Hinter den Zahlen: Diese Frauen der österreichischen Startup- und Investorinnen-Szene solltest du kennen
Fast ein Drittel der österreichischen Startups werden von Frauen mitbegründet. Diese Zahl aus dem aktuellen Austrian Startup Monitor zeigt, dass Jungunternehmen ein wesentlicher Treiber in Sachen Diversität in der Wirtschaft sind. Denn in der “old economy” bleiben nach wie vor viele Aufsichtsrats-Stühle in großen Unternehmen leer, seit in Österreich eine Frauenquote von 30 Prozent eingeführt wurde. Im Schnitt sind nur 18 Prozent der Aufsichtsräte Frauen und die Geschäftsführung bleibt in Österreich überhaupt eine Männerdomäne. Nur 8,4 Prozent der umsatzstärksten Unternehmen des Landes werden derzeit laut einer Studie der AK Wien von Geschäftsführerinnen geleitet – weibliche Karrieren würden demnach meist in der zweiten oder dritten Führungsebene enden.
Mehr IT-Chefinnen
Für Innovationstreiber wie die Digitalbranche und die Startup-Szene wurden in dieser Hinsicht zwar noch keine konkreten Zahlen erhoben. Die jüngsten Branchen-Neuigkeiten lassen aber hoffen: Immer mehr bekannte Marken der Digital- und IT-Szene werden in Österreich von Frauen geleitet: Dorothee Ritz ist in Österreich Microsoft-Chefin, Infineon Österreich wird unter anderem von Sabine Herlitschka geleitet, Patricia Neumann ist Generaldirektorin von IBM Österreich und Google Austria hat seit Kurzem mit Christine Antlanger-Winter auch eine Chefin.
Der Anteil der Gründerinnen (12 Prozent) und Investorinnen ist zwar nach wie vor ausbaufähig, Frauen bilden in der Startup-Szene aber starke Netzwerke und bestimmen immer stärker mit, wohin die Reise geht. Auch Förderstellen und Politik werden weiblicher.
Das Ökosystem wird weiblicher
Bianca Gfrei hat 2014 mit Kiweno ein Startup mitbegründet, das mit Tests für Unverträglichkeiten eine medienwirksame Berg- und Talfahrt hinlegte. Nach einem Jahr in den USA – sie hat dort das Vitamin-Startup rootine aufgebaut – ist sie zurück und übernimmt als Head of Communications eine leitende Position in der neuen Digitalisierungsagentur (DIA) des Bundes, einem Vorzeigeprojekt des Wirtschaftsministeriums. Letzteres wird seit Jahresbeginn auch erstmals in Österreich von einer Frau, der ehemaligen A1-CEO Margarete Schramböck (hier im Interview zu sehen und zu lesen), geführt.
“Ich bin jetzt seit ungefähr sieben Jahren in der Startup-Szene aktiv”, sagt Lisa Fassl von der Initiative Female Founders und der Business-Angel-Vereinigung AAIA im Gespräch mit Trending Topics. “Ich habe zwar nicht das Gefühl, dass es wesentlich mehr Gründerinnen gibt, aber im Ökosystem gibt es mittlerweile einige Frauen und auch in Führungspositionen von Startups”.
INiTS: „Das ist harte Knochenarbeit“
Öffentliche Stellen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und das tun sie auch. Irene Fialka ist eine der zentralen Figuren an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft in Österreich. Seit 2004 begleitet sie bereits Wissenschaftler ins Unternehmertum, 2012 übernahm sie die Leitung des “INiTS”, des Gründerservices von TU Wien, Uni Wien und ZIT, von Michael Rauhofer.
“Wie ich dazu gekommen bin, habe ich in der ersten Projektbeiratssitzung ein 100 Prozent männliches Gremium vorgefunden”, erinnert sich Fialka im Gespräch mit Trending Topics. Drei Jahre habe es gedauert, bis sie eine Frau für das Gremium gefunden hatte. Heute ist der Beirat zu einem Drittel weiblich besetzt, aber: “das ist harte Knochenarbeit”, sagt die INiTS-Chefin.
i2c, tecnet, FFG, Wirtschaftsagentur Wien und Gründerservice
Und auch auf Geschäftsführer- und Management-Ebene tut sich etwas: An der TU Wien ist bereits vor sechs Jahren der universitäre Inkubator Innovation Incubation Center (i2c) gestartet – initiiert wurde er von der Wirtschaftsinformatikerin Birgit Hofreiter. Das Land Niederösterreich unterstützt Startups über die tecnet – auch mit Risikokapital – geleitet wird der 50-Millionen-Euro-Fonds ebenfalls von einer Frau, Doris Agneter.
Das Gründerservice der Wirtschaftskammer und die Forschungsförderungs-Gesellschaft FFG werden mit Elisabeth Zehetner-Piewald und Henrietta Egerth von Frauen geführt. Gabriele Tatzberger leitet die Startup-Services in der Wirtschaftsagentur Wien – ihr verdankt die Gründerszene Großevents wie “Gründen in Wien”.
Die Grande Dames im weXelerate
Mit Eveline Steinberger-Kern ist 2017 eine erfolgreiche österreichische Startup-Gründerin (The Blue Minds Company) ins Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt – sie ist mit dem damaligen Bundeskanzler Christian Kern verheiratet. Ob ihr das bei ihren eigenen Unternehmungen eher geschadet oder geholfen hat, darüber lässt sich wahrscheinlich streiten. Dass sie gemeinsam mit ihrem Mann der heimischen Startup-Branche zu viel Aufmerksamkeit verholfen hat und über sie hinausdauernde Projekte wie den großen Hub weXelerate angestoßen hat, ist aber unbestritten.
Im weXelerate haben weitere Grand Dames der Szene ihre Zelte aufgeschlagen: Maria Baumgartner war an der Gründung des Risikokapital-Fonds Speedinvest beteiligt und leitet dort nun die HR-Tochter Speedinvest Heroes. Beim gleichen VC arbeitet auch Marie Helene Ametsreiter, Partnerin bei Speedinvest, die als Investorin in der TV-Show “2 Minuten 2 Millionen” über die Szene hinaus bekannt geworden ist. Und ein paar Türen weiter im Hub am Donaukanal: Selma Prodanovic ist eine der wenigen weiblichen Business Angels des Landes und begleitet mit ihrer Unternehmensberatung Brainswork schon seit den frühen 2000er-Jahren Jungunternehmen.
Die Frauen der Männerdomäne Investoren-Szene
2012 hat Prodanovic mit Stefanie Pingitzer die größte Business-Angel-Vereinigung Österreichs aus der Wiege gehoben. Die Investoren-Szene ist aber nach wie vor eine Männerdomäne. “15 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen”, sagt AAIA-Managerin Lisa Fassl. Karin Kreutzer, Simone Pies oder Daniela Haunstein gehören zu den umtriebigsten unter ihnen. In absoluten Zahlen gibt es in Österreich vielleicht zwei Dutzend Investorinnen. Die Tendenz sei aber steigend, meint Fassl, und rechnet man Fonds-Managerinnen mit, sei der Anteil bereits viel höher. Ein wichtiger Punkt, denn Frauen treffen andere Investment-Entscheidungen: “Fragen nach dem gesellschaftlichen Sinn, dem Impact einer Geschäftsidee, die kommen eigentlich immer von Frauen”, so Fassl.
Seit 2013 gibt es mit Investorinnen.com ein von Sophie Martinetz (Future-Law) initiiertes und Irene Fialka und Selma Prodanovic unterstütztes Netzwerk speziell für die weibliche Business-Angel-Szene, die jährlich eine Konferenz mit Award-Verleihung ausrichtet.
Während Investorinnen in Österreich nach wie vor rar sind, sorgt eine junge Generation an Frauen an der Schnittstelle zwischen Startup und Kapital für mehr Diversität. Das Tiroler IECT von Hermann Hauser wird seit heuer von Magdalena Hauser geleitet – sie bestimmt seither die Startup-Programme des Instituts maßgeblich mit. Der Accelerator “Startup Live” wurde von Tanja Sternbauer mitbegründet und bereitet frühphasige Startups in einem Schnellprogramm auf Investments vor – das Geld kommt seit einer Beteiligung hauptsächlich von dem Linzer Investoren-Netzwerk Startup300.
„Female Founders“ erreicht eine Community von 4.500 Frauen
Lisa Fassl hat gemeinsam mit Nina Wöss und Tanja Sternbauer 2017 die Initiative Female Founders ins Leben gerufen. Der Verein hat mittlerweile rund 100 zahlende Mitglieder und veranstaltet regelmäßig Netzwerk-Events, auf denen Frauen von anderen Frauen lernen können. “Unsere Community erreicht insgesamt rund 4.500 Frauen, von denen viele auch aus CEE kommen”, sagt Fassl. Mit den Female Founders South gibt es in der Steiermark seit Kurzem einen Ableger – ein erster “Testlauf für lokale Communities”, so die Initiatorin, der sehr gut laufe.
Frauen-Startups: Gute Geschäfte, …
Dass Frauen bei neuen Geschäftsmodellen auf die Sinnfrage Wert legen, wie Fassl beobachtet, sieht man auch beim Blick auf erfolgreiche, von Österreicherinnen gegründete Startups. Klaudia Bachinger und Carina Roth vermitteln mit Wisr Senioren als erfahrene Mitarbeiter an Unternehmen. Claudia Winkler hat den sozialen Mobilfunker goood mitbegründet, der einen Teil des Mobilfunktarifs an NGOs oder Impact-Projekte spendet. Barbara Ondrisek hat eine erfolgreiche Chatbot-Agentur, aber gemeinsam mit Eva Lettner auch das Impact-Projekt Women&&Code ins Leben gerufen, über das Frauen einen kostenlosen Einstieg ins Programmieren finden. Nina Poxleitner und Lisa-Maria Sommer bringen mit More Than One Perspective (MTOP) geflüchtete Menschen und Unternehmen am Arbeitsmarkt zusammen und sind heuer in die Forbes-Liste “30 Under 30 Europe” gewählt worden.
… Roboter, Blockchain und AI
Von Frauen gegründete Startups haben aber nicht generell einen sozialen Aspekt. Anna Iarotska hat in Österreich mit Robo Wunderkind ein Hardware-Startup mitbegründet, das Roboter-Spielzeug entwickelt. Tubics hat eine SaaS-Lösung zur Optimierung von YouTube-Views entwickelt und mit Claudia Eder eine Frau im Gründerteam und die international erfolgreiche Reise-App journi ist von Bianca Busetti mitbegründet worden.
Mit Hydrominer hat selbst eines der bekannten Krypto-Startups aus Österreich eine Co-Founderin, Nadine Damblon. Erst kürzlich hat die österreichische Gründerin Sofie Quidenus-Wahlforss aufhorchen lassen – sie hat mit ihrem Berliner AI-Startup omni:us eine Finanzierung im zweistelligen Millionenbereich aufgestellt. Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen, aber dennoch endet sie nach wie vor zu früh: “Es gibt immer noch Luft nach oben, ganz besonders bei den Startup-Gründerinnen”, sagt Fassl.