklich dramatisch auswirken wird, besonders in der Autoindustrie. Meine Prognose ist, dass es in zehn Jahren drei bis fünf der größten Autofirmen der Welt nicht mehr geben wird. Die Macht der Autofirmen wird auf die Service-Firmen übergehen. Das ist eine reine Konsequenz des maschinellen Lernens, dass das autonome Fahren ermöglicht. Das Geschäftsmodell der Autohersteller wird dadurch vollkommen umgekrempelt. Die Kundenkontakte haben die Service-Anbieter, die Autohersteller werden nur mehr deren Zulieferer sein.

Die zweite Technologie ist Blockchain und die “Smart Contracts”. Die Kryptowährungen sind nur die Spitze des Blockchain-Eisbergs. Die Verbindung von “Smart Contracts” und Blockchain erlaubt, Geschäftsabläufe zu automatisieren. Die damit verbundene Produktivitätssteigerung ist genau das, was wir im Moment brauchen, weil die Zuwächse in der Produktivität in den westlichen Ländern weggeschmolzen ist. Maersk, die größte Container-Firma der Welt, ist ein gutes Beispiel dafür. Von jedem Dollar, den die ausgeben, gehen nur 8 Cent in das Verschiffen der Container, aber 20 Cent für den Papierkram. Maersk hat ein Riesen-Team auf die Blockchain angesetzt, um diesen Papierkram zu automatisieren.

Die dritte Technologie ist die synthetische Biologie. Die Gen-Synthese wird wirklich billig werden. Wir bekommen die Möglichkeit, den Grundbaustein für alle biologischen Systeme zu verbessern, und das hat irrsinnige Konsequenzen für das Gesundheitswesen. Man kann den Menschen vollkommen resistent gegen Viren machen. Die ganze HIV-Sache, die vielen Krankheiten in Entwicklungsländern wären in einem Aufwaschen weg.

Begeistern Sie sich selbst für Bitcoin und Ethereum?

Ja, für Ethereum. Ethereum ist die erste Blockchain-Implementierung, die “Smart Contracts” ermöglicht. Es sind also Ethereum-Projekte, die ich mir im Augenblick anschaue.

Sie leben und arbeiten in Cambridge. Wie hat Brexit bisher die Investments in die Digitalisierungsbranche beeinflusst?

Der Brexit ist eine Lose-Lose-Situation. Europa verliert, und England verliert noch viel mehr. Es ist eine tragische Sache, dass das durch die Inkompetenz der britischen Politik so passiert ist. Die erste unmittelbare Konsequenz ist, dass ein Drittel des englischen Risikokapitals fehlt, weil der European Investment Fonds (EIF) nicht mehr in englische Fonds investiert. Es gibt also schon jetzt Auswirkungen, obwohl Brexit ja erst in zwei Jahren Realität wird. Die britische Regierung ist momentan vollkommen handlungsunfähig.

Sie arbeiten gerne mit Kindern, um ihnen die Welt der Computer beizubringen. Wie machen Sie das?

Ich hab ihnen gesagt, dass die Computer irrsinnig dumm sind, weil die nur bis eins zählen können. Ich habe den Kindern (im Kindergarten in Alpbach, Anm.) gesagt, dass wir einen Computer bauen. Die Kinder, die gerade da gestanden sind, waren die Nuller, und die mit gehobenem Arm sind die Einser. Mit drei Regeln konnten die Kinder dann eine einfache Addition nachstellen. Das hat den Kids einen großen Spaß gemacht und sie haben so gelernt, wie ein Computer im Detail Bit für Bit funktioniert.

Sie wären also dafür, Kinder sehr früh Computer und Programmieren näher zu bringen?

Absolut. Man muss Computer demystifizieren. Kinder wachsen heute mit Computer auf, und sie müssen lernen, dass dahinter ein simples binäres Prinzip steckt. Die Kinder bei dem Spiel waren überrascht, dass die Computer um so vieles dümmer sind als wir.

Das bringt uns zu einem wichtigen Thema. Künstliche Intelligenz. Prominente wie Elon Musk oder Stephen Hawking haben vor ihr gewarnt. Ihre Position?

Mein Nachbar Stephen Hawking sagt richtigerweise, dass das Machine Learning die größte Errungenschaft der Menschheit sein kann, aber wir müssen aufpassen, dass es nicht unsere letzte Errungenschaft wird. Deswegen unterstütze ich in Cambridge das Centre for the Study of Existential Risk (CFER), wo darüber nachgedacht wird, welche Konsequenzen diese neuen Technologien haben werden.

Was ist Ihr dringendster Wunsch an die nächste österreichische Regierung?

Sich mit Innovation befassen. Der einzige Weg für westliche Länder, unseren Lebensstandard zu erhalten und hoffentlich zu erweitern, ist, innovativ zu sein und nicht so wie Trump alte Industrien zu unterstützen.

Sie haben Milliardenunternehmen mitgegründet und mit aufgebaut, einer ihrer besten Freunde ist Stephen Hawking, Sie sind “Fellow of the Royal Society”. Als Sie jung waren und in Wien lebten, haben Sie es sich damals erträumt, einmal reich, erfolgreich und berühmt zu werden?

Nein, das ist einfach so passiert.

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