Hitzewelle in der Antarktis: „Ein Vorgeschmack, was kommen könnte“
Wenn es irgendwo 40 Grad wärmer ist, als es eigentlich sein sollte, sollten die Alarmglocken schrillen. Wenn dieser Ort die Antarktis ist, umso lauter. Während der März bereits den Winter am Südpol einläuten sollte, wurden Mitte März am Eisdom „Dome C“ beinahe sommerliche -12 Grad gemessen. Die Durchschnittstemperatur für diese Jahreszeit liegt jedoch deutlich unter -50 Grad Celsius.
Nos collègues du télescope ASTEP au Dôme C en Antarctique viennent d’enregistrer un record de chaleur pour un mois de mars: on est plus de 40 degrés au dessus des normales saisonnières…#DontLookUp (canicule à -12 degrés !) pic.twitter.com/QwTU5wSugc
— Eric Lagadec (@EricLagadec) March 19, 2022
Solche Hitzerekorde wirken sich auch auf das Eisschild der Antarktis aus, könnte man meinen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Ende Februar 2022 wurde in der Antarktis etwa die geringste Meereis-Konzentration seit Anbeginn der Satellitenaufzeichnung im Jahr 1979 gemessen. 1,92 Millionen Quadratkilometer betrug am 25. Februar die Meereisausdehnung am Südpol. Der letzte Negativrekord wurde im März 2017 verzeichnet, damals waren es allerdings noch 190.000 Quadratkilometer mehr. Sieht man sich die durchschnittliche Ausdehnung der Jahre 1981 bis 2010 an, erkennt man das Ausmaß der diesjährigen Eisschmelze.
Doch die Eisschmelze 2021-2022 begann früher als normalerweise. Nachdem das Eisschelf am 1. September sein Maximum erreicht hatte, folgten gleich der polare Frühling und Sommer. Dabei waren nicht unbedingt hohe Temperaturen für die Schmelze verantwortlich, sondern die starken Winde. Diese trieben das Meereis weiter in wärmere Gewässer hinaus. Eine Ausnahme bildete das Weddellmeer, nördlich des Ronne Schelfeis: Dort drückte der Wind das Eis weiter gen Süden, wo es sich besser halten konnte.
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Hitzewelle kann Eis in der Antarktis wenig anhaben
Seitdem wuchs das Eis am Südpol wieder normal an, sagt Polareis-Forscher Walt Meier in einem Statement zum Team der „Earth Observatory’s Mission“ der NASA. Auch die kürzlich verzeichnete Hitzewelle dürfte dem Eisschild zum Glück wenig anhaben. „Es sind hauptsächlich die Meerestemperaturen, die zählen“, so Meier „und eine kurze Hitzewelle dürfte diese kaum beeinflussen“. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie viel Meereis dieses Jahr nachwächst.
Andere Forscher:innen warnen bereits, dass sich das Schmelztempo seit Anfang März rapide erhöht hätte. So habe sich etwa das gesamte Conger Schelfeis in den letzten Tagen abgelöst. Expertin Catherine Colello Walker rechnet im Guardian nicht mit größeren Auswirkungen. „Es ist allerdings ein Vorgeschmack, was kommen könnte“, so Walker. Insgesamt ist der kleine Gletscher nicht groß genug, dass es zu einem deutlichen Anstieg des Meeresspiegels komme, fügt Matt King hinzu, der das Australische „Centre for Excellence in Antarctic Science“ leitet. Es brauche aber weitere Forschung, wie sehr sich die Hitzewelle auf das Schelfeis auswirke.
New @usnatice-named icebergs resulting from complete collapse of East Antarctica’s Conger Ice Shelf (~1200 sq. km) on/around March 15, seen in combo of #Landsat and #MODIS imagery. #CongerIceShelf #Antarctica @helenafricker @jdmillstein https://t.co/16JtKcXQPY pic.twitter.com/lSKMNgRgNi
— Catherine Colello Walker (@CapComCatWalk) March 24, 2022
Es ist nicht ungewöhnlich, dass das Meereis der Antarktis während des antarktischen Sommers beinahe komplett verschwindet. Von Februar bis September wächst das Eisschild allerdings wieder auf eine Fläche an, die ungefähr der doppelten Fläche der USA entspricht. Anders als am Nordpol bleibt dabei das Eis am Südpol die letzten 40 Jahre betrachtet relativ konstant. Durch die starke Eissschmelze am Nordpol nimmt die durchschnittliche globale Fläche an Meereis aber von Jahr zu Jahr ab.
Doch nochmals zurück zur kürzlichen Hitzewelle in der Antarktis. Diese wurde nämlich von einem milden und feuchten Atmosphärenstrom aus Australien ausgelöst. Solche Phänomene sind nicht ungewöhnlich und können sich sowohl auf die Nord-, als auch auf die Südhalbkugel auswirken, halten jedoch meist nur kurz an. So wurde etwa erst im letzten Winter mit -61,1 Grad Celsius die kälteste durchschnittliche Temperatur in der 65-jährigen Messgeschichte am Südpol verzeichnet. Laut einer Studie aus dem Februar 2022 wird die -50-Grad-Marke im Frühwinter jedoch immer seltener unterschritten.
Extremwetter durch die Klimakrise immer häufiger
Während die Auswirkungen der Klimakrise auf das Eis der Arktis deutlich zu sehen sind, sind die Folgen in der Antarktis weniger gut zu erkennen. Zumindest indirekt dürfte die Klimakrise aber auch solche Extremwetterlagen in der Antarktis hervorrufen. Der Weltklimarat (IPPC)warnte dabei bereits 2020, dass die globale Erwärmung Wetterextreme deutlich häufiger auftreten lasse. Eine durchschnittliche Erwärmung von 1,5 Grad würde die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen, Dürren aber auch Starkregen deutlich steigern.
Nicht nur in der Antarktis, sondern auf der ganzen Welt muss man sich daher sowohl an extreme Hitzewellen, als auch an andauernde Kälteperioden vorbereiten. Denn auch wenn sich die durchschnittlichen Temperaturen auch nur wenig ändern, sind es diese Extreme, die der Menschheit immer häufiger zu schaffen machen.