hokify: Job-Startup verzichtet auf Algorithmus zur Bewertung von Arbeitssuchenden
23 Mitarbeitern, ein siebenstelliger Jahresumsatz, 18.000 registrierte Unternehmen und mehr als 300.000 Jobsuchende: Das ist die eine Message, mit der das Wiener Startup hokify aufhorchen lässt. Die andere Botschaft: Anders als das österreichische Arbeitsmarkt Service (AMS) verzichtet die mobile Job-Plattform, die unter dem Namen JobSwipr eine Tinder-ähnliche Jobsuche am Smartphone launchte, auf einen Algorithmus, der Arbeitssuchende in Kategorien einteilt.
“Wir wollen Jobsuchende nicht bewerten und klassifizieren”, sagt Karl Edelbauer, Mitgründer und Geschäftsführer von hokify, gegenüber Trending Topics. “Wir wollen verhindern, dass es durch einen Algorithmus falsche Zuweisungen gibt. Wir glauben nicht an eine Klassifizierung, und wir glauben nicht, dass man das automatisieren kann.” Bei hokify, das vor allem bei jüngeren Menschen ein beliebtes Tool für die Arbeitssuche am Smartphone geworden ist, fungiert ein Algorithmus, der auch mit Hilfe von FFG-Förderungen erarbeitet wurde, lediglich als Hilfsmittel. Das junge Unternehmen ist kürzlich für den Staatspreis Consulting 2018 nominiert worden.
„Das kann man nicht automatisieren“
Dieser Algorithmus schlägt den hokify-Nutzern Stellenangebote vor, die zu deren Eingaben passen (z.B. hinsichtlich Wohnort, Gehaltsvorstellungen, Branche). Und: Er zeigt hokify-Mitarbeitern, wenn die in der App hochgeladenen Bewerbungsunterlagen nicht vollständig sind oder verbessert werden können. “Bei Bewerbungen sind oft einige Daten nicht dabei, was die Chance auf einen Job verringert”, sagt Edlbauer. “Wir wollen Bewerber Versäumnisse aufzeigen.”
So gibt es bei hokify ein eigenes Team von Mitarbeitern, die den Bewerbern Feedback und Beratung zu ihren hochgeladenen Informationen geben. “Wir nehmen es in Kauf, dass das viele Ressourcen kostet, weil wir glauben, dass man das nicht automatisieren kann”, so der hokify-Geschäftsführer. Durch dieses sogenannte “User-Review” sei die die Erfolgswahrscheinlichkeit der Bewerbungen wesentlich gesteigert worden. Die Unternehmen, die auf der Plattform Jobinserate veröffentlichen, bekommen darüber hinaus von hokify passende Kandidaten gezeigt, aber diese würden nicht auf Basis der Daten in eine Reihung gebracht. “Wir würden nie technologisch auswählen, wer der beste Kandidat ist”, sagt Edlbauer. “Wir wollen technologisch vorne sein, aber die Entscheidungen müssen immer Menschen treffen.”
AMS in der Kritik
Das AMS soll ab 2019 mit einem neuen Tool mit komplexen mathematischen Modellen arbeiten, das die Jobchancen von Arbeitssuchenden monatlich automatisiert bewertet und in drei Klassen einteilt. Das System vergibt je nach Kriterium Punkte und stuft die individuellen Chancen auf einen baldigen Arbeitsbeginn ein. Frauen erhalten beispielsweise weniger Punkte als Männer, ihre Jobchancen werden geringer eingeschätzt. Denn bei Frauen rechnet das Tool mit Betreuungspflichten, bei Männern nicht.
Der komplexe Algorithmus ist in die Kritik geraten, da er neben dem bisherigen Berufsleben und der Ausbildung Kriterien wie Alter, Geschlecht, Betreuungspflichten oder Gesundheitszustand heranzieht. Das sei eine klare Diskriminierung, meinen Kritiker. Algorithmen diskriminieren nicht, sondern erkennen lediglich spezielle Muster in einer großen Masse von Daten, meinen Befürworter des Systems. Sie würden keine Probleme erschaffen, sondern lediglich auf vorhandene hinweisen. Mittlerweile beschäftigt sich die Volksanwaltschaft mit dem geplanten AMS-Algorithmus.
AMS-Vorstand kontert
In einem Gastkommentar auf derstandard.at hat sich AMS-Vorstandsmitglied Johannes Kopf zu Wort gemeldet und kontert Kritikern. “In sogenannten Big Data spezielle Muster zu erkennen, um daraus Prognosen zu erstellen, ist eine Fähigkeit, die der Computer unzweifelhaft besser beherrscht als der Mensch. Dabei werden Chancen, aber auch Probleme eines Einzelnen zwar rechnerisch erfasst, nicht aber erschaffen, sondern nur erkannt und aufgezeigt”, schreibt Kopf. “Seien Sie bitte sicher: Es ist immer noch der Mensch, die AMS-Beraterin oder der AMS-Berater, der sich persönlich um die Anliegen des oder der Arbeitssuchenden bemüht, der jetzt aber noch besser helfen kann. Weil die Chancen auf dem Arbeitsmarkt künftig noch objektiver beurteilt werden können.”
Dass Frauen durch den AMS-Algorithmus diskriminiert werden würden, weist Kopf zurück. “Unser neues Assistenzsystem berücksichtigt die Realität, dass Frauen am Arbeitsmarkt noch immer diskriminiert werden. Würde es dies nicht tun, gäbe es zwar auch nicht mehr Jobaufnahmen von Frauen, dafür aber eine signifikant niedrigere Prognosequalität.” Man werde bei der Einführung des neuen Assistenzsystems behutsam vorgehen. Ziel sei, mit den zur Verfügung stehenden Förderbudgets und Personalressourcen in Zukunft noch mehr Menschen noch besser als bisher zu helfen.