Home Office: Wie die Corona-Notlösung zum Dauerzustand werden kann
John-Paul Pieper ist CEO des deutschen InsurTechs nexible. Die voll-digitale Kfz-Versicherung beschäftigt aktuell 26 Mitarbeiter und setzt seit ihrer Gründung 2017 auf Home-Office und agiles Arbeiten. In diesem gastbeitrag beschäftigt sich Pieper damit, ob Home Office eine langfristige Lösung werden kann.
Durch die Corona-Krise ist Home-Office in aller Munde. Die damit verbundenen Herausforderungen sind aber größer, als man auf den ersten Blick glauben könnte. Denn es ist nicht damit getan ist, Mitarbeiter einfach nur mit einem Firmenlaptop und einem Smartphone ausgestattet nach Hause zu schicken. Vor allem die interne Kommunikation ändert sich gravierend, wenn sich Teams nicht mehr regelmäßig im Büro treffen. Um den zwischenmenschlichen Dialog und die Qualität von Diskussionen im Home-Office hoch zu halten, müssen sich Unternehmen gezielt darauf einstellen.
Fixe Tools für klare Abläufe
Bei nexible setzen wir bereits seit 2017 auf agiles Arbeiten, auch Home-Office war für uns schon lange vor Ausbruch der Corona-Pandemie Business as usual. Daher haben wir uns mit vielen Dingen leichter getan als andere Player, die von heute auf morgen auf das Arbeiten von daheim umstellen mussten. Dass die technischen Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, ist Grundvoraussetzung. Aus unserer Erfahrung klappt Home-Office vor allem dann besonders gut, wenn bestimmte Kommunikations-Tools definiert werden, mit denen ein Team arbeitet und klar geregelt ist, wann welches Tool zum Einsatz kommt. Also welche Situationen und Aufgaben zum Beispiel eine Video-Konferenz erfordern, was man via Chat löst, wann telefoniert wird und in welchen Fällen E-Mails angebracht sind.
E-Mails werden übrigens tendenziell überstrapaziert, gerade in der Old Economy herrscht immer noch häufig eine wahre E-Mail-Kultur vor. Vom E-Mail-Schreiben allein kommt aber noch lange kein funktionierender Diskussionsprozess in Gange. Dafür braucht es einen Arbeitsrhythmus, der beibehalten wird und sich am besten in Form von Events widerspiegelt. Ein Beispiel dafür bei uns ist das wöchentliche Standup, in dem alle wichtigen Infos kommuniziert werden.
Hinterfragen und optimieren
Um die Effizienz hoch zu halten und nicht auf der Stelle zu treten, lohnt sich der regelmäßige Blick in den Rückspiegel. Ein wichtiges Tool, das uns dabei unterstützt, ist unsere regelmäßige Teamretrospektive. Damit untersuchen wir mindestens ein Mal pro Quartal, was bei uns in letzter Zeit in Bezug auf Menschen, Beziehungen, Prozesse und Werkzeuge gut gelaufen ist, ordnen das Verbesserungspotenzial und planen, die Arbeitsweise zu optimieren. Wir haben schon lange vor Corona begonnen, die Teamretro voll digital abzuhalten, was uns während der Pandemie zugute kam, weil alles eingespielt war. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass digitale Meetings bei bestimmten Themen tatsächlich effektiver sind, als stundenlange Besprechungen im Büro.
Win-Win-Situation
Richtig organisiert spricht sowohl für den Dienstgeber als auch für die Dienstnehmer vieles dafür, Home-Office als langfristige, zusätzliche Alternative in Betracht zu ziehen, denn es können alle Beteiligten davon profitieren. Aus Unternehmersicht bietet Home-Office jede Menge Einsparungspotenzial. Arbeiten Teams vermehrt von zuhause, sinken die Fixkosten für Bürostandorte. Und wie sich besonders in den vergangenen Wochen gezeigt hat, können moderne Tools zudem auch teure und oft zeitraubende Geschäftsreisen – zumindest größtenteils – ersetzen. Mitarbeiter wiederum sparen sich den täglichen Weg zur Arbeit und wieder nach Hause und sind flexibler in ihrer Zeiteinteilung. Das ist gerade dann ein großes Plus, wenn sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen wollen und müssen. Nicht umsonst ist es für Jobsuchende immer öfter ein Knock-out-Kriterium, wenn ihnen Unternehmen keine flexible Home-Office-Lösung anbieten können.
Klare Regeln gefragt
Bei allen Vorteilen für Unternehmen und Mitarbeiter ist dauerhaft funktionierendes Home-Office kein Selbstläufer. Es braucht die technischen Voraussetzungen, dasselbe Mindset aller Akteure und klare Tools und Regeln. Weil im Home-Office die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem viel leichter verschwimmen können, ist neben Eigenverantwortung der Mitarbeiter auch offene Kommunikation gefragt. Es sollte etwa stets klar sein, wer gerade arbeitet und wer nicht, weil er zum Beispiel gerade eine Pause macht oder schon im Feierabend ist. Das beugt nicht nur Missverständnissen vor, sondern wirkt auch dem Gefühl entgegen, permanent verfügbar und erreichbar sein zu müssen.