Historische Zinswende im Euroraum mit +0,5% höher als erwartet
Die Zinswende ist da, und sie ist nicht zimperlich. Anders als von vielen erwartet, hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,5 und nicht bloß um 0,25% erhöht. Bereits am 27. Juli wird eine der wichtigsten geldpolitischen Entscheidungen wirksam.
„Der EZB-Rat hat beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 50 Basispunkte anzuheben. Dementsprechend werden der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität mit Wirkung zum 27. Juli 2022 auf 0,50 %, 0,75 % bzw. 0,00 % erhöht“, heißt es in einer aktuellen Aussendung. Weitere Zinserhöhungen sollen „von Sitzung zu Sitzung“ gefasst werden.
„Größerer Schritt als signalisiert“
50 Basispunkte statt wie erwartet nur 25 – das ist heftig. „Der EZB-Rat gelangte zu der Einschätzung, dass im Zuge seiner Leitzinsnormalisierung ein größerer erster Schritt angemessen ist als auf seiner letzten Sitzung signalisiert“, heißt es in einer Stellungnahme. Und weiter: Man wolle es schaffen, das Inflationsziel des EZB-Rats von 2 % auf mittlere Sicht“ zu erreichen. Bedeutet auch: In greifbarer Nähe ist das Absinken der aktuell bei 8,6 Prozent (Juni) liegenden Inflation nicht. In Österreich etwa rechnet die Nationalbank damit, dass die Inflationsrate bis Ende des Jahres bei mehr als 8 Prozent bleiben wird.
Als Gewinner:innen der Entscheidung gelten zuallererst die europäischen Banken. So konnte man die Reaktion der Börsianer:innen kurz nach der Bekanntgabe der Zinserhöhung sofort sehen. Die Aktienkurse von Deutsche Bank, Santander, Erste Bank, Commerzbank oder BNP Paribas gingen sprunghaft nach oben, um sich dann bei einem leichten Plus zum Vortag zu setteln. Der DAX (unten in Blau) hingegen als einer der wichtigsten Indizes zur Wirtschaftslage in Europa hingegen war dann eher am Sinken.
EZB entscheidet über Höhe von Staatsschulden mit
Die ZB hat auch eine Sicherheitsmaßnahme für schwächere Länder in Europa eingebaut – Weil Euroland nicht gleich Euroland ist. So soll es für hochverschuldete Staaten wie Italien ein Kriseninstrument, damit diese noch nicht zusätzlich verstärkt unter den Zinserhöhungen leiden.
Es hört auf den Namen Transmission Protection Instrument (TPI) und bedeutet, dass die „Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos“ erfolgen kann. Die EZB entscheidet damit faktisch über die „Finanzierbarkeit hoher Staatsschulden und damit auch über das Schicksal von Regierungen“, so der Ökonom Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim. Wie TPI im Detail funktionieren soll, kann man hier nachlesen.
Die Zinswende, die der Markt bereits antizipiert hat, ist bereits am Markt auch für den Einzelnen zu spüren, wenn es um Kredite und Zinsen geht (Trending Topics berichtete). Sie bedeutet teurere Wohn- oder Baukredite, aber auch wieder bessere Zinsen am Sparbuch.
Zinswende der EZB bereits bei Wohnkrediten und Sparen sichtbar