Hitzewelle: So lassen sich Städte „Grün und Blau“ abkühlen
Im Juli hat Europa eine heftige Hitzewelle erlebt, die teilweise zu echten Rekordtemperaturen führte. So wurden in Großbritannien erstmals mehr als 40 Grad Celsius gemessen. Außerdem kam es zu Waldbränden in mehreren Ländern, darunter Spanien, Frankreich und Deutschland. Auch im August könnte sich diese Hitzewelle fortsetzen. Die Klimakrise ist deutlich spürbar und wirkt sich nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die Gesundheit der Menschen aus. Das kann vor allem in Städten zu einem gewaltigen Problem werden. Sie könnten sich künftig jedes Jahr im Sommer zu echten Hitzeoasen entwickeln.
Um das zu verhindern, dürfen nicht nur gewöhnliche Klimaanlagen zum Einsatz kommen. Denn deren massiver Energieverbrauch würde die Klimakrise nur noch weiter verschärfen. Doch es gibt auch nachhaltigere Alternativen, um Städte abzukühlen. Wir zeigen hier einige innovative Methoden, die Lebensqualität im Sommer in der Stadt der Zukunft gewährleisten könnten, ohne dabei den Energieverbrauch eskalieren zu lassen. Genutzt wird dabei meist die „grüne und blaue Infrastruktur“ einer Stadt – also Grünflächen und das Wasser.
Begrünung: Bäume kühlen Städte natürlich
Eine Lösung für die extreme Hitze in Städten muss nicht unbedingt High-Tech beinhalten. Denn die Natur bietet bereits eine nachhaltige Methode zur Abkühlung: Bäume und Pflanzen. Eine Studie der ETH Zürich aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, dass in städtischen Arealen, an denen Bäume wachsen, die Bodentemperatur deutlich niedriger ist. Je tiefer Bäume wurzeln, desto mehr Wasser nehmen sie auf, was zu einer größeren Verdunstung führt. Durch diesen Verdunstungseffekt werden die Bodenflächen deutlich kühler, so die Ergebnisse der Studie (wir berichteten).
Weniger Hitze: Bäume senken Bodentemperatur in Städten deutlich
Wien setzt deshalb jetzt schon stark auf die Begrünung. Bereits im Jänner 2021 betonte Bürgermeister Michael Ludwig, dass Wien zur „Klimamusterstadt“ werden soll. Geplant sind dafür unter anderem 25.000 neue Bäume und 400.000 Quadratmeter an Parkanlagen. Ein kleiner Anteil davon wurde im vergangenen Jahr bereits umgesetzt. 2021 wurden rund 4.500 Bäume neu gepflanzt, 2.000 davon in den vergangenen Herbstmonaten.
Grüne Architektur: Pflanzliche Klimaanlage
Doch nicht nur auf der Straße kann Begrünung die Temperaturen senken. Auch an Gebäuden selbst können Pflanzen als natürliche Klimaanlagen fungieren. Das haben in Österreich bereits mehrere Unternehmen realisiert und entsprechend umgesetzt. So hat Ikea bei der Filiale am Standort Westbahnhof insgesamt 160 Bäume in speziellen Trögen an allen Seiten der Fassade des Gebäudes befestigt (wir berichteten).
Im vergangenen Jahr hat außerdem Billa in der Steiermark eine neue Filiale eröffnet, die als „Green Building“ zertifiziert ist. Das Gebäude hat als erster Lebensmittelmarkt weltweit vom Wiener Startup Greenpass eine Gold-Zertifizierung für die Bauweise erhalten. Neben nachhaltigen Maßnahmen wie einer Photovoltaikanlage bietet auch dieses Gebäude eine starke Begrünung (wir berichteten).
Billa: Wiener Green Startups machen neue Filiale zur „grünsten Österreichs“
Eine Reihe von heimischen Startups hat es sich währenddessen zum Ziel gemacht, die Begrünung von Gebäuden zu fördern. Eines davon ist Epiclay, das ein modulares Fassadenbegrünungssystem entwickelt hat, das sowohl im Innenraum als auch im Außenbereich einsetzbar ist.
Ein weiteres Beispiel ist Plantika aus Wien. Die Jungfirma konzentriert sich auf die Begrünung von Dächern. Sie entwickelt Gründach-Module für geneigte Blech- und Ziegeldächer, die komplizierte Baumaßnahmen bei der Begrünung ersparen sollen.
Blaue Infrastruktur: Bewässerung als Kühlsystem
Doch nicht nur Pflanzen an Gebäuden können diese abkühlen. Es gibt unterschiedliche Maßnahmen im Bereich der Architektur, um dieses Ziel zu erreichen. In Österreich ist das Startup Greenpass hier an vorderster Front. Das Wiener Unternehmen berechnet die Wirkung von Bauprojekten auf das Klima und gibt Empfehlungen zur Optimierung.
So hat die Jungfirma Ikea bei der Entwicklung des Standortes Westbahnhof unterstützt. Daneben arbeitet Greenpass an „blauer Infrastruktur“, die sich auf Wasserelemente im Freiraum bezieht, beispielsweise Nebelsprüher, Teiche und Springbrunnen. Anfang dieses Jahres konnte sich Greenpass ein Millioneninvestment sichern (wir berichteten).
Greenpass: Wiener Startup für grüne Architektur sichert sich Millionen-Investment
Ein wichtiges Beispiel für blaue Infrastruktur zeigt sich laut euronews derzeit auch in Paris. Die Großstadt nutzt ein unterirdisches Rohrsystem, um gekühltes Wasser aus der Seine unter dem Boden zirkulieren zu lassen. Dadurch soll das Wasser den Boden und damit auch die Luft abkühlen. Durch diesen Ansatz wird die vom System entzogene Wärme wiederum in den Fluss geleitet, und im Winter wird das kalte Wasser zur Kühlung der Systeme verwendet. Derzeit erstreckt sich dieses Rohrsystem über 89 Kilometer. Doch in Zukunft plant die Stadt, es massiv auszuweiten. Bis zum Jahr 2042 soll es satte 252 Kilometer abdecken und so das weltweit größte System dieser Art werden.
Gebäudeplanung: Isolieren und Belüften
Neben Begrünung und Bewässerung gibt es aber auch noch jede Menge weitere Details in der Gebäudeplanung, die einen großen Unterschied machen können. Dazu gehört beispielsweise die Isolierung, um den Zustrom heißer Luft von außen zu begrenzen, sowie verbesserte Fenster, um das Eindringen von Sonnenenergie zu begrenzen. Ebenso wichtig: Die Belüftung. In diesen Bereichen gibt es laut sifted international viele Jungfirmen, die spannende Innovationen bieten.
In der Welt der Isolierung gibt es Startups wie Thermulon aus Großbritannien, das eine Isolierung mittels Aerogel entwickelt (eines der weltweit am wenigsten dichten und am besten wärmeisolierenden Materialien). Es gibt auch Q-Bot, ein in London ansässiges Jungunternehmen, das einen Roboter entwickelt hat, der in bestehenden Häusern eine Unterflurdämmung anbringt, während er unter dem Boden auf vier Rädern fährt.
Solarkühlung: AIT-Forscher arbeiten an grüner Alternative zu Klimaanlagen
Einige der innovativsten Veränderungen finden im Bereich der Belüftung statt. Hier geht es darum, kühlere Luft in Gebäude zu leiten, ohne zusätzliche Emissionen zu verursachen. Das System des Startups Ventive erzeugt beispielsweise kühle Luft als Nebenprodukt der Heizung. Das System nutzt eine Wärmepumpe, die der Luft Wärme entzieht und diese auf Wasser überträgt, um es mit minimalem Energieaufwand zu erwärmen. Wärmepumpen erzeugen als Nebenprodukt kalte Luft, die Ventive zurück ins Haus pumpt.
Ein anderes spannendes Konzept, das sich auf Wärmepumpen bezieht, ist „Coolskin“ vom Austrian Insitute of Technlology (AIT). Bei diesem Projekt erforscht das Institut, wie sich Wärmepumpen durch Solarenergie effektiv betreiben lassen. Energietechnisch ist das System komplett autarkt, es benötigt also keine weitere Energie aus externen Quellen. Das AIT hat die „Coolskin“, die seit 2015 entwickelt wird, in Graz bereits im Labor getestet und will das System nun weiter optimieren (wir berichteten).
AirEx ist ein weiteres Jungunternehmen, das an Kühltechnik arbeitet. Es hat einen neuen Ziegelstein entwickelt, der zu verschiedenen Zeiten bestimmte Luftmengen einlassen kann – genug, um für Belüftung zu sorgen und gleichzeitig Wärmeverluste im Winter und das Einströmen von heißer Außenluft im Sommer zu verhindern.
Solarkühlung: AIT-Forscher arbeiten an grüner Alternative zu Klimaanlagen
Software-Lösungen: Optimierung der Kühltechnik
Andere Unternehmen arbeiten an Softwaretools zur Optimierung des Energieverbrauchs von Heiz- und Kühlsystemen in Häusern. Das in Lyon ansässige Unternehmen BeeBryte hat eine Technologie entwickelt, die das Wetter und die Nutzungsmuster des Hauses vorhersagt, um die Luft im Vorfeld bestimmter Verhaltensweisen zu kühlen oder zu heizen. Die Umstellung auf ein vorausschauendes System anstelle eines reaktiven Systems ermöglicht nach Angaben des Unternehmens Einsparungen beim Energieverbrauch von bis zu 40 Prozent.
Neben dieser Technologie gibt es allerdings auch einfache Lösungen, die Verbraucher:innen selbst umsetzen können. Dazu gehören die Beschattung der Fenster, das Ausschalten von Geräten, die Wärme erzeugen, wie z. B. Backöfen oder Fernseher, das Schließen der Fenster in der Hitze des Tages und Öffnen der Fenster in der Nacht, um kühlere Luft ins Haus zu lassen.
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Adsorptionskühlung durch chemische Reaktion
Es gibt also schon mehrere nachhaltige Lösungen für die Kühlung von Gebäuden, jedoch arbeiten Forscher:innen weltweit intensiv an neuen Methoden. Neue Forschungsergebnisse des Pacific Northwest National Laboratory (PNNL), die in der Zeitschrift Accounts of Chemical Research veröffentlicht wurden, zeigen eine davon: die Adsorptionskühlung. Dabei handelt es sich um eine Lösung, bei der Systeme mit geringen Mengen an Abwärme aus einem Gebäude oder einer Industrieanlage betrieben werden, um Reaktionen zwischen einem dampfförmigen Kältemittel und einem festen Material anzutreiben.
„Kältemittelbasierte Adsorptionskühlung beseitigt die großen Kosten-, Effizienz- und Zuverlässigkeitsprobleme, die die Akzeptanz aktueller wasserbasierter Adsorptionskühlungssysteme in Gewerbe- und Wohngebäuden eingeschränkt haben“, sagt Pete McGrail, Laboratory Fellow und Chemieingenieur, der die Bemühungen des PNNL im Bereich der Adsorptionskühlung mehrere Jahre lang leitete.
Fazit
Die Klimakrise verschärft sich immer weiter und ihre Auswirkungen sind angesichts der massiven Hitzewelle in Europa nicht zu übersehen. Städte werden sich zwangsläufig an diese neuen Klimabedingungen anpassen müssen, um die Gesundheit und Lebensqualität ihrer Bewohner:innen nicht zu gefährden. Glücklicherweise gibt es viele Ansätze, um das ohne einen massiven Anstieg an Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu schaffen. Doch natürlich ist es noch wichtiger, die Klimakrise zu stoppen, als sich bloß an diese anzupassen. Deswegen sind auch Maßnahmen wichtig, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Allerdings kann vor allem die Begrünung der Städte auch hierbei helfen.