Interview

Hermann Hauser: “Kamala Harris hat für Technologien eine positive Auswirkung”

Investor und Arm-Mitgründer Hermann Hauser. © I.E.C.T./Verena Nagl
Investor und Arm-Mitgründer Hermann Hauser. © I.E.C.T./Verena Nagl
Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

Eigentlich könnte er sich ja längst zur Ruhe setzen. Das von ihm mitgegründete Chip-Unternehmen Arm ist an der Börse mittlerweile 130 Mrd. Dollar wert, ums Geld kann es ihm also nicht mehr gehen. Doch der glühende Europäer und Investor Hermann Hauser ist so aktiv wie eh und je, und investiert regelmäßig (u.a. via Onsight Ventures) in Startups aus den Bereichen AI, Biotech oder Quantencomputing. Im Sommer hält er auch immer die „I.E.C.T. Summer School on Entrepreneurship 2024“, die regelmäßig für die nächste Gründergeneration sorgt.

Trending Topics: Gerade ist die Summer School für dutzende junge Gründer:innen zu Ende gegangen. Die Summer School dient dazu, um deren Ideen schneller voranzubringen. Woran arbeiten denn die jungen Unternehmerinnen da draußen derzeit am liebsten?

Hermann Hauser: Es war ja das 10. Jubiläum meiner Sommerschule hier in Tirol und ich hätte nie erwartet, dass die so erfolgreich wird. Und wir hatten dieses Jahr wieder 26 ausgezeichnete Projekte. Und weil das ganze Ökosystem sich so gut entwickelt hat, waren es eigentlich die besten Projekte, die wir jemals gesehen haben.

Wo sind die Projekte thematisch angesiedelt?

Wir machen ja nur Deep Tech. Wir haben Projekte aus der Halbleiterphysik, aus der Quantentechnik, aus der Medizin, aus der synthetischen Biologie und natürlich auch Software.

Wenn Sie sich mit diesen jungen Unternehmerinnen unterhalten, was erzählen die Ihnen vom Markt? Man hört ja überall, dass die Finanzierungslage schwierig ist.

Das ist natürlich der Fall und das stimmt. Die gute Nachricht: Wenn man sich die Statistiken anschaut über die Erfolge von Firmen, aber auch Venture Capital-Fonds, die in solchen Down-Periods gegründet werden, sind diese statistisch wesentlich erfolgreicher als die, die auf der Höhe der Hype-Cycle gegründet werden. Es ist schwieriger, in dieser Phase eine Firma zu gründen. Aber wenn es klappt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Erfolg wird, wesentlich höher.

Woran liegt das?

Weil während Downcycles viele gute Leute willens sind, Startups zu machen. Man hat auch Zugang zu guten Managern von großen Firmen, die oft Leute abbauen. Das heißt, das ganze Ambiente für Qualitätsteams ist wesentlich besser in einem Downcycle.

Die Summer School gibt es seit zehn Jahren. Was sind denn die Highlights und größten Erfolge?

Es ist eigentlich unglaublich, wie sich das entwickelt hat. Die Alumni unserer Sommerschule haben jetzt schon über 300 Millionen Euro geraised, von Quantencomputing bis Synthetic Biology und AI. Einer der erfolgreichsten ist planqc in München mit dem Alexander Glätzle, der vor einigen Jahren in der Sommerschule war. Und dann gibt es natürlich auch ParityQC hier in Innsbruck, das jetzt von Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, meiner Nichte, geführt wird, die ja die Sommerschule jahrelang geführt hat.

Bleiben wir  beim Thema Quantencomputer. Wie erklären Sie das einem Laien, was ein Quantencomputer besser kann als herkömmlicher Computer?

Ein Quantencomputer hat zwei Eigenschaften, die kein klassischer Computer hat. Quantencomputers werden auf Qubits aufgebaut und nicht auf normalen Bits. Und diese Qubits haben schon einmal die komischen Eigenschaften, dass der Informationsgehalt von einem Qubit nicht nur ein Bit ist, entweder Spin-Up oder Spin-Down, sondern der Spin kann in allen Zwischenregionen sein. Der theoretische Informationsgehalt von einem Qubit ist R2, also zweimal die reellen Zahlen. In der Praxis ist es natürlich viel geringer, aber es ist doch ein dramatischer Unterschied.

Die zweite ungewöhnliche Eigenschaft von Quantencomputer oder Quantenmechanik im Allgemeinen ist die Verschränkung. Die Verschränkung ist die Secret Sauce. Das ist der Grund, warum diese Quantencomputers so leistungsstark sind. Es hängt mit der Verschränkung zusammen, dass die Leistungsstärke von einem Quantencomputer exponentiell mit dem Anzahl von Qubits steigt. Wenn ich die Anzahl der Bits von einem klassischen Computer vergrößere, dann vergrößere ich die Leistungskraft linear. Im Quantenbereich ist es exponentiell. Also man braucht nicht viele Qubits, nur ungefähr 100. Wenn man 100 Qubits hat, kann man einen Quantencomputer bauen, der leistungsstärker ist als auch die größten Supercomputer, die wir im klassischen Bereich haben.

Schon heute ist mit klassischen Computern sehr viel möglich. Was kann man denn dann mit Quantencomputern machen. Was ist da vorstellbar?

Eigentlich lassen sich alle wirklich interessanten Probleme mit klassischen Computern gar nicht lösen. Abgesehen vom Cracking von RSA 2048, also der Hauptverschlüsselungsmethode, die wir im Augenblick haben. Das ist natürlich der Grund, warum die verschiedenen Regierungen in der Welt so viel Geld in die Quantencomputer stecken. Abgesehen von dieser Dechiffrierung sind die Hauptanwendungen Optimierungsprobleme wie zum Beispiel in der Logistik das Traveling Salesman-Problem. Das sind alles Probleme, die wesentlich leichter mit einem Quantencomputer anzugehen sind wie einem klassischen Computer.

Aber die langfristig wichtigste Anwendung, meiner Meinung nach, ist die Simulation von Quantensystemen. Die interessantesten Quantensysteme sind die Moleküle. Richard Feynman, der berühmte Nobelpreisträger in Physik, hat schon vor Jahren gesagt: Warum wollen Leute einen klassischen Computer verwenden, um ein Quantensystem zu simulieren? Die richtige Methode, ein Quantensystem zu simulieren, ist natürlich mit einem Quantencomputer. Der Grund, warum das so wichtig ist, ist, weil man eine Vision hat, mit Quantencomputern Moleküle, also Pharma-Moleküle zu simulieren, wie diese sich in Proteine einbauen und dann die schlechten Proteine stoppen oder die guten Proteine weiter vermehren. Wenn die Pharmafirmen das medizinische Drug-Development wesentlich schneller machen können, dann wäre das, meiner Meinung nach, langzeitig die wichtigste Aufgabe, die Quantencomputer lösen können.

Sie sind ja auch bei Onsight Ventures aus Tirol engagiert, die bei einigen Quanten-Startups investiert sind. Wann ist die Technologie marktreif? Von wann sprechen wir: 2030, 2040? Wann ist es so weit?

Ja, fünf bis zehn Jahre, bevor die wirklich marktreif sind und wirkliche Umsätze am Markt, bei den Pharma-Companies und auch den Autofirmen machen. Es sind ja viele Autofirmen daran interessiert, wegen der Logistik und den Optimierungsproblemen. Aber etwas ist passiert in der Quantentechnologie, was ich noch nie bei einer Technologie gesehen habe. Und zwar, dass es einen Markt für Quantencomputer gibt, bevor es den wirklichen Markt gibt. Und dieser Markt ist der Markt aller Regierungen auf der Welt.

Alle Regierungen haben jetzt summa summarum etwa 29 Milliarden Dollar für Quantencomputer bereitgestellt. Sie sind auch bereit, Quantencomputer zu kaufen, obwohl die noch nicht so leistungsfähig sind, weil sie eben glauben, dass sie unbedingt diese Quantentechnologie in ihrem Land haben müssen. Erschreckenderweise sind von den 29 Milliarden, die auf der ganzen Welt in Quantencomputer gesteckt werden, 15 Milliarden von den Chinesen.

Warum wollen die so dringend Quantencomputer haben? Geht es um Verschlüsselung und wie man sie durchbrechen kann? Ist Spionage der Hauptzweck?

Ja, die große Gefahr ist natürlich, wenn ein Staat die Verschlüsselung brechen kann und die anderen nicht, dann gibt das dem Staat einen irrsinnigen Vorteil. Deswegen sind jetzt alle Staaten bereit in den Quantencomputer-Bereich zu investieren. Aber langzeitig sind es natürlich auch die anderen Probleme der Optimierung und der Pharma-Moleküle.

Kommen wir vom Thema Quantencomputing hin zum Thema AI. Vor ein paar Jahren hätte Arm, das sie mitgegründet haben, an Nvidia, also den Chip-Riesen aus den USA, verkauft werden sollen. Sie waren streng dagegen und federführend dabei, dass der Verkauf am Ende verhindert wurde. War das im Nachhinein eine gute Idee?

Ich bin sehr stolz, dass wir das verhindern konnten, weil Nvidia sonst ein Monopol bei Mikroprozessoren bekommen hätte. Der Grund, warum das ARM gar nicht geschadet hat: Der Preis, den Nvidia zahlen wollte, waren ja 40 Milliarden. Arm ist aber dann um 52 Milliarden an die Börse gegangen. Und dadurch, dass jeder Nvidia-Chip 144 Arm-Chips hat, ist natürlich auch der Arm-Share-Preis gestiegen. Das sind jetzt nicht mehr 52 Milliarden, sondern 130 Milliarden. Also der hat fast 80 Milliarden zugelegt in dem Jahr, seitdem wir wieder an der Börse sind.

Wie sehen Sie den AI-Boom? Nvidia ist etwa drei Billionen Dollar wert. Ist das gerechtfertigt oder ist das dieser AI-Hype, diese AI-Blase, von der jetzt immer mehr sprechen?

Wenn neue Technologien auf den Markt kommen und die Verkaufszahlen so hinaufschnellen, dann gibt es diese Euphorie. Es ist irrsinnig schwer vorherzusagen, wie das weitergeht. Grundsätzlich glaube ich ja an die ungeheuren Vorteile von AI, weil sie eben direkt die Produktivität der Leute beeinflusst. Und man braucht kein Doktorat in Wirtschaftswissenschaften zu haben, um zu wissen, dass wenn die Produktivität steigt, dann geht es allen besser. Wenn ein Mensch produktiver ist, dann kann man mehr zahlen für das, was er macht. Und die Firmen machen auch mehr Profit. Eine Produktivitätssteigerung ist für alle gut.

ChatGPT ist bald zwei Jahre alt. Viele Startups, aber auch Google oder Apple sind nachgezogen mit ihren eigenen Large Language Models. Wie sehen Sie Generative AI eineinhalb, zwei Jahre nach diesem Urknall? Haben sich die vielen Versprechungen bewahrheitet?

Ja, das ist alles Work in Progress. In vielen meiner Firmen, in die wir investieren, zeigen sich 30 bis 70 Prozent Produktivitätssteigerung in gewissen Sparten. Besonders im Marketing und im Customer Relationship Management (CRM) und auch im Coding. Es ist wirklich erstaunlich.

Teilen Sie die Befürchtungen von vielen, dass da viele Arbeitsplätze wegfallen werden? Das schwedische Fintech Klarna ist ein aktuelles Beispiel: Die sagen, Sie können die Belegschaft halbieren mit Hilfe von AI von 4.000 runter auf 2.000. Da fragt man sich: Was machen diese 2.000 Menschen anderswo?

Das war immer schon so. Wenn neue Technologien gekommen sind, sind natürlich viele Arbeitsplätze verschwunden. Bis jetzt war es jedes Mal so, dass wir mehr neue Arbeitsplätze geschaffen haben, als alte Arbeitsplätze verschwunden sind. Das sind natürlich nicht die gleichen Arbeitsplätze. Das heißt, man muss die Leute umschulen. Das heißt nicht, dass diesmal auch so ist. Aber dadurch, dass die Produktivität so steigt, können natürlich die Firmen mit den höheren Gewinnen wieder mehr Leute einstellen.

Aktuell schaut es zumindest in Österreich und Deutschland eher nicht so aus, als wenn sehr viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Da ist eher die Rede von Rezessionsangst. Auch die US-Wirtschaft droht möglicherweise in die Rezession zu fallen. Was würde das für den Innovationsmarkt bedeuten?

Ich sehe das als zwei orthogonale Trends. Die Tatsache, dass man ein bisschen Rezession hat, hat ja auch mit der AI-Technologie nichts zu tun, weil die Beiträge, die AI jetzt in der Weltwirtschaft macht, ja noch immer ziemlich gering sind. Das ist ja gerade erst am Anfang. Aber ich sehe eben das Potenzial, dass mit AI wir größere Produktivität bekommen, deshalb auch größeres Wirtschaftswachstum und deshalb auch wieder neue Arbeitsplätze.

Ich glaube, wir können festhalten, das Sie ein glühender Verfechter der Europäischen Union sind?

Ja, das stimmt.

Warum eigentlich?

Das hat glaube ich angefangen mit einem Buch vom Club of Rome. Das haben damals alle 16-Jährigen in Europa bekommen und ich war einer davon. Darin wurde eben diese Vision gezeigt von einem Vereinigten Europa. Das war etwas, was ich emotionell damals vollkommen absorbiert habe, und ich bin noch immer ein großer Anhänger von der EU.

Wenn Sie dieses Idealbild der EU mit dem Ist-Zustand vergleichen, passt das noch zusammen für Sie?

Nein. Diese ursprüngliche Vision war natürlich sehr idealistisch. So perfekt, wie ich mir das vorgestellt habe, ist die EU natürlich nicht geworden. Aber wenn man sich anschaut, die Vorteile der EU gegenüber keiner EU zu haben, sind sie doch recht erstaunlich. Wir haben die zweitgrößte, zweitwichtigste Währung auf der Welt mit dem Euro. Wir haben seit dem Zweiten Weltkrieg einen Frieden hier, der teilweise auf die EU zurückzuführen ist und wir haben eine Prosperität, die wir sonst nie erreicht hätten.

In vielen, vielen Ländern sieht man, dass die rechten Parteien, die Rechtspopulisten am Vormarsch sind. Was bedeutet das für den Innovationssektor, der ja stark durch Investitionen, durch Forschungsausgaben getrieben wird?

Die Rechtspopulisten sind nicht unbedingt gegen die Technologie. Es gibt natürlich einige die extreme Auffassungen. Das ist ein Problem, aber ich hoffe eben, dass mit der neuen Kommission, die wir jetzt gerade haben, diese Programme weitergehen werden. Ich nehme das auch an.

In US-Investorenkreisen gibt es mittlerweile schon viele, viele Memes darüber, dass die EU Marktführer bei Regulierung ist, aber sonst nirgends. Hat sich die EU mit dem AI Act einen Gefallen getan?

Das wird sich erst zeigen. Die Grundideen vom AI Act, glaube ich, sind nicht schlecht. Es kommt jetzt ganz auf die Implementation an, wie das interpretiert wird in allen Mitgliedsstaaten. Aber es gibt ein paar Statistiken, die man doch akzeptieren muss. Europa hat jetzt mehr Startups als Amerika, also das ist ja erstaunlich. Unser größtes Problem ist jetzt, diese größeren Runden von ein paar hundert Millionen in eine Firma, die eben weltweites Potenzial hat. Was wenige Leute wissen, ist, dass Europa mehr Programmierer hat als Amerika und mehr AI-Programmierer.

Die Killer-Statistik ist, dass es eine Net-Immigration von Amerikanern nach Europa gibt und nicht umgekehrt. Viele amerikanische Tech-Leute finden also die europäische Lebensweise und die europäische Kultur von Interesse und ziehen das den USA vor.

Kürzlich haben ein paar US-Unternehmer lauthals geschrien, haben gesagt, sie verlassen sofort Europa. Anlass war, dass der Telegram-Gründer Pavel Durov in Frankreich festgehalten wurde. Es gibt schwere Vorwürfe gegen ihn. Elon Musk etwa ist gleich ausgeschwärmt und hat gesagt, das sei ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.

Der Elon Musk hat nicht immer recht. Ich bin da nicht Elon Musks Meinung. Ich glaube an die europäische Gerechtigkeit. Unsere Gerichte sind einigermaßen unabhängig. Ich glaube, das ist keine Verschwörung gegen die Meinungsfreiheit. Schauen wir uns mal an, was die Leute finden über den Gründer vom Telegram und dann bilden wir uns die Meinung, wenn die Fakten vorhanden sind.

Das nächste ganz große, wichtige Datum für diesen Planeten ist der 5. November, der Tag der US-Präsidentschaftswahl. Was denken Sie aus Innovations- und Startup-Sicht: Wer ist besser? Harris oder Trump?

Traditionell sind natürlich die Republikaner wirtschaftsfreundlicher als die Demokraten. Aber in Bezug auf Hightech, wie Sie ja wissen, ist Kalifornien eigentlich ein demokratischer Staat und die haben eigentlich gezeigt, dass sie mit Technologie recht gut umgehen können. Also ich glaube, wenn die Harris gewinnt, und das hoffe ich, dann hat das auch für die Technologien eine positive Auswirkung.

Vielen Dank, Hermann Hauser, für das Interview.

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